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Zur bundesweite Konferenz »Dem Haß keine Chance«

Einleitung

Am 10./11. Februar 1990 fand die 2. bundesweite Aktionskonferenz gegen Neofaschismus und Rassismus  »Dem Hass keine Chance« in Frankfurt a.M. statt. Unerwartet kam es bei dem Abschlußplenum zur Aufkündigung der Mitarbeit und Spaltung der Konferenz durch VertreterInnen von Jusos, IG Metall und Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste (ASF). Sie waren bei dem Versuch gescheitert, nach der Ausgrenzung des „autonomen Spektrums“ auf der vorhergehenden Konferenz in Bremen, nun die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) auszuschließen. Dieser Versuch war in der Annahme einer ent sprechenden Resolution durch die überwältigende Mehrheit der Konferenz-TeilnehmerInnen zurückgewiesen worden. Das Bestreben, die weitgefächerte antifaschistische Bewegung zu einem Anhängsel sozialdemokratischer und realo-grüner Politik zurechtzustutzen, hat somit einen Dämpfer erlitten.

Bevor Volker Hauff, Frankfurter Bürgermeister, bei der Eröffnungsveranstaltung der Konferenz in der Paulskirche das Wort ergreifen konnte, besetzten 50 bis 60 linke und autonome AntifaschistInnen kurzzeitig das Podium. Patriarchale Strukturen in der bundesweiten antifaschistischen Bewegung, Ausgrenzung der Linken, Sozialdemokratisierung der Bewegung, Nationalismus bei der SPD und Teilen der Grünen waren u.a. die Themen von zwei Redebeiträgen aus den Reihen der PodiumsbesetzerInnen, mit denen das Paulskirchen-Publikum konfrontiert wurde. Der anwesenden Prominenz schien das sichtbar zu mißfallen. Die anschließende Rede von Hauff war von Zwischenrufen, Pfiffen und einem kurzen Gerangel um das aufgehangene Transparent begleitet, das ein Hauff-Anhänger herunterholen wollte. Der Text des Transparents lautete: »Kampf dem Faschismus heißt Kampf jeder Herrschaft. Nazibanden = Handlanger frauenfeindlicher, rassistischer Staatspolitik«

Bremen und die Folgen

Dabei hatte es in Bremen für die VertreterInnen dieses Flügels recht verheißungsvoll begonnen. Auf der dortigen Konferenz Ende Januar 1989, zu der zahlreiche Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen aufgerufen hatten, war die Öffnung der antifaschistischen Bewegung in Richtung SPD, CDU und Kirchen beschloßen worden. Während die DKP sich in freiwilliger Zurückhaltung übte und diese Entscheidung sonst mittrug, waren die kritischen VertreterInnen von linken und antikapitalistischen Strömungen in der Minderheit. Einhergehend mit der Öffnung zum bürgerlichen Lager wurde die inhaltliche Ausgrenzung eines aktiven Teils der antifaschistischen Bewegung betrieben. Das hieß: Konsequentes Ausblenden der gesellschaftlichen Ursachen für Neonazismus und Rassismus, kein Wort über die Rolle der SPD bei der bisherigen AusländerInnengesetzgebung oder die Grauzone zwischen Konservativen und der extremen Rechten (das Erstarken der "Republikaner" wurde bezeichnenderweise in Bremen nur am Rande zur Kenntnis genommen). Daß mit dem inhaltsleeren Motto: »Leben und Lieben, dem Hass keine Chance«, linke und autonome Positionen ausgrenzt wurden, störte keineswegs. Ein sechsköpfiger "Koordinationsausschuß", darunter gerade mal eine Frau, wurde mit der Vorbereitung der Frankfurter Konferenz und einiger weiterer Aufgaben beauftragt. Während angekündigte Aktionen (z.B. gegen die Verschärfung der AusländerInnengesetzgebung) nicht stattfanden, ging hinter den Kulissen das Geziehe und Gezerre weiter.

Der Plan Herbert Schnoor (SPD), den Innenminister von NRW, in Frankfurt auf das Podium zu holen, mußte zwar fallengelassen werden, dafür sollte der Frankfurter Bürgermeister Volker Hauff (SPD) bei der Eröffnungsveranstaltung reden können. Schließlich machte das Frankfurter "Amt für multikulturelle Angelegenheiten" unter Leitung von Daniel Cohn-Bendit seine finanzielle Unterstützung der Konferenz von der Teilnahme von Walter Janka aus der DDR als Redner abhängig. Trotz eines anderslautenden Beschlußes eines Vorbereitungsplenums, willigte der "Koordinationsausschuß" ein. Die Sache scheiterte nur an der Absage von Janka.

Frankfurt und (K)ein Ende?

Daß der "Koordinationsausschuß", der sich mittlerweile als »Antifa e.V.« basisunabhängig gemacht hatte und seine Aufgabe weniger in der Koordination bundesweiter antifaschistischer Strukturen begriff, zeigte sich wenige Tage vor Konferenzbeginn, als der Vertreter der Jusos im "Koordinationsausschuß" einen Unvereinbarkeitsbeschluß mit DKP und SDAJ forderte. Der "Koordinationsausschuß" fand eine »Kompromißformel«, die die politischen Absichten besser verschleiern sollte: DKP und SDAJ wurden als unterstützende Organisationen der Konferenz gestrichen. Begründung: Sie hätten seit Dezember 1989 nicht mehr an Vorbereitungstreffen teilgenommen (der bisherige DKP-Vertreter war im Dezember aus der Partei ausgetreten, verblieb aber im "Koordinationsausschuß"). An zweiter Stelle war erst davon die Rede, daß »...zentrale Elemente ihrer aktuellen Praxis ... dem Zweck des Bündnisses« widersprechen würden. Diesem faktischen Ausschluß stimmten die Mitglieder des "Koordinationsausschuß", bei zwei Enthaltungen, einstimmig zu. Der "Koordinationsausschuß" hielt es nicht für nötig, mit diesem Beschluß an die Öffentlichkeit zu gehen. Erst im Verlauf der Konferenz sickerte einiges davon durch und führte dazu, daß beim Abschlußplenum eine Resolution eingebracht wurde, die diese Spaltung zurückwies und Aufklärung über den Vorgang verlangte. Kaum war die Abstimmung darüber abgeschlossen, verkündete der Juso-Vertreter den Abbruch der Mitarbeit seiner Organisation. Es half auch nichts, daß Jusos aus Hamburg ihr Verbleiben auf der Konferenz und ihre Mißbilligung über die Spaltung bekundeten, die VertreterInnen von IGM und ASF im "Koordinationsausschuß" kündigten ebenfalls die Mitarbeit auf. In der verbleibenden Zeit gelang es dem nun etwas kopflosen Plenum nicht mehr, sich darüber zu verständigen, ob und wie weitergemacht werden sollte. VertreterInnen der Landeskoordination aus NRW kündigten lediglich an, sich in absehbarer Zeit um eine bundesweite Einladung zu kümmern. Was daraus wird und unter welchen politischen Vorzeichen das dann stehen wird, ist noch unklar.

Es war übrigens noch zu erfahren, daß ähnliche Spaltungsversuche im Vorfeld der Konferenz in regionalen Bündnissen stattgefunden haben sollen. Ein Zeichen dafür, daß Frankfurt kein »Sonderfall« war.

Aussichten

Angesichts eines gewachsenen Nationalismus und den Entwicklungen in der DDR und der BRD werden Spaltungsversuche und politische Angriffe auf die unabhängige Antifa-Bewegung in nächster Zeit eher weiter zunehmen. Dabei gewinnt die Totalitarismus-Doktrin, die Gleichsetzung von »links« mit »rechts«, als ein Instrument der Spaltung und Zähmung der Bewegung an Bedeutung. Das hat sich auch auf der Konferenz gezeigt. Was vor einigen Jahren noch das Geschäft bürgerlicher Konservativer war, die gleichsetzende Verknüpfung von Faschismus und Stalinismus, wird zunehmend auch im »fortschrittlichen« Lager betrieben. Die damit einhergehende Verharmlosung des Nationalsozialismus (und der aktuellen neonazistischen Strömungen), wie sie im »Historikerstreit« sichtbar wurde, kann mittlerweile selbst in der „tageszeitung“ (taz) nachgelesen werden. So war dort im März zu lesen »... daß der Stalinismus eine linke Variante des Faschismus« darstelle. Auf der Konferenz in Frankfurt gab es denn auch den Versuch »Stalinismus in der Antifabewegung« zum Thema zu machen. Zwar richtet sich der Vorwurf bisher vorwiegend an das DKP-Spektrum, gezielt wird aber auf „antikapitalistischen“ Positionen an sich.

Der "Koordinationsausschuß", mit deutlich sozialdemokratischer Ausrichtung, hat dieses Spiel mitgespielt. Wirft man einen Blick auf die zunehmend auch nationalistisch geprägte SPD-Politik, werden die Hintergründe dieser Haltung (mit Blick auf die anstehenden Wahlen) klarer. Der Funktionärsklüngel des formal nicht mehr bestehenden "Koordinationsausschuß" trifft sich weiterhin, auch nach der Konferenz. Es bleibt abzuwarten, wie sich in der Zukunft ihre Basis dazu verhält. Bündnispolitik, d.h. Zusammenarbeit in praktischen Fragen, hat nach wie vor ihre Berechtigung. Sie wird sich aber u.a. mit jenen Teilen der Basis der sich staatsnah gebenden Organisationen entwickeln müssen, die die Ausgrenzung antikapitalistischer Positionen in Frankfurt abgelehnt und so ihren Funktionären eine Niederlage verpaßt haben.