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„Organische Christen“: Antisemiten mit Medienimperium

Samira Alshater
Einleitung

Die „Organische Christus Generation“ ist eine Sekte aus der Schweiz. Der Dunstkreis ihres Gurus, Ivo Sasek, ist dank eines Medien­imperiums, mit „Klagemauer-TV“ und der „Anti-Zensur-Koalition“ groß und reicht bis nach Deutschland und weit in den Kosmos von rechten Verschwörungstheoretiker*innen, Esoteriker*innen und Holocaustleugner*innen hinein.

Bild: Screenshot von youTube/Kla.tv

Was wenn Adolf Hitler einer gewesen sei, der gleich nach Jesus Christus komme, fragt Ivo Sasek sein begeistertes Publikum, ohne die Antwort zu geben. „Was machst du dann? Wenn das einer ist, der von dem Rang eines Apostels ist?“ Im Privaten würde man so reden, in der Öffentlichkeit jedoch nicht, so Ivo Sasek, ein großgewachsener Mann mit blauen Augen. Er hält seine Rede 2014 vor zahlreichen Menschen. Alles Anhänger seiner Sekte mit Namen „Organische Christus Generation“ – kurz OCG. Dreh- und Angelpunkt dieser „Generation“ ist Ivo Sasek selbst.

Doch Sasek ist nicht nur Laienprediger, sondern der Kopf eines „alternativen“ Medienimperiums, in dem es stets darum geht, dass wir uns auf der Schwelle zum dritten Weltkrieg befänden. Nicht selten drehen sich seine TV-Shows und Artikel dabei auch um „Flüchtlinge als Kriegswaffe“, die „hohle Erde“, „Bevölkerungsaustausch“ oder „satanistische Mächte“ im Hintergrund, die die Strippen ziehen. Ivo Sasek bewegt mit seiner verschwörungsideologischen und antisemitischen Weltsicht viele Menschen. Sie teilen sein Weltbild, online, wie offline. Seine Anhänger*innen leben nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland. Zu tausenden besuchen sie die als Shows inszenierten Konferenzen.

Ivo Sasek: Ein neofaschistisch, fundamentalistischer Führer?

Ende der 1990er-Jahre gründete der gelernte Automechaniker Sasek seine christlich fundamentalistische Gemeinschaft oder wie er es beschreibt, einen „Organismus“. Seither will Sasek den Willen Gottes verbreiten. Kritiker*innen befürchten vielmehr, das er seiner Anhängerschaft seinen Willen aufdrücken will – auch mit radikalen Mitteln. Aussteiger*innen aus der Sekte sprechen von Bewusstseinsmanipulation und vom Brechen von Persönlichkeiten.

Vorbild für alle Anhänger*innen ist die Familie Sasek, Ivo, seine Frau Anni und ihre elf Kinder, wobei zwei Söhne mittlerweile den Ausstieg geschafft haben. Ivo Sasek hat eine ganz klare Vorstellung wie die Gemeinschaft leben soll. Mitglieder sollen in einem Verband leben. Ihnen wird eingetrichtert, dass ein gutes erfülltes Leben nur in der abgeschotteten Gemeinschaft unter OCG-Anhänger*innen möglich sei.

Damit auch Kinder die völlige Unterwerfung unter Saseks antidemokratische Ideologie lernen, empfiehlt er körperliche Gewalt als angeblich notwendiges Erziehungsmittel. In seinem Erziehungsratgeber „Erziehe mit Vision!“ steht: Sind Kinder „widerspenstig und böse“, so „schone deine Rute nicht“. Eltern könnten keinen guten Willen der Kinder voraussetzen, sondern müssten deren Eigenwillen brechen. Saseks Einstellung zu Gewalt gegen Kinder führte 1995 zu einer Strafanzeige wegen angeblicher Kindesmisshandlung und zu seiner Verhaftung 2001. Zwar wurde Sasek von den Vorwürfen freigesprochen, dennoch berichten Aussteiger*innen von massiver Gewalt gegenüber Kindern, selbst gegenüber Säuglingen.

Medienimperium: Film-Produktions­firma, Buchverlag und Spielfilme

Weil Saseks extreme Lehre unter Christ*innen nicht auf die erhoffte Zustimmung stieß, geriet er in Isolation, die er immer mehr als Verfolgung und Verschwörung gegen sich deutete. Seither nimmt die Verbreitung von Verschwörungstheorien einen maßgeblichen Raum bei Sasek ein. Dafür gründete er mehrere Medienformate. Mit der „Anti-Zensur-Koalition“ (AZK) kämpft er gegen die „totale Zensur“ und verbündet sich zur Verbreitung der angeblich unterdrückten Wahrheiten auf Kongressen mit Handysmog-Gegner*innen, Klimawandel-Leugner*innen, Impfgegner*innen, Esoteriker*innen, Holocaust-leugner*innen und Verschwörungstheoretiker*innen jeglicher Couleur.

Die „Anti-Genozid-Bewegung“ (AGB) kämpfte gegen den angeblich bevorstehenden Genozid an allen Christ*innen. In der Zeitschrift „Stimme und Gegenstimme“ (S&G) wird beispielsweise die Sexualerziehung und die angebliche Umerziehungszwang zur Homosexualität angeprangert. Sasek spricht so nicht nur zu OCG-Anhänger*innen, er erreicht durch seine Zeitschriften, Kongresse, Videos und YouTube-Kanäle eine Vielzahl von unzufriedenen, ängstlichen, sich benachteiligt fühlenden Menschen. Wie er das alles finanziert ist unklar.

„Klagemauer-TV“ (kla.TV): An der Schwelle zum dritten Weltkrieg

Auf dem in der (extrem) rechten Sphäre beliebten YouTube-Kanal „Klagemauer-TV“ (kla.TV) ist der Bezug zu OCG nicht direkt offensichtlich. Aus einem Fernsehstudio werden Videos zur aktuellen Lage der Welt produziert, Nachrichten, die von den „Main­streammedien“ angeblich verschwiegen würden. Das Themenspektrum des über 88.000 Abonnent*innen großen Kanals ist breit: HIV/AIDS wird ebenso geleugnet wie der vom Menschen gemachte Klimawandel, zu Impfungen werden krude Ansichten verbreitet und der jüdische Milliardär George Soros manipuliere mit bösen Absichten angeblich die Weltpolitik in dem er Kriege auslöse.

Und immer geht es um eine angebliche böse Elite, die einen Bürgerkrieg anstrebe, um die Menschheit zu dezimieren. Flüchtlingsbewegungen und „Völkervermischung“ seien eine Form der Kriegsführung. Die bösen Mächte? Die USA, beziehungsweise die „Finanz-Elite“, sprich: Die Rothschilds. Und schon sind wir beim antisemitischen Feindbild, den angeblich gierigen und bösen Juden und Jüdinnen. Als Beleg dafür zieht Sasek stets die sogenannten „Protokolle der Weisen von Zion“ heran, die den Mythos der sogenannten „jüdischen Weltverschwörung“ propagieren.

Holocaustleugnung auf der AZK-Bühne

Saseks „Anti Zensur Koalition“ bietet Holocaustleugner*innen und Antisemit*innen eine Bühne. Auf der 8. AZK 2012 in der Stadthalle im schweizerischen Chur lud die notorische Holocaust-Leugnerin und ehemalige Lebensgefährtin des  Antisemiten Horst Mahler in ihrem Referat das Publikum ein, Nazis „kennen zu lernen“, um sich ein eigenes Bild ihrer Ansichten zu machen. Der Holocaust könne nicht gerichtlich bewiesen werden, dazu fehlten die Leichen, die Spuren der Täter und die Waffen, sagte Sylvia Stolz auf der Bühne. Eine nationalsozialistische Absicht, Juden zu töten, würde fehlen. Ivo dankte ihr am Ende der Rede und brachte mit tränenunterdrückter Stimme hervor, sie sei eine „Frau mit dem Mut eines Löwen“. Die Holocaustleugnung führte sowohl zu einer Strafanzeige gegen Sylvia Stolz wie auch gegen Ivo Sasek wegen Verbreitung der Rede. Stolz wurde zu einer anderthalbjährigen Haftstrafe verurteilt. Sasek wurde freigesprochen.

Ist Ivo Sasek ein Bewunderer von Adolf Hitler?

Aber wie steht nun Ivo Sasek zur Shoa? 2014 sagte er auf einer seiner Show-Konferenzen vor tausenden Zuhörer*innen, dass „die Protokolle der Weisen von Zion“ umgesetzt würden, um dann direkt Adolf Hitlers menschenverachtendes Manifest „Mein Kampf“ zu erwähnen. „Ich nehme ein Buch wie ‚die Protokolle der Weisen von Zion‘ und sage, jetzt möchte ich mal auf mein Herz horchen und lese es einfach durch. Und dann nehme ich ‘Mein Kampf‘ und lese es einfach nur durch und schaue einfach was da drinnen passiert [zeigt auf seine Brust].“

Was bei ihm passiert ist, erfahren die Zuschauer*innen nicht. Sasek ist clever genug das nicht auszusprechen. Auf der AZK-Veranstaltung 2018 sprach er vor den rund 2.000 Gästen gemeinsam mit dem Verschwörungstheoretiker Gerhard Wisnewski über die „Vermischung von Völkern“. Sasek glaubt offenbar, „dass da Mächte dahinterstehen die nicht von dieser Welt sind.“ Jüngst sprach Sasek auf großer Bühne davon, dass Jüd*innen „eine Syna­goge Satans seien“ und nannte sie eine „Satanssekte“.

AZK und Kla.TV mit der AfD im Bundestag

Doch nicht nur während der Reden wird antisemitische und extrem rechte Propaganda verbreitet. 2018 lagen bei der AZK unter anderem auch Infomaterialien der extrem rechten „Gedächtnisstätte Guthmannshausen“, von Reichs­bürger*innen des „Freistaat Preußen“ und von der rechten Organisation „Ein Prozent“ aus. Die OCG verbindet religiösen Wahn mit extrem rechter Politik. Im Mai 2019 veranstaltete die „Alternative für Deutschland“ (AfD) eine sogenannte „1. Konferenz der freien Medien“ im Bundestag. Auch die AZK und kla.TV waren dort vertreten.

Immerhin machte die rechte Partei so deutlich, dass sie hier offensichtlich keinerlei Berührungsängste zu Antisemit*innen und Verschwörungsideolog*innen hat.