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Corona-Krieger

Matthias Kamann Annelie Naumann

Mit ihrem Buch „Corona-Krieger“ begeben sich die beiden Journalist_innen Annelie Naumann und Matthias Kamann nicht nur in die verschwörungsideologische Welt der auf der Straße aktiven Pandemieleugner_innenszene. Vielmehr beleuchten sie die Rolle der AfD sowie anderer (neu)rechter Akteur_innen in der seit über einem Jahr anhaltenden Coronapandemie. Über weite Strecke gelingt es ihnen durchaus erkenntnisreiche Einblicke zu gewähren. Die permanente Bezugnahme auf die staatlichen Verfassungsschutzbehörden sowie die damit einhergehende extremismustheoretische Perspektive ist jedoch störend und bleibt in der Regel plakativ.

Die Aktivitäten gegen die Pandemieschutzmaßnahmen der letzten eineinhalb Jahre wurden punktuell von organisierten Neonazis genutzt um Einfluss auf das Protestgeschehen zu nehmen und in Teilen waren sie damit auch erfolgreich. Gleichwohl finden sich in der breiten Mehrheit reaktionäre Esoteriker_innen neben Impfgegner_innen und Homöopath_ innen genauso wie neue und alte Verschwörungsanhänger_innen.

Naumann und Kamann beschreiben anschaulich, dass es insbesondere die AfD war, die seit Jahren eine Politik kultiviert durch die verschwörungsideologische Narrative in Bezug auf Klima, Globalisierung oder Migration Einzug in gesellschaftliche Debatten gehalten haben. So ist die aktuell extrem wahrgenommene Pressefeindschaft – die im Zuge der sogenannten Coronaproteste immer wieder auch zu gewalttätigen Übergriffen auf Journalist_innen führte – ein während der Pandemie sehr zugespitztes aber durchaus nicht neues Motiv. Erinnert sei an die „Lügenpresse“-Rufe auf den Pegida-Versammlungen und auch innerhalb der AfD gehören solche Äußerungen zum Standardrepertoire. Verwiesen wird in dem Buch etwa auf das Jahr 2016. Dort heißt es entnommen aus dem Wahlprogramm der baden-württembergischen AfD: „Die etablierten Parteien und die mehrheitlich freiwillig ‚gleichgeschalteten‘ Medien bemühen sich nach Kräften im Verschweigen, Verharmlosen und Manipulieren.“

Naumann und Kamann zeigen auf, dass AfD-Politiker_innen gerade ihre parlamentarische Öffentlichkeit nutzen, um immer wieder vermeintliche Zensur, eine fehlende Meinungsfreiheit oder gar die ideologische Umerziehung der Gesellschaft zu beklagen. Schon lange vor den inhaltlosen „Frieden, Freiheit, keine Diktatur“-Parolen der Pandemieleugner_innen sah sich die AfD im Kampf gegen eine „DDR 2.0“ oder beklagte vermeintliche Grundrechtsverstöße im Zusammenhang mit der Asylpolitik. Und auch mit Blick auf die schnell größer gewordenen „Corona-Proteste“ hat die AfD versucht sich als Verbündete zu positionieren.

Dies ist ihr zwar nur in Teilen gelungen, doch hat sich auf dem ideologisch vorbereiteten Boden eine verharmlosend als Maßnahmenkritiker_innen bezeichnete Bewegung zusammengefunden, die von Beginn an auf bereits vorhandene Verschwörungserzählungen aufbauen und diese in weite Teile der Gesellschaft transportieren konnte. Daneben haben es nicht wenige Protagonist_innen verstanden - auch darauf geht „Corona-Krieger“ mit mittlerweile bekannten Beispielen ein – die Proteste zu einem ganz eigenen Finanzierungsmodell werden zu lassen und sich über ominöse Schenkungen selbst zu finanzieren, esoterisch-spirituelle Seminare zu bewerben oder sich gleich als eigene Marke zu verkaufen.

Die inhaltlichen und personellen Grundlagen der Pandemieleugner_innenszene finden sich neben der von Beginn an präsenten Szene von Impfgegner_innen in den sogenannten Montagsmahnwachen und diversen Kleinstparteien. Beispielhaft dafür steht etwa die 2009 von dem aktuell wieder einflussreichen Verschwörungsideologen Oliver Janich mitgegründete „Partei der Vernunft“ oder auch die „Deutsche Mitte“.

Leider werden gerade diese Aspekte im Buch nicht behandelt. Dennoch trägt „Corona-Krieger“ mit dem Fokus auf die AfD dazu bei deutlich zu machen, dass die Bewegung rund um Querdenken u.a. verschwörungsideologischen Akteur_innen nicht aus dem Nichts entstand.

Matthias Kamann, Annelie Naumann
Corona-Krieger Verschwörungsmythen und die Neuen Rechten
ISBN 978-3-360-01377-4
192 Seiten, 16,00 €
Eulenspiegel Verlagsgruppe, Berlin 2021