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Mädchen und junge Frauen im »Jugendschutzlager Uckermark«

Einleitung

Über das sogenannte "Jugendschutzlager Uckermark", das sich ganz in der Nähe des ehemaligen Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück befand, ist noch immer kaum etwas bekannt. Hinter diesem verharmlosenden Namen verbarg sich ein Konzentrationslager, in dem ca. 1200 Mädchen und junge Frauen im Alter von 16 bis 21 Jahren eingesperrt waren. Sie mußten Zwangsarbeit leisten, u.a. bei Siemens und auf Gutshöfen der näheren Umgebung, stundenlang Appell stehen, hungern und waren ständig der Bedrohung von Strafen ausgesetzt. Es bestand absolutes Redeverbot im Lager.

Ravensbrück
(Foto: Christian Ditsch)

(Symbolbild aus der Gedenkstätte im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück)

Das sogenannte Jugendschutzlager Uckermark (1942 1945)

Das Lager unterstand der »Reichszentrale zur Bekämpfung der Jugendkriminalität«; die Leitung oblag der »weiblichen Kriminalpolizei«. Schon 1937 gab es einen grundsätzlichen Erlaß über die »vorbeugende Verbrechensbekämpfung«: »Als asozial gilt, wer durch gemeinschaftswidriges, wenn auch nicht verbrecherisches Verhalten zeigt, daß er sich nicht in Gemeinschaft einfügen..., sich der in einem nationalsozialistischen Staat selbstverständlichen Ordnung nicht fügen will«.

Im Januar 1941 fand eine Sitzung im Reichsinnenministerium mit den Leitern aller Jugendämter statt, auf der nachdrücklich die Einrichtung eines Lagers für weibliche Minderjährige gefordert wurde, da diese »vielfach sittlich gefährdet sind und für die gesunde Jugend eine große Gefahr bilden«.

Ab Mai 1942, zwei Monate nachdem das Reichssicherheitshauptamt die Unterbringung weiblicher Minderjähriger in dem »Jugendschutzlager Uckermark» angeordnet hatte, übernahm die Kriminalrätin Lotte Toberentz das Kommando über das KZ für Mädchen. Im Juni 1942 wurden rund 70 Häftlinge in das Lager transportiert. Im August waren es bereits vier Blocks mit über 200 Mädchen.

Ein Großteil der in der Uckermark inhaftierten Mädchen und Frauen kam aus der Fürsorge-Erziehung und sollte zur Entlastung der Fürsorgeheime »kostengünstig und sicher« und vor allem unter Ausnutzung ihrer Arbeitskraft »verwahrt« werden. Da die Mädchen nicht in das gewünschte Bild der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft« paßten oder sich nicht unterordnen wollten, wurden sie als »Asoziale« kriminalisiert und verfolgt. Unter »asozial« konnte vieles verstanden werden: Mädchen, die aus sogenannten »asozialen« Familien kamen. Andere Einweisungsgründe waren z.B. die Zugehörigkeit zur »Swing-Jugend«, Beteiligung am Widerstand oder die Verweigerung des BDM-Dienstes, »sexuelle Verwahrlosung«, womit oft Beziehungen mit sogenannten »Fremdvölkischen« gemeint waren, »Arbeitsverweigerung« u.v.m.. Mit der Kategorie »asozial« hatten sich die nationalsozialistischen Machthaber ein Instrumentarium geschaffen, das eine willkürliche Einweisung der ihnen unliebsamen Mädchen und jungen Frauen in die Uckermark erlaubte.

In dem »Jugendschutzlager Uckermark« waren die kriminalbiologischen »Merkmale« ausschlaggebend für die Blockzuteilung. Für die Kriminalbiologen reichte demnach bei diesem angeblich »einheitlich geprägten« Mädchentyp ein Drei-Stufen-System: Ausgangsbasis bildete der »Beobachtungsblock«, in den alle neu eingelieferten Häftlinge für etwa ein halbes Jahr kamen. Der größte Teil der Häftlinge war in den »mittleren« und »unteren« Blocks untergebracht. Diese waren bestimmt für sogenannte »hemmungslos Triebhafte«, »Querulanten« und »Uneinsichtige«. Außer den Blocks für die »Fürsorgezöglinge« gab es den sogenannten »Ausleseblock« für die Partisanenkinder und die Gestapohäftlinge. Es existierte auch ein Block, der ausschließlich mit slowenischen Partisaninnen besetzt war.

Das »Jugendlager« oder Vernichtungslager Uckermark-Ravensbrück (1945)

Im Januar 1945 wurde die Uckermark bis auf ca. 50-60 Personen und deren Aufseherinnen geräumt,  und die Mädchen wurden größtenteils nach Ravensbrück gebracht. Die verbleibenden Mädchen wurden vom übrigen Uckermark-Gelände abgeschirmt, da auf dem Gelände bis zur Befreiung ein zweites Lager, das »Jugendlager«, ein Vernichtungslager für die in Ravensbrück als nicht mehr arbeitsfähig selektierten Frauen, eingerichtet wurde.

In dem entstandenen Teil des Lagers, der nun als Vernichtungslager diente, wurden die Überlebensbedingungen noch einmal drastisch verschlechtert, um die Todeszahlen zu steigern. Ab Februar 1945 wurden Frauen in der inzwischen fertiggestellten Gaskammer ermordet. Zusätzlich wurden viele durch Giftinjektionen auf dem sog. Revier (Krankenbaracke) getötet. Von den ungefähr 5000 aus Ravensbrück in das sog. »lugendschutzlager Uckermark« verbrachten Frauen überlebten höchstens 1000.

Das "Jugendlager Uckermark" von der Befreiung bis heute

Nach der Befreiung wurde die »Uckermark« als »Erziehungslager für schwer erziehbare/asoziale Jugendliche« beschönigt, und die Verantwortlichen wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. Die Frauen erhielten keinerlei finanzielle Entschädigung und wurden auch nicht als Verfolgte anerkannt.

Bis heute ist das Gelände des ehemaligen »Jugendschutzlagers Uckermark«, sowie des Vernichtungslagers der Öffentlichkeit weder zugänglich noch als ein Ort des Leidens und der Verfolgung gekennzeichnet. Seit 1994 hat die Rote Armee endgültig sämtliche Gelände-Komplexe, die zu Ravensbrück und der Uckermark gehörten, verlassen. Damit wäre es möglich, das gesamte Gelände als Mahn- und Gedenkstätte auszubauen.

Obwohl es der Mahn- und Gedenkstätte, sowie der Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis Ravensbrück ein dringendes Anliegen ist, den gesamten Komplex der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wird ihnen dieses aus finanziellen und politischen Gründen verwehrt. Und offensichtlich besteht auch kein Interesse daran, die bisher fast unbekannte Geschichte der Uckermark zu dokumentieren.

Vom 16. bis 31. April 1998 - um den 53. Jahrestag der Befreiung des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück - wird in Berlin eine Veranstaltungsreihe stattfinden, die auf die wenig bekannte Geschichte des Mädchenkonzentrations- und Vernichtungslagers Uckermark aufmerksam machen soll.

Organisiert wird die Reihe von einer Frauen/Lesbengruppe aus Berlin. Überlebende des Lagers aus Slowenien und Frankreich werden über ihre Erfahrungen berichten. Neben Filmen und zwei Ausstellungen wird es Vorträge geben zu den Themen »Asoziale« in Ravensbrück, die "Weibliche Kriminalpolizei", Mädchen in der "Fürsorgeerziehung" und über die Entschädigungspraxis nach 1945. Außerdem berichten Frauen über die Workcamps, die im Sommer 1997 stattgefunden haben. Die Erkenntnisse, die bei den Grabungen auf dem Gelände des ehemaligen Lagers gewonnen wurden, werden dann vorgestellt. Zum Abschluß wird es eine Podiumsdiskussion über die Zukunft des Geländes geben.

Eine Häftlingsbiographie: Prof. Dr. Stanka Simoneti

- 1928 in Maribor geboren

- 1943: Die Gymnasiastin tritt dem »Verband der slowenischen Jugend« bei, der aktiven Widerstand gegen die Annektierung Sloweniens durch die Nazis leistet- 31.3.1944: Verrat führt zur Verhaftung der gesamten Gruppe

- im April 1944 wird Stanka im Gefängnis am Alexanderplatz (Berlin) inhaftiert

- Bevor es zu ihrer Deportation ins Frauen-KZ Ravensbrück kommt »durchreist« Stanka fünf verschiedene Gefängnisse (u.a. Wien, Brno, Chemnitz)

- Nach einem 14-tägigen Aufenthalt im Quarantäneblock des KZ wird Stanka in »lugendschutzlager Uckermark« überführt

- Wie dort üblich arbeitet sie zunächst 14 Tage in der Uniformschneiderei

- Es folgen Einsätze in verscheidenen Arbeitskommandos

- Januar 1945: Ihr letzter Arbeitsort vor der Auflösung des Lagers ist die Effektenkammer (Aufbewahrungsort der persönlichen Habseligkeiten der Häftlinge)

- Anfang April 1945: Im Zuge der Auflösung des Lagers wird Stanka mit 30 anderen jungen Mädchen per LKW nach Hagenow gebracht. Da die drei begleitenden Lageraufseherinnen sie bald verlassen, folgt für die Mädchen ein ca. 10-tägiger Gefängnisaufenthalt in Güstrow. Während dieser Zeit müssen die Mädchen Kartoffeln säen und Gärten pflegen.

- Nach ihrer Freilassung folgt für Stanka ein dreimonatiger Aufenthalt in einem »displaced person camp«, wo sie auf eine Möglichkeit zur Rückkehr in ihre Heimat wartet

- Nach ihrer Rückkehr nach Maribor besucht Stanka weiter das Gymnasium

- Sie studiert Medizin und lehrt nach einem langen und vielseitigen Berufsleben Medizin an der Universität von Ljubijana.