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Apartheidskrieger gestoppt

Einleitung

Erstmals seit 1994 ist in Südafrika wieder ein schlagkräftiges Netz von rechtsradikalen Buren in Erscheinung getreten. Mitte Dezember 2002 gelang es der Polizei, eine für die Weihnachtswochen angekündigte Terrorwelle der Untergrundgruppe »Boeremag« (Burenmacht) gerade noch rechtzeitig zu stoppen.
Am 11. Dezember 2002 war der Polizei der vorerst letzte Schlag gegen die Untergrundtruppe gelungen. Ein Pick-up, gesteuert von Herman van Rooyen, geriet der Polizei mitsamt brisanter Fracht in die Fänge. Van Rooyen war einer der steckbrieflich Gesuchten nach den Bombenanschlägen in Soweto von Ende Oktober 2002. Auf der Ladefläche hatte er 384kg Sprengstoff sowie Schrauben und Muttern, die als Schrapnelle die tödliche Wirkung verstärken sollten. Das war eine Sprengstoffmenge, mit der Boeremag einen Anschlag im Stile der Bombe von Oklahoma City (USA) hätte bewerkstelligen können. 1995 mussten in den USA 167 Menschen ihr Leben lassen und über zweihundert wurden schwer verletzt Bei van Rooyen fand die Polizei Hinweise auf den Aufenthaltsort zwei weiterer gesuchter Boeremag-Leute. Auf der Farm, auf der sie untergeschlüpft waren, stießen die Fahnder auf weitere 500kg Sprengstoff. Es gab insgesamt acht Verhaftungen, darunter sechs Personen, die nach den Bombenanschlägen in Soweto Ende Oktober gesucht wurden. Damit hatte die südafrikanische Polizei die für Weihnachten angekündigte Terrorwelle ausgebremst. Seit April 2002 hatte es immer wieder Waffenfunde und Verhaftungen gegeben. Im Herbst saßen bereits über 20 mutmaßliche Boeremag-Mitglieder ein, denen im Jahr 2003 der Prozess gemacht werden soll. Von einer breiten Verankerung der Organisation in der weißen Bevölkerung war nicht auszugehen, doch die gefundenen enormen Waffen- und Sprengstoffmengen sprachen für ein echtes Bedrohungspotential.

Johann Niemoller wurde zeitweilig beschuldigt eine Führungsperson von Die Volk zu sein.

Rechte Putschkonzepte

Das politische Konzept, so weit es beschlagnahmten Unterlagen zu entnehmen war, beinhaltete platte faschistische Putschpolitik: Mit allen Mitteln eine Bürgerkriegssituation schaffen, die die Machtübernahme und die Vertreibung der schwarzen Bevölkerung ermöglicht. Südafrikas Präsident Tabo Mbeki und frühere Apartheidpolitiker, die den Weg zur schwarzen Mehrheitsregierung geebnet hatten, sollten ermordet werden. Auf dem Forderungskatalog stand die Freilassung von Gefangenen: Eugene de Kock, Leiter staatlicher Todesschwadronen zu Apartheidzeiten (er hat sich inzwischen von Boeremag distanziert), Willem Ratte, deutschstämmiger Führer des Pretoria–Burenkommandos, die beiden Mörder des KP-Führers Chris Hani, Janusz Walus und Clive Derby-Lewis, und alle Inhaftierten, die wegen Boeremag-Mitgliedschaft einsaßen. Umsetzen konnte Boeremag von ihrem Bürgerkriegsszenario nicht viel. Der Verfolgungsdruck war für die Burentruppe zu groß. Seit April 2002 hatte die Polizei mehrere Waffendepots gefunden, im September war sie auf einen verlassenen LKW gestoßen. Es handelte sich um eine mobile Klinik mit Röntgen- und Operationsmöglichkeiten. Zugleich war das Gefährt vollgestopft mit allerlei Bürgerkriegsbedarf: Automatische Waffen, Einzelteile zum Bombenbau, Soldatenhelme, Embleme mit Odalrunen. Mit diesem Fund war klar, dass die Gruppe sich im Vorfeld von Aktionen befand. Mehrere Personen schrieb die Polizei zur Fahndung aus, darunter Tom Vorster, der als der Kopf des Untergrundflügels der Boeremag gehandelt wurde. Er hatte während des Apartheidregimes beim militärischen Geheimdienst gearbeitet und war dort für die extreme Rechte zuständig gewesen. Da er sich öfters in den USA aufgehalten hatte, gab es gleich Gerüchte über Querverbindungen zu Neonazis in den USA.

Die Anschläge

Den Einstieg für die Boeremag-Terrorkampagne sollten zahlreiche Bomben im September 2002 beim Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg bilden. Doch die Polizei hatte schon einen Monat zuvor Wind von den Plänen bekommen und 16 zu Bomben präparierte Gasbehälter in der Stadt entdeckt. Als sie eine Demonstration von GlobalisierungsgegnerInnen und südafrikanischen sozialen Bewegungen während des Weltgipfels verbot, gab es viel Empörung. Erst Wochen später erklärte Südafrikas oberster Polizeikommissar, Jackie Selebi, dass die Polizei damals weiterhin von einer Anschlagsgefahr ausgehen musste. Am 30. Oktober 2002 explodierten in Soweto, Südafrikas größter schwarzer Stadt und Anti-Apartheidssymbol, neun Bomben. Sie zerstörten vor allem Zugverbindungen in die städtische Metropole von Johannesburg. Eine Frau wurde von einem herausgesprengten Gleisstück erschlagen. Eine zehnte Explosion gab es in einem Hindu-Tempel bei Pretoria. Zur Tat bekannten sich Krieger des Burenvolkes, die die Anschläge als den »Anfang vom Ende der ANC-Regierung« bezeichneten. Ihre Forderung: Freilassung von 35 Gefangenen, darunter alle Boeremag-Inhaftierten. Andernfalls habe die ANC-Regierung »Konsequenzen« vor und während der »falschen und weltlichen« Weihnachtswochen zu verantworten. Der Bezug zu Boeremag war offensichtlich, zudem hatte die Polizei Spuren an einem nicht explodierten Sprengsatz gefunden. Sechs Personen schrieb die Polizei namentlich zur Fahndung aus. Die meisten von ihnen, darunter van Rooyen, wurden schon zuvor gesucht. Einige Tage nach den Soweto-Bomben gelang der Polizei mit Tom Vorster ein großer Fang. Zu seiner Verhaftung führte sein Visumsantrag für die USA. Er wurde Anfang November in der Nähe eines US-Konsulats verhaftet. Mit der Verhaftung Vorsters und der Ausschreibung weiterer Boeremag-Leute zur Fahndung war die Untergrundgruppe angeschlagen. Doch in den nächsten Wochen folgten weitere Anschläge, auf ein Polizeigebäude in Kapstadt, ein Flughafengebäude und eine Brücke in KwaZulu-Natal. Auf die Sprengung der Brücke konterte die Polizei mit einer landesweiten Razzia in 94 Farmen und Wohnhäusern. Damit wurde den Boeremag-Gesuchten signalisiert, dass auch das Untertauchen auf Farmen sein Risiko hatte. Noch am selben Tag bekräftigten »Krieger des Burenvolkes« in einem Schreiben, während der Weihnachtswochen Rache zu üben. Die Erklärung war gespickt mit Bibelzitaten und der Androhung von »heiliger Rache« für das »auserwählte Volk«. Die erste Phase sei eine Kraftdemonstration gewesen. Jetzt wären Staatsgebäude das Ziel, alle Privatfirmen sollten sich aus ihnen zurück ziehen. Die Weihnachtswochen sind die Hauptferienzeit in Südafrika. Es drängte sich auf, dass spätestens mit dem 16. Dezember mit den ersten Anschlägen zu rechnen war. Es ist der Hauptfeiertag im Burennationalismus, zu Apartheidzeiten wurde jedes Jahr der siegreichen Schlacht am Blood River gegen die Zulus gedacht. Inzwischen hatte die schwarze Mehrheitsregierung ihn zum »Tag der Versöhnung« erklärt. Es kündigte sich ein Wettlauf mit der Zeit an. Anfang Dezember zeigte sich Südafrikas Polizeichef, Jackie Selebi, zuversichtlich. Es gebe keinen Grund zur Panik, »da die großen Fische bereits hinter Gittern sitzen, wir haben es jetzt mit dem Fußvolk zu tun«. Die Festnahmen van Rooyens und weiterer Boeremag Krieger schienen seine Einschätzung zu bestätigen. Über Weihnachten blieb es dann ruhig, es gab offensichtlich keine weiteren aktionsfähigen Boeremag-Zellen in Wartehaltung.

Wer steckt hinter Boeremag?

Die Sicherheitsbehörden sind dem rechten Netz seit über zwei Jahren auf der Spur. In Alarm hatte sie ein dreister Raubüberfall auf ein Waffendepot der Streitkräfte im Jahr 1998 versetzt. Damals hatten Angehörige von der Organisation »Die Volk« große Mengen Waffen erbeutet, zwei Soldaten gekidnappt und später kaltblütig ermordet. Das Konzept von »Die Volk« war dem von Boeremag sehr ähnlich. In dem Prozess bezichtigte einer der Hauptangeklagten um den Waffenraub, Johan Niemoller, Führungsperson von Die Volk zu sein. Die Aussage zog er später zurück. Niemoller ist wohlhabender Geschäftsmann und Farmer. Er war Teilhaber der privaten Söldnerfirma Executive Outcomes und taucht überall dort in Afrika auf, wo sich mit Diktatoren oder Warlords Geschäfte mit Waffen, militärischem Know-How und Söldnern machen lassen. Ein Bericht der Vereinten Nationen von Juli 2002 über Söldner führte Niemoller namentlich auf als Schmuggler von Diamanten aus Angola, die er von der Unita 1 kaufte, als deren Waffenlieferant und als deren Rekruteur von Söldnern aus Europa. Wohlhabend wurde Niemoller in den 80er Jahren, als er die südafrikanische Armee mit Militärgütern belieferte. Doch das war nur eine Seite seiner Aktivitäten. Ende der 80er Jahre war er für das Civil Cooperation Bureau (CCB)2 in Namibia gewesen (eine CCB-Tätigkeit behauptete eine südafrikanische Zeitung auch bei Tom Vorster). Das CCB hatte ihm 600.000 Rand gegeben, damit er sich in Namibia niederlässt und als Fassade eine Firma aufzieht. Er war zumindest beteiligt an dem Mord an dem führenden SWAPO-Aktivisten Anton Lubowski im September 1989. Mehrmals hatte Niemoller Lubowski im Vorfeld seiner Ermordung aufgesucht und dessen Haus für das CCB auch von innen gefilmt. Auch tauchte Niemollers Name im Zusammenhang mit einem stümperhaften Versuch auf, 1984 vier ANC-Führer, darunter Oliver Tambo, aus London zu entführen. Es ist gut möglich, dass es personelle Kontinuitäten von Die Volk zu Boeremag gibt. Boeremag scheint eher ein Netz zu sein, in dem unterschiedliche Kleingruppen aus dem extrem-rechten Lager aufgegangen sind. Dafür spricht auch der zweite Brief der Krieger des Burenvolkes, der einen christlich-fundamentalistischen Grundton enthält – was bei der Ausrichtung von Boeremag bisher nicht der Fall war. In Südafrika gibt es wie in den USA rechtsradikale »Kirchen«-Sekten wie Israel Vision, aus deren Umfeld in der jüngsten Vergangenheit auch Anschläge geplant worden waren. Boeremag ist keine wirkliche Bedrohung des südafrikanischen Staatsgefüges. Die Organisation ist aber auch mehr gewesen, als die Kleingruppen in den letzten Jahren, die über einen einzelnen Anschlag nicht hinausgekommen sind. In der südafrikanischen Gesellschaft ist ein Potential von rechten Kräften vorhanden, das von ehemaligen Militär- und Geheimdienstangehörigen, Mitarbeitern der CCB-Strukturen, Rechten im heutigen Militärapparat bis hin zu den Mitgliedern der buren-nationalistischen Gruppen reicht. Dass sich dieses Spektrum als gemeinsame Kraft aktiviert, ist im Fall einer sich stark verschlechternden Situation vorstellbar.

  • 1Im antikolonialen Krieg war die Unita eine der drei konkurrierenden angolanischen Befreiungsbewegungen. Sie wurde später u.a. von den USA und der World Anti-Communist League unterstützt.
  • 2CCB: Geheime Struktur des Apartheidmilitärs für sogenannte verdeckte Operationen, z.B. die Liquidierung von ApatheidgegnerInnen