Skip to main content

Antifeminismus in der "Bibliothek des Konservatismus"

"Trouble Everyday Collective" (TEC) (Gastbeitrag)
Einleitung

Wenn sich Rechte — bei allen sonstigen Differenzen — auf ein Feindbild einigen können, ist es inzwischen üblicherweise „der Feminismus“ und seine „Gender-Ideologie“. Das zeigt sich auch in der neurechten „Bibliothek des Konservatismus“ (BdK) in Berlin-Charlottenburg.

BDK Aufsteller

Werbeaufsteller der BdK für den Vortrag "Elternbindung statt Krippenplatz" von Hanne Kerstin Götze.

Nach innen verdichten, nach außen öffnen!“ — so nannte der Leiter Wolfgang Fenske die „Doppelstrategie“ der „Bibliothek des Konservatismus“ (BdK) gegenüber der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ vor ihrer Eröffnung Ende 2012. Diese Doppelstrategie ist seither Programm:

Nach innen“ ist die BdK ein Zentrum der Vernetzung neurechter und christlich-­fundamentalistischer Akteur_innen. Eher zweitrangig scheint der Bücherbestand, der — wie es Ulli Jentsch vom „Antifa­schistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin“ ausdrückte — den gesamten Kanon der deutschen (extremen) Rechten, von rechtskonservativ bis neonazistisch repräsentiere. Ort des Austauschs wird die BdK bspw. bei öffentlichen Veranstaltungen, die von (deutschem) Nationalismus, Europa, Migration und (antimuslimischem) Rassismus handeln.

Nach außen“ ist die BdK ein Versuch, unter dem Label des „Konservatismus“ und mit vermeintlich wissenschaftlichem Anspruch zum Teil menschenverachtende Positionen zu normalisieren und immer weiter in den Bereich des Sagbaren zu verschieben. Damit fährt die BdK eine „klassische“ Strategie der Neuen Rechten.

Von „Lebensrecht“ bis „Mama im Glück“: Antifeminismus in der BdK

Bei dieser Strategie spielt Antifeminismus eine immer größere Rolle. Auch in der BdK fungiert Antifeminismus als kleinster gemeinsamer Nenner der verschiedenen reaktionären Akteur_innen und soll gleichzeitig Bürgerliche ansprechen.

Eine Besonderheit der BdK ist der „Sonderbestand Lebensrecht“. Wie durch den rechten Kampfbegriff „Lebensrecht“ unschwer zu erkennen, ist der Schwerpunkt der Büchersammlung die Einschränkung reproduktiver Rechte. Der Sonderbestand wurde von der christlich-fundamentalistischen Stiftung „Ja zum Leben“ gespendet. Sie ist Teil des „Bundesverbands Lebensrecht“, der den seit 2008 jährlich in Berlin stattfindenden „Marsch für das Leben“ (MfdL) organisiert. Bei dieser Demonstration, deren zentrale Forderung die vollständige Illegalisierung von Abtreibungen ist, laufen mehrere tausend Teilnehmer_innen betont schweigend mit weißen Holz­kreuzen und begleitet von lautstarkem Protest durch Berlin-Mitte. Die BdK unterstützt den MfdL, indem sie Begleitveranstaltungen ausrichtet.

Am 15. September 2017, dem Abend vor dem MfdL, hielt Hanne Kerstin Götze vor etwa 20 Teilnehmer_innen einen antifeministischen Vortrag in der BdK. Etwa halb so viele Personen protestierten zeitgleich dagegen. Götze ist Autorin des Buches mit dem aussagekräftigen Titel „Kinder brauchen Mütter“, studierte Bibliothekswissenschaften und ist — wie sie mehrfach betonte — Mutter, Großmutter und Stillberaterin. Ihr Buch erschien bereits 2011 im österreichischen „Ares Verlag“, der dem extrem rechten „Leopold Stocker Verlag“ angehört.

Im Zentrum des Vortrags stand — wenig überraschend — Götzes Überzeugung, dass die leibliche Mutter die ideale Bezugsperson für ein Kind und der beste Rahmen eine heterosexuelle Familienkonstellation sei. Nur die ständige Präsenz der Mutter in den ersten Lebensjahren („Tag und Nacht“) ermögliche dem Kind ein zufriedenes Leben. Beispiele für die Konsequenzen von nicht gelungenen Bindungen kannte sie zuhauf: Drogentote, Depressionen, abgebrochene Lehren in Ost-Deutschland. Auch die Einstellungen der politischen Gegenseite „erklärt“ sie mit der „verpfuschten“ Mutter-­Kind-Bindung: „Die, die morgen [bei den Protesten gegen den MfdL, Anm. tec] schreien werden, sind in ihrem Kern kleine ungeliebte Kinder.“ Wer so dermaßen in die Natur eingegriffen hat, ist Götze auch klar: „der Marxismus, die 68er, der Feminismus bzw. Gender“. Wer auch sonst.

Götze naturalisierte die Geschlechterordnung und verlagerte sämtliche gesellschaftliche (Herrschafts-)Verhältnisse in die Biologie — wahlweise auf die Hirnforschung oder klassisch auf die Hormone (durch Prolaktin schwimme „nicht nur das Kind, sondern auch seine Mama im Glück“). Gleichzeitig enthistorisierte sie diese biologisierten Verhältnisse („seit die Menschheit besteht“). Ihren und anderer Leute Alltagsverstand findet sie in pseudowissenschaftlichen „Erkenntnissen“ bestätigt („Viele wissenschaftliche Erkenntnisse haben das bestätigt, was Eltern intuitiv erspüren“) und umgekehrt („kann ich durch meine Lebenserfahrung bestätigen“).

Der ständige Verweis auf „wissenschaftliche Erkenntnisse“, die sie meist nicht weiter ausführte, wurde ihr in der anschließenden Diskussion von dem interessierten Publikum hoch angerechnet („sehr glaubwürdig“). Dem taten auch ihre einleitenden Worte offensichtlich keinen Abbruch: „Ich stehe hier nicht im Namen einer Ideologie, sondern im Namen meines Herrn Jesus Christus.“ Dass es an dieser Stelle keine Lacher gab und sich niemand an der predigtartigen Rhetorik störte, lässt tief blicken. In der anschließenden Diskussion wurde sich dann um das „Volk“ gesorgt, da der IQ — Vorsicht: wissenschaftlicher „Fakt“ — durch Krippenbetreuung monatlich um 0,5 Prozent sinke, sowie um die Gruppe Frauen, die sich vor dem Wickeln ekele und inzwischen tonangebend sei.

Auch in den Vorjahren lud die BdK immer wieder namhafte Antifeministinnen ein: 2016 Hedwig von Beverfoerde, 2015 Alexandra Linder, 2014 Sophia Kuby, 2013 Beatrice Bourges. Die Themen wiederholen sich: Gegen die Gleichstellung von homosexuellen Lebensweisen, gegen „Gender“, gegen Abtreibungen, für die heterosexuelle Ehe und Familie.

Die affektive Dimension des neuen Antifeminismus

Bei Antifeminismus handelt es sich — nicht nur in der BdK — um ein Phänomen, das fernab einer rational begründeten Auseinandersetzung mit feministischen Bewegungen steht. Im Gegenteil ist eine enorme affektive Aufladung für antifeministische Bewegungen charakteristisch. Antifeminismus ist nicht nur in Reaktion auf feministische Kämpfe überhaupt erst entstanden, sondern hat sich historisch immer wieder entsprechend der Veränderungen in feministischen Bewegungen gewandelt. Mit der stärkeren Verankerung dekonstruktivistischer Ansätze in feministischer Theorie und Bewegung seit den 1990ern, dem berühmten „Queer-“ vor dem Feminis­mus, stehen entsprechend der Anpassungs­­fähigkeit des Antifeminismus Gleichstellungspolitiken und das dekonstruktivistische Verständnis von Geschlecht („Gender“) im Zentrum der Rage. Immer sichtbarer werden irrationale „Argumentationen“ mit teils paranoiden Zügen, die sich in Ablehnung bis Hass auf LGBTIQ-Themen beziehen und gepaart mit Angst (bspw. um „die Kinder“) auftreten.

Diese thematischen Verschiebungen führten in feministisch-wissenschaftlichen Zusammenhängen zur Frage, wie dies begrifflich zu fassen sei: „Antifeminismus“ zeigt die Kontinuitäten auf (Planert), „Anti-­Genderismus“ den Stellenwert von „Gender“ (Hark und Villa), „VaterMutterKind-­zentrierter Antifeminismus“ oder „familialistischer Antifeminismus“ (Scheele) die Relevanz der heteronormativen Kleinfamilie.

Egal wie das Phänomen benannt wird, es ist bedeutsam, es in seinem gesellschaftlichen Kontext zu analysieren. Eva von Redecker schlägt vor, unter — sie verwendet den Begriff — Anti-Genderismus einen psychosozialen Abwehrmechanismus zu verstehen. Das macht Sinn: Durch die kapitalistische Produktionsweise werden die Subjekte strukturell entmündigt und verschiedene Ersatzbefriedigungen gesucht. Eine dieser Ersatzbefriedigungen ist die Überhöhung der heteronormativen Familie und das Sich-­Klammern an starre Geschlechtsidentitäten, die in Zeiten der Instabilität vermeintlich Sicherheit geben. Klar ist, dass diese autoritäre Sehnsucht sich auf einen idealisierten Zustand richtet, den es so nicht mehr gibt und in der Eindeutigkeit nie gab.

Der BdK dient sie als klare Orientierung: Männer sind Männer und werden Väter, Frauen sind Frauen und werden Mütter, und alles wird daran gesetzt, dass das Herrschaftsverhältnis zwischen ihnen nicht ins Wanken gerät.