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»Braune Turteltäubchen im Grünen«

Friedrich C. Burschel
Einleitung

Das dürfte der neuerdings deutschlandweit bekannten Neonazi-Anwältin gestunken haben. Die Hindenburgallee in der oberbayerischen 11.000-Einwohner-Stadt Ebersberg existiert nicht mehr. Sie ist stadtoffiziell in Pfarrer-Grabmeier-Allee umgetauft worden, zu Ehren des einstigen Stadtpfarrers. Eine öffentlich ausgefochtene Debatte ging diesem Beschluss in der kleinen Kreisstadt voraus. Schließlich kam man überein, dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg nicht weiter mit einer Straße huldigen zu wollen. Seit der Umbenennung gibt die berüchtigte rechtsextreme Anwältin und Ex-Verteidigerin von Holocaust-Leugner Ernst Zündel, Sylvia Stolz, ihre Adresse mit »Hindenburg-Allee« an.

Bild: attenzione-photo.com

Rechtsanwältin Sylvia Stolz (links) mit ihrem Kollegen und Neonazi Jürgen Rieger (rechts) beim Prozess gegen den Holocaust Leugner Ernst Zündel am 9. Februar 2006 in Mannheim.

Bis vor kurzem noch ein »unbeschriebenes Blatt«, ist Sylvia Stolz inzwischen mit extrem rechten und antisemitischen Kapriolen im Verfahren gegen den im März 2005 aus Kanada ausgelieferten Ernst Zündel weithin bekannt geworden. Beim ersten Anlauf zum Gerichtsverfahren gegen den notorischen Geschichtsverfälscher und Auschwitzleugner Zündel trat Pflichtverteidigerin Stolz mit viel Getöse in Erscheinung: Schon vor Prozessbeginn lag dem Gericht ihr Antrag auf Einstellung des Verfahren vor, welcher es in sich hatte. Die kruden, wahnhaft revisionistischen Thesen der Juristin deutete das Landgericht in Mannheim in dreierlei Weise: Zum einen sei mit »Fräulein« Stolz kein geordneter Prozess zu machen, der Schriftsatz enthalte mutmaßlich strafbare Inhalte des Stils deretwegen Zündel angeklagt sei und das Zeug lese sich wie aus der Feder des prominentesten und hartnäckigsten Holocaustleugners im Lande, des notorischen Horst Mahler nämlich, der als Stolz’ »Assistent« mit auf der Verteidigerbank saß.

Entsprechend setzte das Gericht Stolz Mitte November 2005 als Pflichtverteidigerin ab und vertagte den Prozess. Die dortige Staatsanwaltschaft leierte ein Verfahren wegen Volksverhetzung gegen sie an. Zuvor war schon ihr unter Berufsverbot  stehender Kollege Mahler der Verteidigerbank verwiesen worden. Unverdrossen präsentierte der 66jährige Zündel Sylvia Stolz Anfang Februar 2006 bei der Prozess-Neuauflage nun als seine Wahlverteidigerin neben dem greisen Neonazi-Anwalt Herbert Schaller aus Österreich und dem wegen Volksverhetzung und Körperverletzung vorbestraften Hamburger Anwalt Jürgen Rieger. Die »graue Maus«, wie viele sie beschreiben, spielt also neuerdings in der obersten Liga der Szene mit und konnte sich mit ihrem spektakulären Abgang Anfang April 2006 – sie ließ sich nach ihrem endgültigen Ausschluss vom Zündel-Prozess von Justizbeamten aus dem Saal tragen – weltweit zur Ikone der internationalen Revisionisten- und Neonazi-Bewegung mausern. Seither ist sie bei anderen Holocaust-Leugner-Prozessen als Anwältin tätig. Mit ihren immer ähnlichen, wahnhaften Schriftsätzen im Stile und im Sinne – und häufig auch im Beisein – Horst Mahlers hat sie sich als Heroine und juristische Hoffnung der Szene etabliert.

Inhaltlich haarsträubend hat sie ihre Schriftsätze in den genannten Prozessen  nach dem immer gleichen Strickmuster und offenbar im Copy-Paste-Verfahren aus Mahler-Papieren zusammengeschustert, auf juristisch getrimmt und argumentiert in diesem hermetischen Wahngebäude etwa so: Die Bundesrepublik Deutschland sei eine »Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft«, so formuliert vom SPD-Nachkriegs-Politiker und Politik-Professor Carlo Schmid, und ihre Gerichte mithin nicht urteilsfähig; hinter der ganzen Sache steckten natürlich »die Juden«, der »jüdische Geist« schicke sich mit diesem großen Coup der Verblendung, dessen Kernstück der »Holocaust-Schwindel« sei, an, sein Gegenprinzip, den »deutschen Volksgeist«, zu vernichten; doch – so verkünden Stolz und Mahler mit kitschigem Pathos – die Zeit der Umkehr sei nahe, wenn nur erst die verblendeten Juristen die »Offenkundigkeit des Holocaust«, festgeschrieben im »Schandparagraph« 130 Abs. 3, StGB, hinwegfegten und sich »im Namen ohne Auftrag des Deutschen Reiches« zum – in dieser eschatologisch aufgeladenen Diktion – »Jüngsten Gericht« der Deutschen aufschwängen. Dabei drohen sie schon mal mit der Todesstrafe wegen Vaterlandsverrats (nach Reichsparagraphen in der Fassung von 1944) für die Vasallenrichter und ihre Schöffen, deren Namen »am Tage der Abrechnung«, »am Tage der Befreiung« »nicht vergessen sein werden«.

Bei den so beschimpften und mit vielen hundert Seiten argumentativen Endlosschleifen belämmerten Gerichten kommt es darüber hinaus auch nicht so gut an, dass Sylvia Stolz ihre Verteidigungsschriften und -anträge auch schon mal mit »Heil Hitler« unterzeichnet.

Im Mai ist ihre Beschwerde gegen den vom Oberlandesgericht Karlsruhe verfügten Ausschluss aus dem Zündel-Prozess – eine Seltenheit in der deutschen Rechtsgeschichte – vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen worden, ihr Rauswurf also rechtskräftig.

Jetzt hat Frau  Stolz wieder Zeit, weitere sinnentstellte und aus dem Zusammenhang gerissene Zitate zu sammeln und in ihre Schriften einzuarbeiten, welche den »jüdischen Masterplan« gegen das »heilige Deutsche« in der Welt beweisen sollen. Und dafür steht ihr in Ebersberg ein Häuschen im Grünen zur Verfügung, wo offenbar der Kleinmachnower Horst Mahler einen zweiten Wohnsitz bezogen hat. Der einstige RAF-Mitgründer und nachmalig zum Holocaustleugner Geläuterte ist jedenfalls Dauergast auf dem Anwesen von Stolz. Von Heiratsplänen wird gemunkelt.

Ebersberg erfuhr im Grunde erst durch die bundes- und weltweite Berichterstattung über die Umtriebe der Sylvia Stolz, wer da in ihrer Mitte lebt. Was die wenigsten wissen, ist, dass sie diese Ruhezone in idyllischer Randlage dort mit Horst Mahler teilt. In der weiteren Nachbarschaft des kleinen Häuschens mit großem Garten ist man entsetzt. Es ist ein diffuses, aber deutliches Unbehagen, welches viele Menschen in dem Wohngebiet in Atem hält, obwohl ja von der Person der Anwältin Stolz zunächst weiter keine reale Gefahr ausgeht. Im Gegenteil, sie lebt zurückgezogen, neuerdings eben mit ihrem 70jährigen Lebensgefährten, und legt vermutlich keinen gesteigerten Wert darauf, in dieser trauten Klausur gestört zu werden.

Trotzdem will niemand mit einer solchen Nachbarin und ihrer gefährlichen Wahnwelt aus Hitlerverehrung, Geschichtsklitterung, krudestem Antisemitismus und nationalsozialistischer Heilslehre etwas zu tun haben. Einige hatten sogar einen Wegzug aus der Nachbarschaft erwogen – so stark war der Widerwille und ein unbestimmtes Gefühl der Bedrohung.

»Eine Schande«, nennt Ebersbergs Vize-Bürgermeisterin Irmtraud Anhalt (CSU) das Treiben der Anwältin vor Gericht, von welchem sie auch nur aus der Zeitung erfahren hat. »Solche Menschen sind in Ebersberg nicht willkommen«, platzt es frank und frei aus der Kommunalpolitikerin heraus. Natürlich weiß Anhalt so gut wie die unmittelbare Umgebung des Stolzschen Hauses, dass man gegen eine solche Nachbarschaft nichts unternehmen kann.