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»Siempre Antifascista 2010«

Ein Vorbereitungskreises (Gastbeitrag)
Einleitung

Im November 2010 veranstaltete das Bündnis »Siempre Antifascista« eine Antifa-Konferenz mit Aktivist_innen aus unterschiedlichen Teilen des europäischen Kontinents und Nordamerikas. Gleichzeitig riefen die Veranstalter_innen unter dem Motto »Remembering means fighting« am 11. November zum jährlichen Aktionstag in Erinnerung an Opfer rechter Gewalt auf. Schließlich waren es gerade die in ganz Europa von Neonazis verübten grausamen Morde und Gewalttaten gegen Antifaschist_innen sowie (vermeintliche) Migrant_innen, welche den Anlass zur Initiierung der Kampagne 2008 gaben.

Nichts ist vergessen – und niemand

Ein internationaler Gedenktag versteht sich als Mittel, um neonazistische Gewalttaten, die von staatlicher Stelle allerorts nur allzu gerne verharmlost, uminterpretiert oder verschwiegen werden, außerhalb der Massenmedien und mithilfe eigener kreativer Aktionsformen öffentlich zu machen. Das Konzept basiert vor allem auf Selbstorganisierung. Auf diese Weise können Antifaschist_innen in verschiedenen Ländern jeweils »ihrer« Opfer und Betroffenen gedenken, diesen in der eigenen Umgebung auf vielfältige Weise ein Gesicht geben und größere Öffentlichkeit schaffen. Auf internationaler Ebene ist dieser Tag zugleich ein Stück gelebte Solidarität einer weltweit agierenden antifaschistischen Bewegung.

Die Idee des Aktionstags und das Siempre-Logo wurden in den letzten Jahren häufig aufgegriffen. 2009 war »Siempre Antifascista« das zweite Motto der jährlichen »Silvio-Meier-Demonstration« in Berlin zum Gedenken an den 1992 von Neonazis ermordeten Antifaschisten und Hausbesetzer. Bei zahlreichen Demonstrationen und Gedenkaktionen für Betroffene neonazistischer Gewalttaten, von Dortmund, Bochum über Dresden nach Berlin, ziert der »Siempre-Stern« Aufrufe und Transparente. Zuletzt auf einer antirassistischen Gedenkdemo für den am 24. Oktober in Leipzig von Neonazis ermordeten Kamal K.. Damit wurden seit 1990 mindestens 150 Menschen Opfer rechter Gewalt.

Auch weltweit wird das Konzept von gegenseitiger Solidarität und Vernetzung aufgenommen, allerdings ist die Informationslage hier schwieriger und das Problem des mangelnden gegenseitigen Austausches zwischen linksradikalen Bewegungen noch evident. Manche Solidaritätsaktionen sind aufgrund mangelnder Übersetzung nicht bekannt geworden. Genau dem möchte »Siempre Antifascista« entgegenwirken. Die Verbreitung des Logos und des Aktions-Konzepts soll schließlich nicht als Anstreben einer »corporate identity«-Antifa missgedeutet, sondern als Symbol der Solidarität verstanden werden und besserer bzw. effektiverer Vernetzung dienen.

Information und Vernetzung

Die Förderung des konkreten Austauschs zwischen antifaschistischen Aktivist_innen steht klar im Zentrum des »Siempre Antifascista«-Konzepts. Die Konferenzen 2008 und 2010 mit Referent_innen aus verschiedenen Teilen der Welt bildeten das Kernstück der Aktionswochen und boten sowohl den jeweiligen Vertreter_innen als auch den Veranstaltungsbesucher_innen die Möglichkeit, sich über Probleme in den unterschiedlichen Ländern und über die jeweilige antifaschistische Arbeit zu informieren und sich kennenzulernen.

Eine Bewegung, die sich ausschließlich auf lokalen antifaschistischen Widerstand konzentriert, ist auf Dauer nicht handlungsfähig. Entwicklungen größeren Ausmaßes, wie der europaweit zunehmende Erfolg rechtspopulistischer Parteien in den Parlamenten, offen nationalistische und rassistische Diskurse in der Öffentlichkeit und die sich beständig ausweitende internationale Kooperation rechter Parteien sowie neonazistischer Netzwerke in den Subkulturen (z.B. »Blood & Honour«), dürfen von einer linksradikalen Bewegung, die sich selbst als grenzenlos versteht, nicht außer Acht gelassen werden.

Zum Austausch von Informationen, Diskussionsprozessen und Entwicklung von Strategien ist persönlicher Kontakt zwischen Aktivist_innen daher besonders wichtig. Ohne Frage ist die Situation in unterschiedlichen Teilen der Welt nie völlig vergleichbar, und es kann deshalb kaum sinnvoll sein, beliebige Konzepte und Methoden antifaschistischer Arbeit eins zu eins zu übertragen. Nichtsdestotrotz ist eine Diskussion über Erfahrungen, Erfolge aber auch Niederlagen mit Genoss_innen aus aller Welt immer eine wichtige Inspiration und Antriebskraft für eigene Projekte. Aktivist_innen, die persönlich am internationalen Austausch teilnehmen, können Strategien und Informationen in ihre Strukturen zurücktragen und auf wichtige Ereignisse und Erkentnisse aufmerksam machen. Auch punktuelle projektbezogene Kooperationen, wie die gegenseitige Unterstützung bei Demonstrationen, die Thematisierung von Fällen rechter Gewalt und das Gedenken an die Betroffenen sind essentiell.

By any means necessary: remembering means fighting

Antifaschistische Vernetzung steht erst am Anfang und muss aktiv vorangetrieben werden. Die Diskussionsprozesse des Konferenz-Wochenendes haben ergeben, dass momentan vor allem der Austausch von Information zu neonazistischen Aktivitäten sowie der Entwicklung rechter Parteien und Netzwerke zentral ist. Es mangelt aktuell vor allem an Übersetzungen analytischer und berichtender Texte. Die Schaffung einer Plattform, auf der Informationen der grenzübergreifenden Antifa-Bewegung gebündelt, übersetzt und einem Publikum über die eigene Szene hinaus zugänglich gemacht werden, ist ein wichtiger Schritt zur Förderung einer eigenen Medienöffentlichkeit und Gewinnung neuer Mitstreiter_innen außerhalb organisierter Strukturen. Subkulturen und Fußballstadien müssen als Politisierungsorte für Jugendliche stärker in den Fokus rücken.

Ebenso wichtig ist es, den Blick nicht nur auf die »klassische« Anti-Nazi-Arbeit zu versteifen, sondern auf Themen wie Sexismus in der eigenen Szene oder die mangelnde Einbindung von Migrant_innen, auszudehnen. Antifaschismus muss sich als linksradikal und damit sozialkritisch verstehen und darf nicht als »Ein-Punkt-Bewegung« agieren. In Zeiten der »Extremismustheorien«, die von staatlicher Seite genutzt werden, um linksradikale Alternativen zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in einen Topf mit neonazistischen Gewalttaten zu werfen, ist Antirepressionsarbeit besonders wichtig. Dass diese auch im internationalen Rahmen funktionieren kann, hat der Erfolg der aktuellen Solidaritätskampagne für Aktivisten im russischen Chimki gezeigt.

Nicht zuletzt lebt »Siempre Antifascista« jedoch von Selbstorganisation, eigenen Akzenten und Ideen. Wir verstehen es als Aufruf an alle Antifaschist_innen weltweit, den Rahmen des Aktionstages und das Siempre-Logo für ihre eigenen Aktionen und Schwerpunkte im antifaschistischen Kampf zu nutzen und sie somit zu einem sichtbaren Symbol gelebter grenzenloser Solidarität zu machen. Uns geht es darum aus dem Gedenken an die Opfer, den Widerstand gegen die Täter und die entsprechenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu formen – Erinnern heißt Kämpfen!

Von Móstoles bis Moskau, von Montréal bis Miami: Siempre Antifascista!

Mehr Informationen unter:
www.siempre-antifa.tk