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Antifeministische Allianzen

Juliane Lang und Ulrich Peters
Einleitung

Polemiken gegen den „Genderismus“ und „political correctness“ sind nicht neu, zeugen aktuell jedoch davon, wie ein aggressiver Antifeminismus versucht, politisch an Einfluss zu gewinnen.

Foto: flickr.com; demofueralle/CC BY SA 2.0

Birgit Kelle auf der "Demo für Alle" im Juni 2014 in Stuttgart.

Am 22. Juli 2011 tötete der Rechtsterrorist Anders Behring Breivik aus Norwegen mit einem Bombenanschlag in Oslo acht Menschen und erschoss im Anschluss daran 69 Personen auf der Insel Utøya. Richtete sich sein Fokus bei diesen Taten vordergründig auf staatliche Repräsentant_innen und Teilnehmer_innen eines Zeltlagers einer sozialdemokratischen Jugendorganisation, verdeutlicht der Blick in ein von Breivik verfasstes und kurz vor dem Attentat verschicktes Manifest Einsichten in einen extremen Antifeminismus. Er macht darin u.a. „den Feminismus“ als die Bedrohung einer zu verteidigenden westlichen Welt aus und spricht von einer „Feminisierung der europäischen Kultur“ sowie dem „radikal-feministischen Angriff auf unsere Werte.“ Seiner Ansicht nach „hänge das Schicksal der europäischen Zivilisation davon ab, wie standhaft europäische Männer dem politisch korrekten Feminismus widerstehen.“

Der „Kampf gegen Feminismus“ äußert sich nicht immer so drastisch wie am Beispiel Breivik. AntifeministInnen bedienen sich unterschiedlichster Strategien und Aktionsformen im Ringen um gesellschaftlichen und politischen Einfluss. Deutlich wird dabei aber, dass Antifeminismus einen gemeinsamen ideologischen Bezugsrahmen mit Schnittmengen zwischen Konservatismus, religiösem Fundamentalismus und der extremen Rechten bietet. Diese inhaltlichen Übereinstimmungen führen nicht zwangsläufig zu einer kontinuierlichen Zusammenarbeit, dennoch erlauben sie eine gegenseitige Bezugnahme. Auch nutzen anti­feministische AkteurInnen die rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF) für ihre Veröffentlichungen oder finden sich auf diversen Veranstaltungen, wie jüngst bei den Protesten gegen die Lehrpläne für sexuelle Vielfalt (siehe AIB Nr. 103) oder den „Märschen für das Leben“, zusammen.

Die Aufwertung des Selbst

Eine solche Gemengelage zeigt sich aktuell in der Auseinandersetzung um den Schriftsteller Akif Pirinçci. Dessen im März 2014 veröffentlichtes Buch „Deutschland von Sinnen: Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“ löste eine erneute Debatte um Integration und den gesellschaftlichen Zustand in Deutschland aus. Türkân Kanbıçak fasst den Inhalt treffend zusammen: „Kein Stammtischthema wird ausgelassen. Denunziativ, kulturrassistisch, homophob, frauenfeindlich und voller Menschenverachtung beschwört er den ,gegenderten‘ deutschen Mann, nun endlich wieder ein ,richtiger Mann‘ zu werden, seine Angst abzulegen und sich von historischer Schuld zu befreien! Und all dies in obszöner, vulgärer, sexualisierter Sprache, damit ihn auch jeder versteht.“1  Und doch kursierte das Buch, das im für rechtslastige Veröffentlichungen bekannten Manuscriptum-Verlag erschien, über Monate hinweg auf den Bestsellerlisten. Zwar konnte der Autor keine mit der „Sarrazin-Debatte“ vergleichbare Präsenz erzielen, dennoch erfreuten sich RassistInnen und deren Internetseiten wie pi-news über dessen Auslassungen, haben sie mit dem in der Türkei geborenen Pirinçci nun endlich wieder  einen „authentischen“ Kritiker, dem eine Plattform geboten werden kann. Die NPD-Stadtratsfraktion aus Eisenach nahm die Veröffentlichung zum Anlass, Pirinçci für den Preis „Das unerschrockene Wort“ vorzuschlagen. Die dahinterstehende Strategie wird deutlich, wenn der Fraktionsvorsitzende Patrick Wieschke diese Entscheidung begründet: „Das Buch ist eine scharfe Abrechnung mit der verordneten politischen Korrektheit, für die man einen Deutschen wie mich sicherlich wieder wegen sogenannter Volksverhetzung abgeurteilt und verfolgt hätte.“2 Pirinçcis extremer Frauenhass, der sich aus einer Überhöhung von Männlichkeit und aggressivem Sexismus speist, fand ebenso schnell Anklang in der antifeministischen Männerrechtsbewegung. In einem Interview auf dem Blog „Männerstreik“ äußert er sich u.a. zum Gender Mainstreaming: „Gender Mainstreaming ist ein von geisteskranken und faulen Lesben, die komplett vom Staat alimentiert werden, erfundener Scheißdreck, der nur einen Zweck verfolgt: Das Männliche aus der Welt zu schaffen. […] Wenn man sich die Protagonisten und Ikonen der Gender Mainstreamings (alle Lesben) genauer ansieht und ihre Schriften liest, geht es in Wahrheit nur um Homosexualität […]. Die Eliminierung des traditionellen Familienmodells und der Heterosexualität sind das oberste Ziel.“3 Diese Polemik ist nicht neu, fällt jedoch durch eine drastische Rhetorik auf, wie sie sonst eher in der scheinbaren Anonymität des Internets gepflegt wird.

Shitstorms

Aktuell ist eine Universitätsprofessorin Ziel­scheibe von Anfeindungen. Die Soziologin veröffentlichte ein Buch, in dem zeitgemäße Formen von Sexualpädagogik vorgestellt und diskutiert werden. Selbstbestimmte Sexualität oder die Suche nach Lebens- und Beziehungsentwürfen außerhalb der heterosexuellen Norm wirken für AntifeministInnen bedrohlich genug, um aggressiv in die Offensive zu gehen. Nachdem die Antifeministin Birgit Kelle bereits Anfang des Jahres im öffentlich-rechtlichen Fernsehen „gegen die Genderisierung unserer Gesellschaft, gegen die Frühsexualisierung unserer Kinder in der Schule und insbesondere für die traditionelle Familie aus Vater, Mutter und Kindern“ polemisierte und dabei Bezug nahm auf das bereits 2008 erschienene Buch, veröffentlichte Pirinçci im Juli diesen Jahres einen Facebook-Eintrag dazu, der eine Vielzahl persönlicher Beleidigungen aber auch Mord- und Vergewaltigungsaufrufe gegen kritische Wissenschaftler_innen und die sich mit ihnen Solidarisierenden nach sich zog. Diese Art „shitstorm“, als Instrument der Einschüchterung, ist exemplarisch für Strategien von AntifeministInnen gegen ihre Gegner_innen vorzugehen. „Es geht nicht darum, mit Argumenten zu gewinnen, sondern darum, die Sympathisant_innen mit einem symbolischen Code zur Gewalt anzustacheln, ihre emotionale Zuneigung zu gewinnen und dem Gegner dauerhaften Schaden zuzufügen. Das Ziel ist der absolute Sieg („ultimate conquer“); die Identität des Gegenübers oder sogar die Person soll zerstört werden.“4 Ein Sexualwissenschaftler, der sich nach einem offenen Brief ähnlich wüsten Beschimpfungen und persönlichen Diffamierungen ausgesetzt sah, erwirkte eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Berlin: im Fall weiterer Beleidigungen droht Pirinçci ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro oder alternativ Ordnungshaft. Pirinçci selbst kündigt derweil ein Buch zum „Genderismus“ an.

Rassistische und nationalistische Ressentiments

Die in ihrem Verbalfäkalismus kaum zu überbietenden Angriffe, die sich zuletzt gegen kritische Wissenschaft richteten, führten zugleich zu einer Reihe an Solidarisierungen von Seiten unterschiedlicher Verbände und Fachgesellschaften. Dabei positionierten sich diese gegen den homophoben und frauenfeindlichen Charakter der Angriffe, aber auch offen gegen Rassismus: So benennt etwa die Fachgesellschaft Gender Studies, dass in den Angriffen „nicht nur frauenfeindliche, homo- und transphobe Positionen vertreten, sondern auch gezielt rassistische und nationalistische Ressentiments geschürt“5 werden. Der Fachverband „Gender_Diversity“ verweist darauf, dass die Angriffe „nicht zufällig vielfach positive Aufnahme und Parallelen in politisch rechts bis extrem rechts gerichteten Foren und Positionen finden“6 . Während die neonazistische Rechte  zur Debatte schweigt, ist es die JF, die in den Veröffentlichungen ein ‚Vordringen’ eines von ihnen ausgemachten „Genderismus“ erkennt. „Diese Doktrin“, so heißt es, „ist wider die Vernunft und widerspricht der wahren Anthropologie. Hinter ihr gibt es keine relevante Bürgerbewegung. Der Genderismus ist im wesentlichen ein Produkt von Lobbyarbeit und Medienkampagnen“7 . In anti-etatistischer Manier inszeniert sich die extreme Rechte als Anwältin der breiten Massen und erhofft sich im Antifeminismus milieuübergreifenden Anschluss an konservative und christlich-fundamentalistische AkteurInnen.

Juliane Lang ist u.a. im Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus aktiv. Ulrich Peters ist im Redaktionskollektiv des Antifaschistischen Infoblatt tätig.