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Österreich: Waffenfunde bei Neonazis

Michael Bonvalot
Einleitung

Tausende Maschinenpistolen, Faustfeuerwaffen, Bomben, Minen und Granaten wurden in den letzten Jahren in der extrem rechten Szene gefunden. Dazu hunderttausende Patronen sowie kiloweise Sprengstoff. Das sind die wichtigsten Funde.

(Grafik AIB)

Mitte Dezember 2020 wird in Österreich ein riesiges Neonazi-Waffenlager ausgehoben. Es ist nicht das Erste. Fast schon regelmäßig werden bei Neonazis in Österreich enorme Bestände an Maschinenpistolen, Faustfeuerwaffen, Sprengstoff , Handgranaten, Minen, Bomben oder Munition entdeckt. Oft sind es Zufallsfunde: Die Waffenfunde, die wir kennen, sind vermutlich nur die Spitze des Eisbergs.

Woher die Waffen stammen, wird kaum jemals bekannt. Ob es ermittelt wird, wissen wir nicht. Als gesichert kann aber gelten, dass die österreichische Neonazi-Szene beste Kontakte zu neofaschistischen Strukturen der organisierten Kriminalität auf dem Westbalkan hat. Die Kontakte stammen aus jener Zeit, wo österreichische und deutsche Neonazis an der Seite neofaschistischer kroatischer Milizen als Söldner im Jugoslawien-Krieg kämpften. Und dort gibt es bis heute enorme Waffenbestände.

Wofür die Neonazis die Waffen horten

Die Waffen der Neonazis werden vermutlich zu einem großen Teil für einen herbeigesehnten „Tag X“ gehortet – also für einen neofaschistischen Aufstand.

In manchen Fällen sind es vermutlich rechte Waffennarren, die sich daran begeilen, möglichst viele Schusswaffen zu besitzen. Teils gibt es Schnittmengen zur Organisierten Kriminalität und die Waffen sollen vermutlich in diesem Milieu verwendet werden. Manche dieser Waffen werden bereits jetzt aktiv von Neonazis eingesetzt.

Erinnert sei dabei etwa an die Neonazi-Terrororganisation NSU in Deutschland, wobei es hier Bezüge zu Österreich gibt. Auch in Österreich haben Neonazis bereits tödliche Anschläge verübt und Morde zu verantworten. Die abgebildete Grafik ist zwangsläufig unvollständig. So werden manche Verfahren gar nicht öffentlich bekannt.

Gleichzeitig gibt es weit mehr Waffenfunde, als hier aufgezählt wurden. So wurden allein bei einem einzigen Waffenfund im April 2020 in Oberösterreich mindestens 20 vollautomatische Waffen, mindestens 100 Faustfeuerwaffen, 30 Langwaffen (u.a. auch Scharfschützengewehre), 100 Schalldämpfer sowie mehr als eine Million Stück (!) Munition aller Kaliber gefunden. Bei diesem und anderen großen Waffenfunden der letzten Jahre wurde kein rechter Hintergrund nachgewiesen – was aber natürlich nicht bedeuten muss, dass es keinen gibt.

Nachtrag

Am 18. November 2021 gab es fünfzehn Durchsuchungen bei 20 Personen in sieben Bundesländern. Ihnen wurde "Verhetzung" bzw. "Verstöße gegen das Verbots- oder Waffengesetzt" vorgeworfen. Hier fanden sich u.a. 20 Schusswaffen und Nazi-Devitionalien. Am 8. Oktober 2021 sind im Zuge einer Hausdurchsuchung im Haus eines 53-Jährigen und dessen Ehefrau aus dem Bezirk Baden große Mengen an Nazi-Devotionalien, Maschinengewehre, „schießende Kugelschreiber”, 1,2 Tonnen Munition, eine Handgranate, Rohrbomben und 20 kg Schwarzpulver (das vermutlich zur Herstellung von Sprengmitteln dient) beschlagnahmt worden. Der mutmaßliche Neonazi soll in Verbindung mit Peter Binder und dessen Neonazi-Gruppierung stehen. Bei dieser wurden im Dezember 2020 und im Juli 2021 in Razzien ebenfalls Unmengen an Waffen und Kriegmaterialien beschlagnahmt. Der 53-Jährige und dessen Ehefrau blieben auf freiem Fuß.

(Der Autor Michael Bonvalot ist freier Journalist, Vortragender und Autor aus Wien. Er recherchiert bereits seit Jahren zur extremen Rechten und veröffentlichte bisher unter anderem im Spiegel, auf fm4.at/ORF sowie auf vice.com. Seine gesammelten Artikel finden sich auf bonvalot.net)