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Bundestreffen der "Ritterkreuzträger" in Hammelburg

Einleitung

Das erste in Hammelburg entstandene neonazistische Gewaltvideo von Bundeswehr-Soldaten war gerade zu einem „Einzelfall" erklärt worden, als die Bundeswehrführung für einen neuen Zwischenfall sorgte. Vom 17. bis 19. Oktober 1997 fand in dem bayrischen Standort das Bundestreffen der "Ritterkreuzträger" statt. Trotz massiver öffentlicher Proteste blieb das Bundesverteidigungsministerium bis zum Schluß bei seiner (inoffiziellen) Unterstützung für die (neo)faschistischen Ordensträger.

Ritterkreuz
(Symbolbild von Wolfmann; eigenes Werk; Wikimedia Commons; CC BY-SA 4.0 Deed)

(Symbolbild von Wolfmann; eigenes Werk; Wikimedia Commons; CC BY-SA 4.0 Deed)

Passendes Programm zu Soldaten-NS-Videos?

Mit einem »Leuchten in den Augen«, so eine Lokalzeitung, nahmen Offiziere und Soldaten, die in Hammelburg für Auslandseinsätze ausgebildet werden, an einer Gedenkstunde der "Ritterkreuzträger" teil. Fünfzehn von ihnen wohnten zusammen mit Brigadegeneral Wulf Wedde, Kommandeur der Infanterieschule Hammelburg, einem späteren "Kameradschaftsabend" im "Soldatenfreizeitheim Heinrich-Köppler-Haus" mit Wehrmachts- und Waffen-SS-Veteranen bei.

Aus Hamburg war der OdR-Landesgruppenchef Albert Stenwedel (ehemals SS-Sturmbannführer) mit Gefolgschaft angereist und verteilte Autogramme. Der Zernsdorfer Sicherheitsunternehmer Hans Hinrich Karck war quasi in Vertretung für seinen verstorbenen Vater Georg Karck (SS-Sturmbannführer) vor Ort.1

Die "Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger" (OdR) ist einer der vielen militaristischen Traditionsverbände. Ihr besonderer Kultstatus hängt mit dem Ritterkreuz selbst zusammen, das als höchste Auszeichnung der Wehrmacht des Zweiten Weltkrieges von Adolf Hitler persönlich verliehen wurde. Zum Führungskreis zählen Wolfram Kertz (Lohmar), Johann Pongratz (München) und Bruno Kahl (Köln).

Die "Ritterkreuzträger" verhalten sich entsprechend. In ihrer Satzung verpflichten sie sich zur Erhaltung der »ideellen Werte« des Hitler-Ordens. Im Vereinsblatt "Das Ritterkreuz" wird die »Umerziehung« des »Deutschen Volkes« beklagt, die Kriegsschuld Nazideutschlands geleugnet und ehemalige SS-Angehörige gewürdigt. Mitunter werden Artikel aus dem (Neo)Nazi-Heft "Nation und Europa" nachgedruckt oder für einschlägige Verlage geworben.

Zusammen mit Mitgliedern der "Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS" (HIAG) nahmen die Ritterkreuzträger an den (Neo)Nazi-»Ulrichsbergtreffen« in Österreich teil. Einige "Ordensträger" finden sich sogar in der Neonaziszene wieder, so z.B. Otto Riehs, der bei den hessischen Kommunalwahlen als Spitzenkandidat der mittlerweile verbotenen FAP auftrat.

OdR-Treffen in Celle,

Jährlich um den 16. Oktober herum, dem Hinrichtungstag der Kriegsverbrecher Wilhelm Keitel und Alfred Jodl in Nürnberg, halten die Ritterkreuzträger ihre Bundestreffen ab.

1993 wurde die Veranstaltung in Celle von AntifaschistInnen gestört. Während die Ritterkreuzträger die erste Strophe des Deutschlandliedes grölten, ging die Polizei in einem überzogenen Einsatz gegen DemonstrantInnen vor.

Dresden,

War das Treffen in Celle von Bundeswehr und Lokalpolitikern unterstützt worden, mußten die Soldaten in Dresden 1996 ihre erste Niederlage gegen ZivilistInnen hinnehmen. Nach massivem Protest Dresdener BürgerInnen erklärte der Oberbürgermeister, die "Ritterkreuzträger" nicht empfangen zu wollen, und die Bundeswehr sah sich gezwungen, ihre Teilnahme an den Feierlichkeiten abzusagen. Allerdings nicht, weil die "Ordensgemeinschaft" nun endlich als eine extrem rechte Vereinigung erkannt wurde, sondern weil »zu befürchten stand", so das Bundesverteidigungsministerium, »daß die Bundeswehr insgesamt wie einzelne teilnehmende Soldaten in die rechtlichen und politischen Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Dresden und der Ordensgemeinschaft hineingezogen würden.« Auch in Dresden kam es zu Übergriffen der Polizei gegen AntifaschistInnen und AntimilitaristInnen.

und Hammelburg

Fragwürdig verhielt sich die Bundeswehrführung auch im Oktober 1997, als die »Helden des Zweiten Weltkrieges« lieber wieder ein kleineres Städtchen, Hammelburg, für ihr Treffen ausgewählt hatten. Aus Bonn waren den Ritterkreuzträgern erst »Ehrenposten« für eine Gedenkfeier und ein Besichtigungsprogramm versprochen worden. Vor Ort regte sich daraufhin jedoch Protest, eine Absage der Bundeswehr wurde gefordert. Zuvor hatte die "Ordensgemeinschaft" bereits versucht, ein Grußwort des Hammelburger Bürgermeisters abzulehnen, der immerhin anmerkte, die Ritterkreuzträger hätten »ihr Leben für ein verbrecherisches System« gewagt. Nur Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber übernahm die Schirmherrschart für das Treffen und schickte ein Grußwort, in dem er sich erbaut zeigte, daß es »eine Kontinuität des Erinnerns und des Mahnens an dunkle Zeiten unserer Geschichte« gebe.

Unbeirrbar in seinem Traditionsverständnis zeigte sich auch das Bundesverteidigungsministerium. Zwar hatte die Bundeswehr, angeblich aus organisatorischen Gründen, zwischenzeitlich abgesagt. Tatsächlich wurde durch komplizierte Umstellungen des Programms jedoch lediglich die Gegenseite getäuscht. »Es hat keine Absage der Bundeswehr gegeben«, und es gäbe »keinen vernünftigen Grund die freiwillige Teilnahme von Soldaten (...) zu untersagen«, äußerte sich das Ministerium nach der Veranstaltung. Vor Ort teilte Oberstleutnant Eberhard Taube von der Bundeswehr-Infanterieschule Hammelburg dem Vorsitzenden der "Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger", Wolfram Kertz, eine Art (Teil)Rückzug mit: Die Bundeswehr werde offiziell (!) an den Feierlichkeiten zum 43. OdR-Treffen nicht teilnehmen. Also kein mediales Event mit Ehrenzug, Musikkorps, Blumenschmuck oder Fahnen. Trotzdem traten aber am 18. Oktober 1997 Wolfram Kertz (OdR), Wulf Wedde (in Bundeswehr-Uniform) und Bruno Kahl (OdR) gemeinsam mit zwei älteren Kranz-Trägern zum "Totengedenken" in Hammelburg öffentlich gemeinam auf. Dem Chef des Kölner Heeresamts, Jürgen Reichhardt, hingegen waren zuvor ein offizielles "Grußwort" und Kranz untersagt worden.1

Tradition bleib Tradition

Das Dilemma zwischen Tradition und Identitätsbildung ist strukturell und wird für die Bundeswehr kaum lösbar sein. Einerseits sollen Einsatzwille, Gehorsam, Pflichtbewußtsein und soldatische Heldentaten der NS-Soldaten Vorbild sein, andererseits die dazugehörige NS-Einstellung, auf die auch die Wehrmacht eingeschworen wurde, geleugnet werden. Darum sehen die Militärs in der Debatte um die Wehrmachtsverbrechen auch einen Angriff gegen sich selbst. Geschichte und Traditionspflege soll auf die militärischen Leistungen reduziert werden. Das Verhältnis der Bundeswehr zu den Ritterkreuzträgern ist ein Beispiel dafür. Die Benennungen von Kasernen nach hitlertreuen Generälen oder die Patenschaften von Truppenteilen zu dubiosen Veteranen- und Reservistenverbänden sind weitere.

  • 1a1bDer Spiegel (44/1997): "Greise Popstars mit Ritterkreuz".