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Ambivalentes Strafen

Johannes Spohr
Einleitung

»Die Privatisierung im Strafvollzug erweist sich als großer wirtschaftlicher und qualitativer Erfolg«, sagte der damalige hessische Justizminister Christean Wagner (CDU) 2004 nach der Vertragsunterzeichnung. Gerade hatte er mit der Firma Serco GmbH & Co. KG aus Bonn einen Betreibervertrag für die erste teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt (JVA) der Bundesrepublik in Hünfeld unterzeichnet. Doch dieser Optimismus ist mittlerweile einer gewissen Zurückhaltung gewichen.

Foto: flickr.com; Michael Kötter/CC BY-NC-SA 2.0

PPP-Projekte im deutschen Strafvollzug

Eine vollständige Privatisierung des Strafvollzuges ist in Deutschland unmöglich, da er eine klassisch »hoheitliche« Staatsaufgabe ist, die unter dem Schutz des Rechtsstaatsprinzips steht.1 Bei einer Teilprivatisierung im Rahmen einer sogenannten Public Private Partnership (PPP) werden bestimmte Aufgabenbereiche privaten Firmen übertragen. Dazu gehört beispielsweise die Reinigung, Wartung und Instandhaltung der Gebäude und technischen Anlagen, Videoüberwachung, Verpflegung der Gefangenen, Stellung des Anstaltsarztes und des Pflegepersonals in der Krankenstation, psychosoziale Betreuung, Betrieb der Werkstätten für Aufträge von Unternehmen, schulische und berufliche Bildung der Gefangenen, Sport- und Freizeitangebote sowie kaufmännische und sonstige Verwaltungstätigkeiten. In der Hessischen JVA Hünfeld umfasst dies etwa 45 Prozent der notwendigen Arbeiten. Justizbeamte blei­ben hingegen weiterhin für Aufnahme und Entlassung, Vollzugsplanung, Lockerungsentscheidungen, Disziplinarmaßnahmen, Kontrolle der Außenkontakte und der gesamten Organisationshoheit verantwortlich, also für jene Bereiche, bei denen es um »Eingriffsbefugnisse« gegenüber den Häft­lingen geht.

Von der Teilprivatisierung wird sich vor allem eine Minderung der Kosten erhofft. In Hessen priesen die beteiligten Firmen einen Vorteil von 15 Prozent für das Land an, die Firma Bilfinger versprach dem Land Sachsen einen Effizienzvorteil von 12,5 Prozent. Kosten werden unter anderem beim Personal eingespart: Privat Angestellte erhalten meist prekäre und befristete Verträge.

In teilprivatisierte JVAs können meist nur bestimmte, privilegierte Häftlinge kommen. In Hessen sind es beispielsweise nur »Erstverbüßer« mit einer Vollzugsdauer zwischen 25 und 60 Monaten.

Nach der JVA Hünfeld wurden zunächst 2009 die JVAs Offenburg (Baden-Württemberg) und Burg (Sachsen-Anhalt), 2013 die JVA Bremervörde (Niedersachsen) in einem teil­priva­ti­sierten Betrieb eröffnet. Das Bundesverfassungsgericht hat Anfang 2012 entschieden, dass auch der teilprivatisierte Betrieb des Maßregelvollzuges2  grundsätzlich zulässig ist.

In den verschiedenen teilprivatisierten JVAs sind eine ganze Reihe von Firmen involviert. Für die im Januar 2013 eröffnete JVA Bremervörde erfolgte beispielsweise schon die Planung und der Bau durch einen privaten Partner, die BAM Deutschland AG aus Stuttgart, die als Auftragnehmer fungierte und ihrerseits weitere Firmen beauftragte. Das Unternehmen investierte bislang rund 66 Millionen Euro und hat mit dem Land Niedersachsen einen Vertrag geschlossen der über 25 Jahre läuft. Das Unternehmen ist künftig für den »technischen und sicherheitsrelevanten Bereich« der JVA verantwortlich. Mit dem »infrastrukturellen Objektmanagement« dagegen ist die Hectas Gebäudedienste Stiftung & Co. KG betraut. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Wuppertal kümmert sich um die Gebäudereinigung, Hausmeister- und Winterdienste, die Pflege der Außenanlagen, die Ausstattung und »Beschäftigung« der Gefangenen, sowie um Verwaltungs­dienste. Die Verpflegung der Gefangenen übernimmt die Berliner Firma Dussmann Service GmbH Deutschland, die ihr Geld unter anderem damit verdient Essenspakete in Abschiebeknäs­te zu liefern. Den Firmen, die die Arbeiten von Gefangenen in Anspruch nehmen, kommt zugute, dass diese in Deutschland zur Arbeit verpflichtet sind. Wer sich weigert, dem drohen der Entzug von Vergünstigungen oder Disziplinarmaßnahmen.

Kritik

Das Model teilprivatisierter Knäste ist inzwischen häufig in die Kritik geraten. Dabei geht es in der Regel vor allem um ihre mangelnde wirtschaftliche Rentabilität. Der hessische Landesrechnungshof bemängelte 2012 im Zuge der geplanten Verlängerungen der Verträge für die JVA Hünfeld, zwischen 2006 und 2010 habe es vermeid­bare Mehrkosten von rund 1,5 Millionen Euro gegeben. Auch der Bund der Strafvollzugsbeamten Deutschlands (BSBD) forderte eine Rückverstaatlichung. Trotz allem beschloss die hessische Landesregierung im Juli 2012 die Fortführung des teilprivatisierten Betriebs. Anders sieht es in Offenburg aus: Das PPP-Verfahren soll dort bis 2014 vollständig in die öffentliche Hand zurückgeführt werden. In Sachsen-Anhalt hat der Landtag inzwischen beschlossen, die Privatisierung der Justizvollzugsanstalt Burg teilweise rückgängig zu machen. Zum 30. April wurden drei Dienstleistungsverträge (Verpflegung, Reinigung, EDV-Systembetreuung) mit dem Betreiber gekündigt werden. In Bayern wurde ein PPP-Projekt wegen »Unwirtschaftlichkeit« aufgegeben (JVA Gablingen bei Augsburg). Bei der neu entstandenen JVA Heidering in Großbeeren bei Berlin wurde bewusst auf die Teilprivatisierung verzichtet. Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) brach die Verhandlungen mit privaten Sicherheitsunternehmen im Oktober 2012 ab. Eine Einigung sei aufgrund unterschiedlicher finanzieller Vorstellungen nicht möglich gewesen. Für den Gefangeneneinkauf, also den monopolisierten Verkauf von Gebrauchsgütern an die Gefängnisinsassen, soll jedoch ein Anbieter gesucht werden, ob Küche und Kantine selbst betrieben werden, sei noch unklar.

Die Tendenzen im deutschen Strafvollzug sind also ambivalent. Über die veränderten Bedingungen für die Gefangenen wird jedoch in den Debatten kaum ein Wort verloren. Aus den betroffenen Gefängnissen gibt es Berichte über zusätzliche Kosten für Gefangene für Strom und Medikamente. Die Hamburger Firma Telio verdient bundesweit viel Geld mit speziell für Gefängnisse konzipierten Telefonapparaten, auf die die Gefangenen angewiesen sind, weil ihnen nichts anderes gestattet ist. Auch die bayerische Logistikfirma Massak, die in über 50 Gefängnissen den Gefangeneneinkauf betreibt, verdient mit hohen Preisen an deren Abhängigkeit und ist deswegen bereits mehrfach kritisiert worden. Auf dem Internetportal knast.net wird über die teilprivatisierte JVA Offenburg in Baden-Württemberg berichtet, dass es dort kaum Freizeitangebote gebe, Fernsehanschluss und Einkauf seien zu teuer, der Arbeitslohn sei miserabel und der Hof zu klein. In der JVA Burg kam es seit 2009 sogar zu mehreren Hungerstreiks und Protestaktionen durch Inhaftierte und Sicherungsverwahrte.

Besonders teilprivatisierte Haftanstalten birgen eine weitere Gefahr: Wenn mit Gefängnissen Geld verdient werden soll, muss es auch genügend Gefangene geben. Langfristig könnte es zu einer Rückwirkung auch auf die Rechtsprechung der Gerichte kommen. Dem öffentlichen Willen zum Strafen würde das nur entgegenkommen.
 

Johannes Spohr ist freier Journalist und Autor, lebt in Berlin und publiziert unter ande­rem auf www.preposition.de