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„Gemeinsam Stark“ in Bremen?

Einleitung

Die Bilder hätten aus einem Video über eine Übung der Bremer Bereitschaftspolizei stammen können: Am Abend des 18. Juni 2016 liegen, zum Teil mit Kabelbindern gefesselt, 43 Personen aus dem „Gemeinsam Stark“-Spektrum auf dem Boden des Uni-Campus in Bremen. Nach eigenen Angaben, die die Bremer „Gemeinsam Stark“-Gruppe über soziale Netzwerke veröffentlichte, wollten sie mit dem Video „Präsenz zeigen“. Ihren Angaben nach gab es drei Überfälle von  vermeintlichen Antifa­schis­t_innen auf Personen aus der „Gemeinsam-Stark Deutschland“-Gruppe (GSD). Der versuchte Dreh des Videos bildet die bisher letzte Aktivität der Bremer „GSD-Gruppe“ und fand große Beachtung in den lokalen Medien.

Foto: Presseservice Rathenow

Marcel Kuschela (Mitte) am Fronttransparent während des GSD-Aufmarsches in Magdeburg am 09. April 2016.

Die Bremer GSD-Gruppe hatte sich nach der Spaltung der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) gebildet. Zum Kern der Gruppe gehören rund 20 Personen aus Bremen und dem Umland, die über einen nochmal ungefähr gleich großen Kreis von SympathisantInnen verfügen. Darunter finden sich teilweise schon als Neonazis bekannte Personen wie Marcel Kuschela („Captain Flubber“), Michael H. und Alexander G. (ehem. Aktivist der NPD-Jugendorganisation). Der Großteil dieser Personen rekrutiert sich aus einer Mischszene aus alten bzw. ehemaligen Bremer Hooligans und Fans der rechten Band „Kategorie C — Hungrige Wölfe“ (KC) aus Bremen. Ein Teil des bei GSD aktiven Kreises kennt sich aus der rechtsoffenen Saufgemeinschaft „Freibeuter HB“. Laut den Beobachtungen Bremer AntifaschistInnen soll das Bremer Netzwerk um HoGeSa bzw. „Gemeinsam-Stark“ auch von dem Wohlwollen des Bremer Neonazi-Funktionärs Henrik Ostendorf und der lokalen Aktivisten von „Die Rechte“ profitiert haben.

Dieser Personenkreis tritt regelmäßig als Ordner bei „GSD“-Demonstrationen auf, zur Demonstration in Magdeburg Anfang April 2016 organisierte die Gruppe eine gemeinsame Anreise per Reisebus. Auch zum Aufmarsch Anfang Mai 2015 in Erfurt reiste eine Bremer Gruppe GSDler, Marcel Kuschela durfte das Frontransparent mit tragen, die anderen angereisten Bremer fungierten als Ordner. Marcel Kuschela  kann als Gallionsfigur der Bremer „GSD- Gruppe“ bezeichnet werden, er ist seit Jahren im Umfeld der rechten Bremer Hooliganszene aktiv. Er spielte in der Hooliganband „VollKontaCt“. Diese wurde von Rainer Friedrichs, dem Gitarrist von „Kategorie C — Hungrige Wölfe“ nach Streitigkeiten innerhalb von „KC“ gegründet, existierte allerdings nur kurzweilig. Zwischendurch tauchte Kuschela im Umfeld des in Bremen mittlerweile verbotenen Bikerclubs „Mongols MC“ auf.

„Kategorie C“ als Zugpferd

Bei dem Aufmarsch in Magdeburg übermittelte Kuschela ein Grußwort von KC-Sänger Hannes Ostendorf an die TeilnehmerInnen. Auch sonst verbringt Kuschela viel Zeit zusammen mit  „KC“. Er begleitet die Band auf zahlreiche Auftritte, verkauft deren Merchandise und posiert auf Fotos mit Hannes Ostendorf. Bremer Antifaschist*innen gehen davon aus, dass die Band um Sänger Hannes Ostendorf einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Mobilisierungsfähigkeit von „GSD“ hat. „Kategorie C“ liefern den passenden Soundtrack zu Bewegungen wie „HoGeSa“ und jetzt aktuell „GSD“. Über die Musik gelingt es, der klassischen RechtsRock-Idee folgend, auch jüngere Personen zu erreichen. Ein nicht unerheblicher und sicher einkalkulierter Nebeneffekt sind gestiegene Verkaufszahlen für Merchandising und CDs der Band.

Neben den bekannte Texten, die vor Gewalt und Männlichkeitsverklärung nur so strotzen, schreit Hannes Ostendorf auch gegen „die Antifa“, Muslime und „politische Korrektheit“ ins Mikrofon. Ein Mehr an konkreten Inhalten scheint es nicht zu geben bzw. scheint dies auch für den Erfolg von Demonstrationen und anderen Aktionen nicht nötig zu sein. Die über soziale Medien verbreiteten Videos triefen, trotz der schlech­ten technischen Umsetzung, vor Pathos. Man(n) geriert sich als Beschützer des vermeintlich von Einwanderung und islamistischem Terror bedrohten Abendlandes.

GSD als Aktivposten in Bremen

Die von „GSD“ durchgeführten Aktionen gleichen ansonsten eher dem klassischen Repertoire von  Neonazi-Kameradschaften. So versuchten Mirco U. und Andreas R. aus der Bremer GSD-Gruppe Ende Januar 2016 in Begleitung des bekannten Bremer Neonazis und Anti-Antifa Aktivisten Andreas Hackmann1 Fotos von antifaschistischen Fußballfans zu machen, die den Prozess gegen den Bremer Antifaschisten Valentin besuchten. Bereits im August 2015 versuchte Heiko B. Teilnehmer_innen der Demonstration „Gegen Nazis und Repression“ in der Bremer Innenstadt abzulichten. Im November 2015 verteilten „GSD‘ler“ Sachspenden an Wohnungslose am Bremer Hauptbahnhof. Unterstützung erhielten sie dabei von Fritjof Balz, der zu diesem Zeitpunkt noch für die Rechtspopulisten „Bürger in Wut“ im Stadtteil-Beirat Blumenthal saß. Mittlerweile ist Balz im Umfeld des Bremer Ablegers des „Hells Angels MC“ aktiv.
Die Bremer „GSD“-Gruppe kann mittlerweile als eine der aktivsten Neonazigruppen in Bremen und Umland gewertet werden. Der Bremer Senator für Inneres erklärte jedoch trotz der bekannten Vorfälle, dass die Gruppe bundesweit keine relevant Rolle einnehmen würde: „Es ist nicht zu erkennen, dass der Bremer Ableger von „GSD“ eine besondere Führungsrolle einnimmt und Bremen somit als bundesweiter Treffpunkt von Bedeutung wäre.“

Gemeinsam Inhaltslos Deutschland?

Einem von „Gemeinsam Stark Bremen“ verteilten Flyer ist nur wenig Inhaltliches zu entnehmen: „Eine Bewegung, die für eine glückliche und sichere Zukunft unserer Kinder, unserer Kultur und Traditionen wie auch für den Erhalt des Vaterlandes kämpft. Wir sind keine Partei, wir sind lediglich besorgte Bürger hier in diesem kaputten Deutschland. Stellt euch mit uns auf die Straße und kämpft für den Erhalt unserer Heimat.“ Der bundesweite GSD-Verein möchte sich laut Satzung u. a. für „deutsche Werte und Freiheiten“ einsetzen und eine „Islamisierung von Politik und Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland“ verhindern.
Ansonsten macht die online veröffentlichte „Satzung“ eher den Eindruck einer inhaltlichen Baustelle, in die mehr oder weniger konzeptlos irgendwelche Inhalte reinkopiert wurden. Unklar bleibt den Leser_innen, was der Verein mit der Forderung bezweckt, „gelegte Demokratie zu praktizieren und die Bürger auf ihre Bündigkeit hinzuweisen“, was mit „indirekter Medienzäsur“ gemeint ist oder warum „Initiativen gestoßen werden“ sollen.
Offenbar sind diese paar Sätze aber trotzdem schon ausreichend, damit sich die „GSD“-AktivistInnen in ihrer selbst zu ge­dachten Rolle als VerteidigerInnen Deutsch­­lands bestätigen können. Gerade die Abwesenheit eines fundierten politischen Programms — was allerdings wenig überrascht — scheint ein Faktor des Erfolges von „GSD“zu sein.

Es geht, ähnlich wie bei der Pegida-Bewegung im Kern vor allem gegen die Politik der Bundesregierung und gegen Geflüchtete, kurzum: Es wird eine reaktionäre, nationalistische und rassistische Antwort auf die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Widersprüche gegeben. Jedoch mit dem Unterschied, dass Gruppen wie „GSD“ für sich in Anspruch nehmen, mit ihrem Handeln nicht auf den nächsten Wahlerfolg warten zu wollen, sondern hier und jetzt eine Antwort geben wollen. Diese Antwort kann sich auch gewalttätig gegen Geflüchtete, Antifaschist_innen und alle anderen richten, die den „GSDlern“ nicht deutsch genug erscheinen.

Damit ist es „GSD“ gelungen, ein Milieu anzusprechen und zu aktivieren, was entweder noch nie politisch aktiv oder in den zurückliegenden Jahrzehnten eher bei Fußballspielen des SV Werder Bremen anzutreffen war. Der Bremer Senator für Inneres beschreibt das Milieu als „Protagonisten der Bremer Mischszene aus Rechtsextremisten, Hooligans und gewaltaffinen Fußball-Fans“.
Er muss in seinem Bericht einräumen: „Themen wie ‘Islamismus’, ‘Ausländergewalt’ oder ‘linksextremistische Gewalt’ greift der Verein GSD mit dem Ziel auf, gewaltbereite Rechtsextremisten, Hooligans oder „Rocker“ für den ‘gemeinsamen Kampf’ zu mobilisieren.“
Dass es die Bremer Neonazis und ihr Umfeld mit diesem Vorhaben durchaus ernst meinen, hat nicht zuletzt der Angriff auf antifaschistische Bremer Ultras bei einem Nordderby im Mai 2015 gezeigt. Für Antifaschist_innen in Bremen gilt es also wachsam bleiben.

  • 1Andreas Hackmann war Anfang der 1990er Jahre in der Berliner Neonazi-Partei „Nationale Alternative“ aktiv. Für diese wurde er auf dem 2. Parteitag 1990 als Kandidat für die Berliner Abgeordnetenhauswahl nominiert und trat kurz­zeitig als ihr Pressesprecher auf.