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ASOW: Von der freiwilligen Miliz zur extrem rechten Bewegung

Meike van der Aare
Einleitung

Das "Regiment Asow" (Полк Азов) hat sich innerhalb von fünf Jahren von einer neofaschistischen Miliz zur politischen Bewegung gewandelt, die zur Drehscheibe im internationalen Netzwerk der militanten extremen Rechten wird. Die Anziehungskraft für Neonazis reicht weit über die ukrainischen Grenzen hinaus. Asow dürfte international noch mehr an Gewicht gewinnen, sollten sie ihre Bestrebungen weiterhin relativ unbehelligt realisieren können.

Bild: Screenshot von Facebook

Hendrik Möbus, Olena Semenyaka und Alexey Levkin im Rahmen des „Asgardsrei-Festival“ in Kiew 2017.

Im Mai 2014 riefen nationalistische Politiker die Gründung des Asow-Bataillons (Полк Азов) aus, einer Freiwilligenmiliz, die sich mit vielen anderen am Kampf gegen russische Separatisten im Osten der Ukraine beteiligte. Mitglieder der ersten Stunde waren Fußballfans, die sich während der Maidan-Proteste extrem rechten Gruppen wie der „Misantrophic Division“, der „Wotan Jugend“ oder dem „Rechter Sektor“ anschlossen. Geführt wird die Truppe bis heute vom Neonazi Andrij Biletsky (Андрій Євгенійович Білецький), der zwischenzeitlich einen Sitz im ukrainischen Parlament bekleidete.

Die Miliz wurde vordergründig zur Imagepflege per Erlass des Innenministers Arsen Avakov (Аваков Арсен Борисович) in ein Regiment umgewandelt und so der Nationalgarde unterstellt. Seitdem die extrem rechte Miliz 2015 ihren legalen Status erlangte, hat sie stetig neue Strukturen geschaffen und professionalisiert, sie hat Kämpfer, Mitglieder und Sympathisant_innen angeworben und rekrutiert, eigene Lokale und Räumlichkeiten eröffnet und somit auch Arbeitsplätze für die lokale Szene geschaffen.

2016 wurde die Partei „National Corps“ von Biletsky ins Leben gerufen, welche auf dem 2015 gegründeten „Asow Civil Corps“ fußte. Der politische Arm von Asow, der sich den sozialen und politischen Problemen in der Ukraine widmet, eröffnete 2016 ein rechtes Sozialzentrum, das „Kosakenhaus“. Das dreistöckige Hotelgebäude, das während der Maidan-Proteste von rechten Kräften besetzt wurde, ist heute eines der Zentren der Asow-Bewegung in Kiew. Daneben gehören diverse Sozialprojekte wie das „Youth Corps“, der „Sports Club“ sowie der „Plomin Club“, der sich politisch intellektuellen Themen widmet, unter das Dach von Asow. Die Zahl der Mitglieder aller Unterorganisationen wird von Asow mit rund 10.000 in der ganzen Ukraine angegeben.1

Inländischer Terror

Im Frühjahr 2017 wurde die bisher letzte Organisation unter der Regie von Asow gegründet - die paramilitärische „National Militia“. Die dem Innenministerium unterstellte Gruppe übernimmt, legitimiert durch ukrainisches Gesetz, polizeiähnliche Aufgaben. An der Inaugurationszeremonie in Kiew nahmen rund 600 Männer teil, die in Reih und Glied mit Fackeln vom Maidan durch die Innenstadt marschierten. Ihre Mitgliederzahl soll sich auf mehrere Tausend in der ganzen Ukraine belaufen. Ziel der Gruppe ist es die ukrainische Ordnung wiederherzustellen, die von der Polizei nicht durchgesetzt würde. Angriffe auf Roma-Camps, das Stören von Demonstrationen von politischen Gegner_innen und die Suche nach der Konfrontation mit der Polizei gehören zu den alltäglichen Aktivitäten. Auch störten Mitglieder eine Gemeindeversammlung und setzten die Anwesenden so lange unter Druck, bis ihre Forderungen angenommen wurden. Zudem zeigt ein BBC-Video, wie eine Truppe der „National Corps“ ohne jeden Grund vermeintlich illegale Spielhäuser stürmt und das Inventar zerstört.2

Innenminister Avakow, der die Asow-Bewegung quasi protegiert, beauftragte die Sicherung der Parlamentswahlen durch die paramilitärische Gruppe, was von diversen Medien in der Ukraine kritisiert wurde. Kurz nach den Parlamentswahlen griffen zwei Asow-Veteranen die Personenschützer des ehemaligen Präsidenten Petro Poroshenko auf offener Straße mit Pfefferspray an und traten mehrfach gegen dessen Auto.

Asows Botschafter_innen

Olena Semenyaka ist eine Schlüsselfigur Azovs und bekleidet die Funktion der internationalen Sekretärin des „National Corps“. Die auch als Sprecherin der Bewegung tätige Historikerin ist global bestens vernetzt. Um ihre Kontakte und die „Reconquista“–Idee des Aufbaus einer pan-europäischen Konföderation auszuweiten, nahm sie an diversen Kongressen der extremen Rechten in Europa teil oder organisierte diese für das „National Corps“ in der Ukraine. Sie steht in Deutschland im Austausch mit neonazistischen Strukturen wie „Kraftquell“, „Der III. Weg“ oder der NPD-Jugendorganisation („Jungen Nationalisten“).

In einem Interview nennt Semenyaka Denis „Nikitin“ Kapustin einen inoffiziellen Botschafter Asows. Beide nahmen gemeinsam an Konferenzen in der Ukraine und Polen teil.3 Kapustin, der die pan-europäische Idee schon länger propagiert, lockte durch seine guten Kontakte im Bereich Kampfsport diverse extrem rechte Kämpfer in Asows „Reconquista Club“ nach Kiew, darunter auch dato angeklagte Neonazis des „Rise Above Movement“ aus den USA. Im Mai 2019 fand der erste „F1ght K1ngs“ Event statt, auf der Fight Card des Großevents in Kiew waren vorwiegend Kämpfer gelistet, die Asow nahestehen oder durch „Nikitins“ Kontakte für die Veranstaltung gewonnen werden konnten.4 Inwiefern das kürzlich erlassene Einreiseverbot im Schengen Raum Kapustins Botschaftertätigkeit für Asow einschränkt, wird sich zeigen.

Systematische Rekrutierung im In- und Ausland

Die Truppenstärke des Asow-Regiments hat sich innerhalb von drei Jahren rund verdreifacht.5 Eine amerikanische Sicherheitsfirma sieht Ähnlichkeiten in Rekrutierungspraxis islamistischer Terrorgruppen und listet folgende Parallelen auf: konkretes, professionelles Anwerben von Kämpfern über die sozialen Medien, sowie das „klassische“ Bewerben von Nachwuchs an szeneeigenen Veranstaltungen wie beispielsweise 2017 in Themar.6

Das Recherchekollektiv Bellingcat deckte im Februar 2019 auf, dass Asow seit 2015 mit Neonazis in den USA in Kontakt stand und versuchte, diese ins "Regiment Asow" einzubinden. Darunter war auch ein ermordetes Mitglied der rechtsterroristischen „Atomwaffen Division“ (AWD). Dieser suchte über soziale Medien Anbindung an Asow, wollte in die Ukraine reisen und war gewillt, von den professionellen Strukturen der europäischen Neonazis zu lernen. Weiter wird berichtet, dass ein norwegischer Neonazi Lobbyarbeit für Asow betrieben hat, mit der Absicht, Veteranen der US-Streitkräfte für Asows Sache zu gewinnen.7

Ambitionen der nahen Zukunft

Der bisher unerwähnte Botschafter der Azsow-Bewegung ist der Russe Alexey Levkin. Der gewalttätige Neonazi ist Sänger der NSBM-Band „M8l8th“ und ist mit Semenyaka und Hendrik Möbus Veranstalter des seit 2015 in Kiew stattfindenden „Asgardsrei“-Festival, auf dem 2017 auch die Band „Absurd“ des verurteilten Mörders Möbus auftrat. (Vgl. AIB Nr. 117).

Levkin ist Anführer der Asow-nahen neonazistischen „Wotan Jugend“, die zu Beginn dieses Jahres öffentliches Aufsehen erregte. Die Gruppe übersetzte das Manifest des Christchurch-Attentäters und publizierte und vertrieb es in der Ukraine. Levkin, der selbst für Asow kämpfte, versucht seit geraumer Zeit die ukrainische Staatsbürgerschaft zu erlangen und vertritt als Asow-Botschafter diese Forderung öffentlich. Das Parlament verabschiedete im Juni 2019 ein entsprechendes Gesetz, das vom neuen Präsidenten nur noch in Kraft gesetzt werden muss. Die vereinfachte Erlangung der Staatsbürgerschaft für ehemalige Kämpfer würde Asow in die Hände spielen und die beabsichtige Gründung einer Fremdenlegion wohl beschleunigen.8 9