Skip to main content

Sport als Deckmantel

Einleitung

Sportlich spielt der Berliner Fußballclub (BFC) Dynamo kaum eine Rolle. Man hält sich mit Ach und Krach in der vierten Liga und zehrt von altem Ruhm. Zu DDR-Zeiten war man Rekordmeister und nahm auch am Europapokal teil. Diese Zeiten sind jedoch lange vorbei und nach der Wende tickten die Uhren etwas anders im Nordosten Berlins.

In den Schlagzeilen war man oft, nur eben nicht mit sportlichen Erfolgen, sondern meist mit allerlei Eskapaden im wirtschaftlichen oder kriminellen Bereich. So hatte man schnell einen Ruf als Hooliganclub weg und etablierte sich in Berlin zu einem Sammelbecken von rechten »Problemfans«. Mitglieder der Berliner Kameradschaftsszene besuchen regelmäßig die Spiele des BFC und auf Neonazidemonstrationen sind Fanartikel oft gesehene Kleidungsstücke.

Da beim BFC die Uhren aber eben etwas anders ticken, haben diese »Problemfans« es immer wieder geschafft, die jeweilige Vereinsführung zu beeinflussen oder gar zu übernehmen. Ende 2001 wurden die beiden Hells Angels-Mitglieder Andre Sommer und Rayk Bernt in den Vorstand des BFC berufen. Dies war ein wichtiges Zugeständnis an die rechte Fanszene. Während Bernt sich auf das Geldverdienen mit diversen Internetshops und Merchandise-Produkten für die rechte Hooliganszene konzentriert, ist Sommer stärker in das Tagesgeschäft des BFC eingebunden.

Sommer, der die Rechte am Logo des BFC hält und somit nach Gutsherrenart Forderungen an den Verein stellen kann, ist auch Betreiber des Berliner Fußballcafes, einem Treffpunkt rechter BFC-Anhänger. In dieser Kneipe fanden bereits Razzien in Zusammenhang mit der Neonaziszene statt und der Berliner Neonazi und BFC-Fan Oliver Schweigert rühmt sich auf Kameradschaftstreffen mit einer Integration der Besucherschaft des BFC-Cafes in die Neonaziszene. Außerdem besitzt Sommer mit dem Szene-Laden Kategorie C eine weitere Schnittstelle zwischen Fanszene und Neonaziszene.

Mit dem Auftauchen der Rocker im Vorstand waren auch diverse Sponsorenverträge zwischen dem BFC und Sommers Geschäften verbunden. Damit verankerte er sich noch fester im Verein und konnte seinen Einfluss steigern. Dennoch ließ sich ein Verein mit zwei Hells Angels an der Spitze nicht ordentlich führen und Sommer und Bernt mussten wieder abtreten. Sommers Einfluss aber blieb. So unterstützt er diverse Aktionen aus dem Fanspektrum finanziell und sichert sich einen Rückhalt in diesem wichtigen Machtfaktor. Diese Unterstützung hat er auch nötig, da er wegen der Besitzverhältnisse des BFC-Logos nicht unwesentlich an der schlechten wirtschaftlichen Lage des Vereins beteiligt ist. Laut Informationen aus dem Präsidium würden sich mit den Rechten in Vereinshand monatlich bis zu 5.000 EUR erzielen lassen. Eine Zeitlang gab es eine regelrechte Kampagne aus der Fanszene, die darauf abzielte das, Logo zurückzufordern. Den immensen Einfluss Sommers belegt auch die Tatsache, dass er nach seinem Abtreten aus dem Präsidium weiter für den Ordnerdienst im Stadion verantwortlich war und von nun an Rocker in den Kutten der Hells-Angels für »Ordnung« im Stadion sorgten. Ein bundesweit sicherlich einmaliges Phänomen.

Der aktuelle Präsident Mario Weinkauf war angetreten, den finanziell schwer angeschlagenen BFC zu sanieren und einen Imagewechsel zu vollziehen. Er hatte die Rechnung aber ohne die Mehrheit der Fanszene gemacht – sie wollte überhaupt keinen Imagewechsel. Und so brach dieses Jahr ein offener Konflikt zwischen Präsidium und Fanszene aus. Ein Konflikt nicht um Sport, sondern um Einfluss und Politik. Vor allem die einflussreiche Fangruppe »Freunde der dritten Halbzeit« machte gegen Weinkauf mobil. Wurde zuerst das angebliche kaufmännische Versagen angeführt, traten nach und nach die wahren Gründe in den Vordergrund: Das Bemühen Weinkaufs vom rechten Image wegzukommen und mit den Sponsoren aus dem rechten Milieu zu brechen.

Auf Unterstützung können die rechten Fangruppen vor allem durch den Fanbeauftragten Rainer Lüdtke bauen. Lüdtke schmückt sich auf seiner Homepage mit Bannern diverser rechter bis neonazistischer Firmen wie zum Beispiel »Sport Frei«1 und sein »Problemfanfonds« unterstützt Fans, die wegen Schlägereien oder Tragens von Kennzeichen verbotener Organisationen vor Gericht stehen. Gerade wegen dieser Sponsoren geriet Lüdtke aber in die Kritik von Teilen der Fanszene und er trennte sich von den offensichtlichsten Fällen. Lüdtke selbst steht dabei einer weiteren einflussreichen Fangruppe namens die »79er« nahe. Alles Fans, die seit 1979 dem BFC die Treue halten.

Einen ersten Erfolg konnten die rechten Fangruppen bereits verbuchen. Nach einer von Neonazis unterstützten Platzstürmung gegen den Lokalrivalen Union Berlin schlugen die Wellen hoch. Sponsoren kündigten und brachten damit den Verein in eine prekäre wirtschaftliche Situation. Für diese wurden allerdings nicht die Platzstürmer, sondern Präsident Weinkauf verantwortlich gemacht. Daraufhin wurde der Geschäftsmann und BFC-Fan Peter Mayer in den Vorstand berufen. Mayer, der auch schon mal bei Platzstürmungen mit dabei war und wegen §86a vorbestraft ist, tritt seitdem als Trikotsponsor auf und gab dem Verein ein kurzfristiges Darlehen über einen fünfstelligen Betrag. Mayer ist Geschäftsführer der Firmen Infinity Grundbesitz und Infinity Calling Cards. Er steht für eine Beibehaltung des Status Quo und will das Image des BFC auf jeden Fall erhalten. Ein Fan zu der Debatte um Mayer im Fanforum des BFC: »Du müsstest doch wissen, das wir unter Führung von P.M. auf dem richtigen Weg sind. In 4 Monaten wenn die neuen Strukturen greifen, werden diese ganzen Gutmenschen endlich schweigen [...] Alles läuft nach Plan«.

Zur Sanierung des Vereins ist Mayer laut Informationen aus Fankreisen an die rechte Modemarke Thor Steinar herangetreten. Diese soll die Rechte am Vereinslogo von Sommer kaufen und alleiniger Lizenzinhaber von Fanartikeln werden. Die Gewinne aus diesem Deal sollen demnach wahrscheinlich zwischen Sommer, Thor Steinar und dem BFC aufgeteilt werden.

Auch in der Jugendabteilung des BFC sieht es kaum besser aus. Geleitet wird sie vom ehemaligen NPD-Funktionär Ralf Wurzel aus Hohenschönhausen. Zusätzlich erstreckt sich auch der Einfluss Andre Sommers bis in diesen Bereich des Vereins, der die Jugendmannschaften durch Spenden unterstützt und dessen zwei Söhne hier spielen. Die vorliegenden Fakten zeichnen ein düsteres Bild des Traditionsclubs BFC. Die Bemühungen, den Einfluss der rechten Szene zurückzudrängen dürften mit der Berufung Mayers in den Vorstand gescheitert sein und der Verein hängt finanziell am Tropf von Geschäftemachern und Protagonisten der extremen Rechten. Sportliche Ziele scheinen kaum noch formuliert zu werden und eine Mehrzahl der Fans scheint einen Verbleib in der vierten Liga zu präferieren. Würde man in die dritte Liga aufsteigen, wäre nicht mehr der Fußballverband Nordost, der dem Treiben rund um den BFC geradezu ignorant zusieht, verantwortlich, sondern der DFB. Unter den jetzigen Bedingungen wäre es allerdings mehr als unwahrscheinlich, dass der DFB nicht beim BFC intervenieren würde.

Aber auch die Berliner Politik muss sich fragen, wie lange sie tatenlos zusehen will. Immerhin wird der BFC vom Land Berlin für seine Jugendarbeit gefördert. Eine Jugendarbeit, für die maßgeblich ein Ex-NPDler verantwortlich ist. Auch wenn in der Fanszene des BFCs einige progressive Stimmen zu hören sind, dürfte wenig Hoffnung auf eine »Selbstreinigung« bestehen und diese teilweise antirassistischen Kräfte werden sich irgendwann wohl einen neuen Verein suchen müssen.