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»Für Demokratie Courage zeigen«

Ein Projektes „Für Demokratie Courage zeigen“ (Gastbeitrag)
Einleitung

Im Herbst 1998 startete eine Initiative der DGB-Jugend Sachsen. In Zusammenarbeit mit anderen sollte ein Projekt im Bereich Jugendbildung entstehen. Einen Schwerpunkt der Tätigkeit bildet die Durchrührung von Projektschultagen (PST) unter dem Motto »Für Demokratie Courage zeigen«. Dazu konnte auf bereits vorhandene Erfahrungen zurückgegriffen werden. Eine Testphase diente zur Profilierung konkreter Angebote.

Am Rande eines NPD-Aufmarsches in Rostock wurde am DGB Haus ein Groplakat mit der Aufschrift "Kein Sex mit Nazis" angebracht.

Gemeinsam mit den zukünftigen Teamern bereiteten wir zunächst die Inhalte der Projektschultage auf einer Seminarwoche vor. Dabei sind drei konzeptionell und inhaltlich ausgearbeitete Vorlagen zu den Themenbereichen »Rassismus, Migration, Gewalt und Demokratie«, »Umgang mit Geschichte und Rassismus« und »Fremdes, Sehnsucht und Kultur« entstanden. Mittlerweile haben wir für die Durchrührung ca. 40 ehrenamtliche Teamer ausgebildet. Die meisten konnten wir unter den am Projekt beteiligten Jugendverbänden und in Kooperation mit verschiedenen Schulen in Sachsen gewinnen. Es wurden Projektbegleitmaterialien, wie Mappen, Aufkleber und Plakate und eine Broschüre mit dem Titel »Was wissen ?! - Was sagen ?! - Was tun ?!« in Zusammenarbeit mir einer Werbe-Agentur erstellt. Eine Koordinationsstelle wurde bei der DGB-Jugend eingerichtet. Die erste Projektphase ist nun abgeschlossen. Wir erlebten seitens der Schülerinnen und Lehrerinnen eine in dieser Form nicht erwartete Offenheit. Die Auswertung der ersten PST-Phase zeigt teilweise erschreckend die Notwendigkeit, dieses Thema weiter zu behandeln. Bei vielen Schülerinnen sind elementarste Grundinformationen über ausländische Mitbürger und über Mechanismen zur Durchsetzung von Interessen innerhalb einer Demokratie einfach nicht vorhanden.

Durchführung und Methodik

Wir haben zwischen Mai und Juli insgesamt 55 Projektschultage mit ca. 1.500 Schülerinnen und Schülern in ganz Sachsen durchgeführt. Die meisten Termine fanden in Ostsachen und Leipzig statt.Wir waren aber auch im Erzgebirge, in Dresden, in Chemnitz und in ländlichen Regionen. Die Schulen wählten in Absprache mit der Koordinationsstelle, welchen Typ sie belegen möchten. Bei allen drei PST-Typen geht es darum, antirassistische Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und Chancen zur Durchsetzung von Interessen innerhalb der Demokratie kennenzulernen. Die Inhalte werden zur Diskussion gestellt und durch spielendes Lernen erarbeitet. Die Beteiligung der Schülerinnen steht an erster Stelle. Wir machen Mut zum Meinung äußern und bieten den Jugendlichen einen Spiegel, der es ihnen ermöglicht, eigene Vorurteile zu erkennen und eventuell sogar abzulegen. Die Projektschultage sind Veranstaltungen der außerschulischen Jugendbildungsarbeit. Wir grenzen uns bewusst zum »normalen« Unterricht ab. Dadurch wurde bei den Schülerinnen ein hoher Aufmerksamkeitsgrad erreicht, der sich vor allem in der Mitarbeit, auch im Widerspruch, ausdrückte. Während der Projektschultage wird die gewohnte Sitzordnung aufgehoben, es gibt eine Rednerliste und so weiter. Zum Teil wird in Arbeitsgruppen gearbeitet (kein Frontalunterricht). Die Meinungsvielfalt und -freiheit steht an erster Stelle.

Erste Ergebnisse und Erkenntnisse

Erstaunlich war für uns zum Teil das Wissensniveau: Viele Schülerinnen erlebten wir mit massiven Rechtschreibproblemen oder mit Schwierigkeiten beim Lesen von Texten. Beim Allgemeinwissen mussten wir auch mit manchen Überraschungen klar kommen. Grundkenntnisse aus der Geschichte waren teilweise nicht vorhanden. Von den Schülerinnen wurde die Möglichkeit zur Diskussion und des Meinungsaustausches positiv bewertet. Häufig wurde noch mehr Zeit für Diskussionen gewünscht. Lehrerinnen waren dankbar, dass heikle Themen angesprochen worden sind und wir auch Gegenargumente gegen die rechten Tendenzen bieten konnten. Gerade die Tatsache einerUnterstützung von außen und durch junge Leute bewerteten sie als hilfreich. In den Schulen wurden wir mit dem gesamten Repertoire an bekannten rassistischen Äußerungen konfrontiert.

Die Jugendlichen sind durch die Medien, die Lehrer und durch die Eltern geprägt. Oft haben wir das Argument »das hat mein Vater gesagt« o.a. gehört oder wir mussten nach mühsamer Arbeit im Umgang mit Sprache feststellen, dass auch der Lehrer genau diese Sprache verwendet. Es ist eher normal »rechts« zu sein, als sich dagegen zu äußern. Durchgängig auffällig war auch, dass in der Regel die Vorurteile nicht auf echtem Wissen basieren. Es gibt erhebliche Diskrepanzen zwischenvermeintlichem Wissen und den dargestellten Fakten. Prägnantestes und täglich getestetes Beispiel: Bei der Frage »Schätzt mal wie viele Ausländer es in Sachsen gibt« lagen die Ergebnisse zwischen 10 und 70 % (Mittelwert fast ausnahmslos über 20%; wirklicher Ausländeranteil: ca. 2 %). Die Frage: »Kennst Du einen Ausländer persönlich?« mussten die meisten verneinen. Ein besonderes Problemfeld, das hier lediglich erwähnt werden soll, stellt an dieser Stelle der Umgang der Schülerinnen mit Aussiedlerkindern in den Klassen dar.

Resümee

Das komplette Projekt erfährt von allen Seiten eine äußerst positive Resonanz. Aus unserer Sicht bleibt es, solange Schule nicht mit anderen Inhalten belebt wird, nach wie vor wichtig. In der heutigen Schule wird soziale Kompetenz eindeutig zu wenig vermittelt. Ein Wissen über demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten und staatliche Strukturen ist kaum vorhanden. Nach unseren Erlebnissen in den Schulen vermissen wir ein Verständnis für Gemeinschaft und Solidarität. Dies ist bei gleichzeitiger Offenheit für die Inhalte der Projektschultage seitens der Schüler schon erstaunlich.

Eine Unterstützung durch Lehrer, Schulleiter und andere Personen im Schulumfeld wurde fast komplett informell realisiert. Sie basierte vor allem auf dem Engagement sensibilisierterLehrer. Besonders wichtig war für uns, die sehr gute Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Jugendverbänden. Mit der Gewinnung vieler ehrenamtlicher Teamer gelang uns zudem ein Teambildungsprozess, der über das normale Engagement im Verband hinaus geht. Dieses Potential zu fördern, wurde bisher durch die Kultusverwaltung nicht geleistet. Entsprechende Finanzanträge sind trotz mehrfacher Anfragen und öffentlichkeitswirksamer Präsentationen noch nicht beschieden.