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Jagdszenen aus den Niederlanden

Jeroen Bosch für Alert! und Antifa-Net in Utrecht
Einleitung

Rechtsextreme und faschistische Parteien haben versucht, auf der islamophoben und rassistischen Welle zu reiten die die Niederlande nach dem Tod des Filmemachers Theo van Gogh und der Verhaftung mehrerer muslimischer Terrorverdächtiger überflutet. Unmittelbar nach dem Mord veranstalteten Faschisten einige sehr kleine und für sie eher enttäuschende Demonstrationen. In Haarlem versuchte ein 30-köpfiger Mob unorganisierter rassistischer Jugendlicher, eine Gedenkveranstaltung für van Gogh zu stören.

Rechte Gabba-Fans bei einer Protestdemonstration in Amsterdam nach van Goghs Tod

Die faschistische »Nationale Alliantie (NA)« demonstrierte in Rotterdam, musste ihren Aufmarsch aber abbrechen, da die Polizei eine »Störung der öffentlichen Ordnung« befürchtete. Niemand wurde verhaftet. Am 6. November 2004 versammelte sich eine Menschengruppe vor dem holländischen Konsulat direkt hinter der belgischen Grenze in Flandern. Auf der Versammlung, zu der die rechtsextremen Organisationen »Vlaams Blok« und »Boorpost« aufgerufen hatten, wurde van Goghs letzte Zeitungskolumne vorgelesen und es wurden Blumen niedergelegt.

Die NA interessiert sich dagegen eher für Bombenleger als für Leute, die Blumen niederlegen. In ihrem Internetforum findet sich der Beitrag: »Die Leute, die muslimische Schulen niederbrennen, können für die Bewegung der Weißen von großem Nutzen sein.« Es überrascht nicht, dass sie im Zusammenhang mit der Explosion einer ferngezündeten Bombe in einer islamischen Schule am 8. November in Eindhoven genannt wird. Die NA hat sich eiligst von dem Anschlag mit den Worten distanziert, »soweit wir bis jetzt wissen, waren keine NA-Mitglieder in die Vorfälle verwickelt«.

Es muss allerdings erwähnt werden, dass ein bekannter NA-Sympathisant wegen eines Brandbombenanschlags auf dieselbe Schule im Jahr 2003 verurteilt wurde und dass eben dieser Faschist zuletzt am 20. August 2004 bei einer Demo gegen ein Flüchtlingszentrum in Eindhoven gesehen wurde.

Die rassistischen Angriffe wurden in dem Internetforum der faschistischen Organisation »Nieuw Rechts« und in verschiedenen Webforen der Fortuyn-Bewegung enthusiastisch begrüßt. Die Website »Revolutionäre Weiße Hand« ruft allerdings auch zu Angriffen auf Häuser von Juden und Synagogen sowie auf die Häuser von Polizisten, Richtern und Journalisten auf. »Führt keinen Krieg mit den eigenen Leuten, indem Ihr den Islam komplett ablehnt«, wird dort ausgeführt, »In naher Zukunft werden wir zusammen mit den arischen Muslimen gegen die Juden vorgehen«. Die »Revolutionäre weiße Hand« – wer auch immer sich dahinter verbirgt – verweist auch auf das antisemitische Machwerk »Protokolle der Weisen von Zion« und schließt mit der Parole »Lasst Euch nicht von Zion herumschubsen«.

Begeisterte Zustimmung zur rassistischen Hetze kam auch von dem in Holland aktiven deutschen Neonazi Michael Krick, der in der »Racial Volunteer Force« aktiv war, bevor er am 25. November auf Ersuchen deutscher Behörden verhaftet wurde. Krick begrüßte den Mord an van Gogh, da dieser »sowieso Jude war«. Im Mai 2001 hatte der frühere Aktivist der deutschen Sauerländer Aktionsfront (SAF) in Niftrik deutsche und niederländische Neonazis zu Terror aufgerufen: "(...) Greift das System und ihre Knechte an (...) Zeigt kein Erbarmen, keine Reue. Der weiße arische Widerstand lebt. Bildet Zellen nach dem Vorbild des füherlosen Widerstandes. Unterstützt die national-revolutionären Zellen (...)"

Bereits im Januar 2002 war Krick auf der Reise zu einem Treffen mit Mitgliedern der britischen rechtsextremen Partei BNP und anderen Nazis in Oldham/Großbritannien in den Niederlanden verhaftet worden, wurde aber später wieder freigelassen. Krick droht nach wie vor die Auslieferung nach Deutschland, wo gegen ihn wegen einer ganzen Reihe von Straftaten ermittelt wird, u.a. wegen Besitz von CDs mit den Holocaust leugnenden Liedern und Zeigen einer SS-Tätowierung auf einer Neonazidemo in Berlin.

Die Angriffe auf muslimische Einrichtungen gingen weiter: Am 13. No­vember brannten Rassisten eine Moschee in Helden vollständig nieder. Am gleichen Tag wurde auch eine türkische Moschee in Maassluis in Brand gesteckt. Einen weiteren Angriff auf eine Moschee gab es in Lelystad. In Gorinchem verhaftete die Polizei vier Personen wegen Vorbereitung einen Brandanschlags auf eine Moschee, in Alkmaar wurde ein 16jähriger wegen eines Brandanschlags auf ein türkisches Zentrum verhaftet.

Nach Angaben der Polizei gab es bisher 96 Vorfälle, allerdings wäre die Liste um einiges länger, wenn auch Graffiti und Schlägereien zwischen weißen und migrantischen Jugendlichen erfasst würden. Auch wenn die Zahl der Anschläge seit Anfang Dezember abzunehmen scheint, werden nach wie vor einige Moscheen bewacht. Einige Stadtverwaltungen haben beschlossen, über rassistische Vorfälle nicht mehr zu informieren, um Nachahmertaten zu vermeiden.

Für große Aufmerksamkeit sorgten Schlagzeilen, die mit mehreren Wochen Verspätung über eine Versammlung der nazistischen »Nederlandse Volks Unie (NVU)« vom 7. November berichteten, auf der des Hitler-Putsches vom 9. November 1923 gedacht wurde. Das Publikum lauschte Reden von Ralph Tegethoff (NPD) und Stewart Mordaunt, Mitglied der BNP und der verbotenen »Centrum Partei ´86«. Auch der Aufbau einer Jugendgruppe der NVU in einer Kleinstadt nahe Nijmegen erregte mediales Interesse. Die breite Berichterstattung lässt vermuten, dass den Medien plötzlich die Existenz ultrarechter und faschistischer Organsiationen in den Niederlanden bewusst geworden ist, ebenso wie die Existenz offen rassistischer, unorganisierter und teilweise gewalttätiger weißer Jugendlicher in ländlichen Gegenden.

Diese Aufmerksamkeit der Medien kann dazu beitragen, den Spielraum der Rassisten einzuschränken, sie kann aber auch bei unkritischer Berichterstattung kostenlose Werbung bedeuten. Bisher sieht es so aus, dass die organisierten Faschisten Schwierigkeiten haben, aus dem weit verbreiteten Hass auf Moslems Nutzen zu ziehen, auch wenn »Nieuw Rechts« behauptet, täglich zehn neue Mitglieder aufzunehmen. Dass die Faschisten auch einmal Probleme haben können, ihre Treffen abzuhalten, wurde in Den Haag bewiesen, als die Antifaschistische Aktion den Besitzer eines Versammlungsraums darauf aufmerksam machte, dass das ultrarechte Komitee »Nee tegen Turkije« (Nein zur Türkei) in seinen Räumen eine Veranstaltung durchführen wollte. Das Komitee besteht aus »Jong Rechts«, der Jugendorganisation von »Nieuw Rechts« und aus der »Nationale Beweging«, einer Gruppe extremer Nationalisten unter Führung des altbekannten Neofaschisten Tim Mudde, der auch Mitglied der Rechtsrock-Band »Brigade M«1 ist. Der Eigentümer des Raums kündigte den Vertrag und machte öffentlich deutlich, dass er nicht mit rechtsextremen Rassisten in Verbindung gebracht werden will.

  • 1Anmerkung der Redaktion: Die Bandmitglieder Dave Blom, Susan King, Jan Jereon Wiepjes, Tibor Mudde und Johannes Velzel treten auch in Deutschland auf RechtsRock-Konzerten auf.