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Zur AA/BO-Debatte

Sympathisanten der Antifa Bonn/Rhein-Sieg
Einleitung

Der Diskussions Gastbeitrag bezieht sich auf die Diskussionen um die "Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisierung" (AA/BO) im Antifaschistischen Infoblatt Nummer 21.

Bild: Seven Resist; CC-BY-NC-SA-2.0

Ich möchte einiges aus eurem Antifaschistischen Infoblatt Nr. 21 um die Organisierung von Antifa-Gruppen kritisieren, da Ihr ein sehr vereinfachtes und idealistisches Bild von Euren Vorstellungen entwerft. Zweck der Debatte sollte es sein, auf einem theoretischen Niveau die organisatorischen und politischen Fragen zu diskutieren und zu klären. Dazu soll dies ein Beitrag sein.

Zweck der Debatte sollte es nicht sein, auf einem emotionalen und moralischen Niveau diese Fragen anzugehen, um zu einem sinnlichen Ergebnis (szenemäßigem Bauchgefühl) zu gelangen. Gemeint sind damit in Eurem Info die vielen Sätze wie: Organisation durchpeitschen..., simple Vereinheitlichung..., im eigenen Erhalt zu verschwenden... usw. Es ist nicht sinnvoll darauf weiter einzugehen, weil es falsche Munition in der Debatte liefern würde. Ich werde mich bemühen, eine etwas volksnahe Sprache zu benutzen, wodurch einiges etwas länger wird, aber trotzdem werde ich nicht umhinkommen, einige zentral wichtige Begriffe zu benutzen, die einigen Menschen etwas schwer verdaulich erscheinen werden. Meine Kritik an den Dingen: Ihr definiert (S. 53, l. Spalte, 2. u. 3. Abs.) dort, was für Euch Organisierung bedeutet »Organisierung bedeutet für [Euch] ein Prozeß, der eine gemeinsame Diskussion beinhaltet, in dem Erfahrungen ausgetauscht werden, Leute sich kennenlernen, beginnen sich untereinander zu vernetzen und in dem Verbindlichkeit entsteht«. Ihr macht einen Unterschied zum Begriff der Organisation. Auf Inhalt und Qualität des Begriffes der Organisierung können wir uns einigen. Auf den Begriff der Organisation geht Ihr überhaupt nicht ein - absichtlich? Welchen qualitativen Sinn und Zweck eine Organisation macht, benennt Ihr nicht Ihr sagt lediglich, daß für eine Organisation mehr Gruppen beteiligt, viel mehr Auseinandersetzungen geführt sein müssen, und Organisation erst am Ende eines solchen Prozesses (?) steht. Ist der Unterschied zwischen Bewegung und Organisation ein quantitativer Unterschied? Wohl kaum. Ihr zeichnet eine Linie, an deren Anfang Kennenlernen, Austausch steht, die sich über Diskussion und (zunehmende) Verbindlichkeit vernetzt usf. Am Ende steht dann die Organisation. Eure Linie (hier als Synonym für Prozeß) hat für Euch einen Anfang und ein Ende. Ihr zeichnet damit, absichtlich oder nicht, ein Bild von Organisation, wo gerade die zentral wichtigsten Dinge abgeschlossen sein sollen. Nämlich die gemeinsamen Diskussionen, der Erfahrungsaustausch und auch mehr oder minder das Einbinden neuer Leute und Gruppen usw. Wir alle wissen, daß Organisationen, die gesellschaftliche Entwicklungen nicht mehr diskutierten, dazu verdammt waren und immer auch sind, wegen ihrer Unflexibilität und fehlenden strategischen Neuorientierungen zu
verknöchern, zu verbürokratisieren und letztendlich geschichtlich unterzugehen.

Der von Euch beschriebene Prozeß einer Organisierung kann bzw. darf auch in einer Organisation nie abgeschlossen sein, und das wißt Ihr. Der logische Schluß aus Euren beiden Absätzen ist folgender: Für Euch kommt eine Organisation weder in naher noch ferner Zukunft in Frage. Eine Organisation ist für Euch der Abschluß eines Prozesses der Organisierung, also Endstadium, folglich toter Apparat - kein Instrument verbindlicher Strukturen, dessen Zweck es ist, einen organisierten Kampf im gesamtgesellschaftlichen Maßstab weiterzuentwickeln. Genau das, was von Euch im ersten Abschnitt verbal verworfen wird, nämlich die »alten untauglichen Konzepte«, wird idealisiert, »neu«, ohne Abänderung, aufgetischt - die Konzeption der alt gewordenen Autonomen. Ihr versucht genau das zu konservieren, was seit 10 Jahren westdeutsche Praxis der Autonomen ist. Diese Art des Konservatismus mag das kurzfristige Resultat eines politischen Rückschlages sein, sie fördert aber die Gefahr eines wirklichen Konservatismus, der der kleinbürgerlichen Strömung innerhalb der Autonomen, die sich gegen jedwede Änderung stellt, politischen Anschub gibt.

Es ist davon auszugehen, daß in dem von Euch angestrebten Organisierungsprozeß der Aufbau einer kämpfenden Organisation nicht Teil Eurer Überlegungen sein wird. Diese allgemeinen Vorstellungen stecken analytisch schon in den ersten drei Absätzen drin. Die allgemeinen Vorstellungen der ersten Spalte belegt Ihr konkret in den folgenden 14 »Sternchen«-Abschnitten. Um den in Euren Überlegungen steckenden Konservatismus zu belegen, muß im folgenden auf die konkreten Vorstellungen eingegangen werden. Im »Sternchen«-Abschnitt Nr. 1 schreibt Ihr: eine »Organisierung sollte sich als Teil der kritischen Linken verstehen, (...) und offen [sein] für Diskussionen fortschrittlicher Perspektiven, (...), mit dem Ziel der Abwehr von Rassismus, Sexismus und Faschismus.« Eurer Meinung nach soll also eine Organisierung bzw. Organisation nicht Teil der kämpfenden, wirklich oppositionellen oder revolutionären Linken sein, sondern Teil der kritisierenden Linken, wie es sie schon zur Genüge gibt. Nur eine kritisierende Linke kann sich zum »Ziel« setzen, Rassismus, Sexismus und Faschismus abzuwehren. Dies meint Ihr dann wohl auch mit fortschrittlicher Perspektive, was ja ein Denken der linken Sozialdemokratie ist. Solange aber ein Kampf gegen den Faschismus und menschenverachtende Ideologien nur als Abwehrkampf geführt werden, ist es der Versuch die faschistische Bestie in Schach zu halten. Solange die Ursachen des Faschismus nicht benannt und bekämpft werden, kann die Gefahr des Faschismus nicht beseitigt werden.

Die Ursachen des Faschismus sind in der Warenproduktion allgemein und in der des Kapitalismus im besonderen zu suchen, weil das gesellschaftliche Sein primär für die Entwicklung des Bewußtseins verantwortlich ist. Solange es Warenproduktion gibt, gibt es Waren. Das charakteristische an den Waren ist, daß neben dem konkreten Gebrauchswert ein Tauschwert existiert. Dieser zwingt dazu, daß um einen bestimmten Gebrauchswert zu erhalten, ein adäquater Gegenwert vorhanden sein bzw. gezahlt werden muß. Da allerdings die Entwicklung der Menschheit nicht gleichmäßig verlaufen ist und seitdem sich der Kapitalismus zum Imperialismus entwickelt hat, haben sich auch diese Ungleichmäßigkeiten immer weiter verschärft. Eine auf der Warenproduktion basierende Gesellschaftsform kann die Bedürfnisse nur durch die vorhandenen Tauschwerte vermittelt befriedigen. Dabei fallen der Großteil der Menschen raus, weil die kapitalistische Produktionsweise eine Produktionsweise ist, die sich an der Profitmaximierung orientieren muß. Sie kann also nie die Bedürfnisse aller Menschen befriedigen, weder national noch international. Sie erzeugt Massenelend, obwohl sie die größte Entwicklung der Produktivkräfte in der Geschichte der Menschheit darstellt. Deshalb ist ein als Abwehrkampf definierter Antifa Kampf zum Scheitern verurteilt.

Den Menschen, die aus dem Produktionsprozeß herausfallen, also z.B. arbeitslos werden, oder drohen herauszufallen, oder gar nicht hineingelangen können (z.B. Jugendliche), stellen sich aufgrund ihrer gesellschaftlichen Existenz Fragen und Problemstellungen und sind auf der Suche nach handfesten und plausiblen Antworten. Jede politische Strömung, die diese Fragen aufnimmt und für diese Menschen theoretisch einzubinden und praktisch zu lösen vermag, in der eigenen Umgebung, in der Gesellschaft oder auch global, vermag es, ideologischen Einfluß zu gewinnen, wodurch neue Ideen und Ideologien eine gesellschaftsverändernde Kraft entwickeln, die zur materiellen Gewalt wird, wenn sie die Massen ergreift - dazu zählen auch die faschistischen Ideologien. Ein auf Abwehr ausgerichteter Kampf ist dazu verdammt, dieser Entwicklung immer hinterher zu sein, Feuerwehrpolitik zu betreiben, bzw. die Entwicklung kritisch zu verfolgen. Der Faschismus ist nur zu besiegen, wenn wir lernen, die Ursachen zu bekämpfen.

Unter Nr. 2 behauptet für, daß eine Auseinandersetzung mit denjenigen Schichten fehlen würde, die vom faschistischen Terror in erster Linie betroffen sind. Dies ist schlichtweg falsch und suggeriert eine falsche Realität. Was der Vorwurf »weißer deutscher Mann« in diesem Zusammenhang soll, bleibt unklar. (Auch ich bin 3/4 Deutscher). Klar ist nur, daß wir in Deutschland leben und unsere primäre Pflicht ist es, hier unter den real existierenden Bedingungen vor allem mit den Jugendlichen, mit den Männern und Frauen und bei ihnen in erster Linie mit denen der arbeitenden Klasse eine wirklich oppositionelle und kämpfende Bewegung aufzubauen.

Zwei Überlegungen dazu: Imperialismus bedeutet Krieg, Imperialismus impliziert Faschismus. Die im Kapitalismus periodisch wiederkehrenden Krisen werden tiefer und krasser. Der Krieg in Europa rückt wieder in den Bereich der Notwendigkeit bestimmter Kapitalfraktionen (Süd- und Osteuropa...), der soziale Kahlschlag, die ökonomische Konkurrenz, die kapitalistische Warenproduktion überhaupt zeigen ihre Wirkung. Es ist bei der Betrachtung also überhaupt nicht abwegig, davon auszugehen, daß sich die Klassenwidersprüche in Europa und somit auch in Deutschland so verschärfen werden, daß gesellschaftliche Entwicklungen möglich werden, die wir bisher nur aus den vom Monopolkapital ausgeplünderten Ländern her kennen. Sowohl hinsichtlich der gesellschaftlichen Brutalität als auch der revolutionären Möglichkeiten, weil die Menschen auf der Suche nach neuen Möglichkeiten und Veränderungen sind, weil sie sehen, daß das so nicht weiter gehen kann. Der faschistische Terror, der anfänglich vielleicht nur den nicht-deutschen Teil der hier lebenden Bevölkerung angriff, dehnt sich nachweislich aus. Der sich ausweitende faschistische Terror zielt ökonomisch auf die fürs Kapital unproduktiven Kräfte (Punks, Obdachlose, Homosexuelle, demnächst Kranke, Krüppel, etc.), er zielt politisch auf alle fortschrittlichen Kräfte, Demokratinnen, AntifaschistInnen, Revolutionäre. Sie werden mehr und mehr auch Zielscheibe des Terrors.

Der Faschismus muß, um sich als soziale und politische Macht zu etablieren, versuchen, einen Teil dieser Widersprüche, die der Kapitalismus selber nicht lösen kann, sondern immer wieder aufs neue produziert, zu unterdrücken und personell zu vernichten. Denn durch eine solche Vernichtung versucht er den sichtbaren Ausdruck eines Teils des Widerspruchs zu vernichten, der personifizierbar ist. Damit verschwindet scheinbar der Widerspruch selbst. Es wird versucht, die Unmenschlichkeit und Brutalität, die der Kapitalismus im Zeitalter des Imperialismus sichtbar anrichtet, ideologisch begründet, auf eine noch unmenschlichere und brutalere Weise zu lösen. Ökonomische und soziale Fragen in der Agitation aufzunehmen wird wichtiger denn je. Darauf zu verzichten hieße, den Faschisten genau das entscheidende Feld zu überlassen, auf daß sie erst ihre wirkliche Massenbewegung aufzubauen gezwungen sind - die Masse der arbeitenden Männer und Frauen, der Jugend überhaupt und die Masse derjenigen, die durch das kapitalistische Konkurrenz- und Profitstreben dazu verdammt sind, auf den Arbeits- und Sozialämtern und auf den Ausländerbehörden um Almosen zu betteln. Darauf eine organisierte Antwort zu finden ist die Pflicht der Revolutionäre, auch wenn sie nicht Teil einer revolutionären Organisation sind. Diese »Gruppierungen«, wie Ihr sie nennt, sind ökonomische und soziale Klassen und Schichten, auch wenn sie unterschiedlicher Nationalitäten und Geschlechts sind. Sie sind nicht nur »in erster Linie Ziel« der faschistischen Angriffe, sondern in jeder Hinsicht: propagandistisch, organisatorisch, ideologisch und auch ganz praktisch. Ich halte das Raushalten der sozialen und ökonomischen Fragen aus der antifaschistischen Politik für die zentrale Frage in der antifaschistischen Bewegung überhaupt. Nicht das Einbinden der einen oder anderen »Gruppierung« ist das zentrale Problem, sondern das Benennen der verbindenden Elemente und der Bezug auf eben alle entscheidenden Schichten dieser Gesellschaft. Das Verbindende in einer Gesellschaft können nur die sozialen und ökonomischen Dinge sein, unter denen wir leben und arbeiten müssen. Wenn eine Bewegung oder Organisation gegen diese Umstände zu kämpfen lernt und auch ein positiv formuliertes Ziel verfolgt, werden sich die »Gruppierungen«, bzw. Schichten in diesen Kampf einbeziehen lassen.

Unter Nr. 3 schreibt Ihr: »Eine bundesweite Organisierung von Antifa-Gruppen muß möglich sein, ohne bestehende Organisationsformen zu übergehen oder zu funktionalisieren«. Dieser Ansatz ist halbrichtig, weil er nur die eine Seite der widersprüchlichen Entwicklung benennt, und auch da nur die Rückwirkungstendenz auf die sich organisierenden Menschen. Ihr meint damit sehr wahrscheinlich, daß die Dinge, die gemacht werden, nicht nur als richtig empfunden, sondern auch als richtig verstanden werden müssen. Richtig in der Hinsicht, daß sie dem gemeinsamen Ziel ein Stück naher kommen. Die Sache, die ihr nicht schreibt, die allerdings sehr wichtig ist und durch das Weglassen in die Welt der Fiktionen verbannt wird, obwohl sie die Bedeutung objektiver Realität und Notwendigkeit hat, ist folgende: Die Entwicklung hin zu einer qualitativ neuen Stufe nämlich, darf zwar keine aktuelle Organisationsform übergehen, aber nur in der Weise, daß sie sie alle inhaltlich, also von ihrer Qualität her, erfaßt und kritisiert. Von der Struktur und ihrem Inhalt nach wird sie allerdings jede einzelne letztendlich überwinden und qualitativ weiterentwickeln müssen. Ein qualitativer Sprung trennt Altes von Neuem, negiert eben Bestehendes und sollte Positives weitergeben können. Anders gibt es keine Entwicklung. Ihr suggeriert, daß es eine Entwicklung in der Organisationsfom geben kann, ohne daß alte Organisationsformen überwunden werden.

In Nr. 5 schreibt Ihr: »Der Prozeß einer Organisierung und die damit verbundenen Diskussionen werden viel fruchtbarer sein, als jetzt eine Organisation durchzupeitschen«. Ich schlage vor, um auch hier ein wenig Dialektik reinzubringen, in diesem Satz das Wort »durchzupeitschen« durch »mit allen Mitteln zu verhindern zu versuchen« zu ersetzen. Der Inhalt benennt dann auch hier die zweite Seite des Widerspruchs, nämlich diejenige, die Euch in diesem Zusammenhang vorgeworfen wird. Allerdings muß ein Widerspruch eine bestimmende Tendenz, also eine bestimmende Seite und seine Entwicklungsrichtung haben. Ihr bestimmt diese Tendenz dann im zweiten Satz in ihrer konservativen Richtung. Es ist richtig, wie Ihr dort schreibt, »Kenntnis« von der »Ausgangslage« und der »Situation« der »Anderen«, wie allgemein das auch immer sein mag, zu haben. Diese Ausgangslage zu akzeptieren ist anfanglich richtig, was ja auch vor ca. zwei Jahren, oder anders ausgedrückt, zehn gemeinsamen Treffen vorher, Situation war. Falsch ist es, »die sich daraus ergebenden Positionen zu akzeptieren«. Da sich die Positionen in politischen Diskussionen an Zielen, politischen Richtlinien, Methoden und Theorien orientieren, können grundlegende unterschiedliche Positionen überhaupt nicht akzeptiert werden, weil das dazu führt, daß diese Unterschiedlichkeiten in alle Ewigkeiten festgeschrieben werden würden und jede Entwicklung blockleren. So würde sich die Praxis und die Diskussionen einer Organisation" einer Gruppe oder eines Plenums (oder um auch den autonomen Sprachgebrauch zu benutzen: Zusammenhang) sich ständig um dieselben Fragen drehen, ständig auf derselben Stufenleiter reproduziert werden.

Differenzen sollten oder müssen akzeptiert werden, sofern dasselbe Ziel verfolgt wird. Wie sollen sich aber grundsätzlich unterschiedliche Positionen gemeinsam organisieren, wenn die einen meinen, einen revolutionären Kampf führen zu müssen, davon einige meinen dies unter antiimperialistischen Vorzeichen, wieder einige unter antikapitalistischen Vorzeichen, andere meinen, über antifaschistische Politik die Erfahrungen für eine zukünftige revolutionäre Praxis entwickeln zu können und letztendlich ganz andere meinen, nur Sexismus, Rassismus und Faschismus kritisieren und abwehren zu müssen.

Wenn Positionen schon akzeptiert werden, dann müssen erstens diese Ausgangslagen und auch das Ziel bei den jeweiligen Gruppen klar sein, damit sie sich überhaupt zur Disposition stellen können, und zweitens werden sich diejenigen Positionen gemeinsam organisieren, die tendenziell dieselbe Zielsetzung haben. Alles andere wäre Idealismus. Dies besagt nicht, daß nicht andere Widersprüche mehr an Geltung gewinnen werden (sowohl innerhalb der AA-BO, als auch bei dem lockeren separaten »Bundes Antifa-Treffen«).

Es besagt allerdings, daß die zur Zeit entscheidende Frage soweit geklärt ist. Wie von Euch beschrieben wird, ist es Eurer Linie nach auch nicht verwunderlich, daß Ihr unter Nr. 8 zu dem allumfassenden ganzheitlichen Widerstandsbild kommt, frei nach dem Motto: Irgendwie sollten wir doch alle dasselbe wollen. Ihr wünscht Euch »jetzt eine Struktur, in der ohne auszugrenzen heftig gestritten werden kann«. Es gibt keine längerfristigen Debatten über grundlegende Sachen, in der heftig ohne auszugrenzen gestritten werden kann. Es sollte allerdings versucht werden, durch Überzeugungsarbeit möglichst nur Positionen und politische Strömungen auszugrenzen und keine Personen. Das funktioniert nur, wenn die anfängliche »Ausgangslage«, also die politische Position »der Anderen«, die nicht klar ist, sie sich also in einem Pool von Unklarheiten bewegen, sich mit der Zeit aufklärt. Es gibt immer den Zeitpunkt der Beschlußfassung, an dem eine bis dahin geführte Diskussion erstmal zum Abschluß kommt und erstmal ein Ergebnis festschreibt. Wenn es bezüglich der grundsätzlichen Vorstellungen keine Einigung gibt, bleibt einer jeweiligen Seite überlassen, das Feld der Auseinandersetzungen zu verlassen.

Auf Zeiten der Diskussionen müssen Zeiten der Praxis folgen, um die Dinge, die entschieden wurden, zu überprüfen. Das, was sich auf dem BO-Treffen im Februar 1993 abgetrennt hat, ist eine relative Zahl an Gruppen und Einzelpersonen. Sie haben sich wegen grundsätzlichen Unterschiedlichkeiten getrennt, weil es auch hier zur Zeit zwei unvereinbare Linien gibt, die sich gegenseitig blockieren. Die eine Linie, diejenigen, die in der AA-BO organisiert sind, vertreten die Meinung, daß ein organisatorischer Rahmen überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet, auf gesamtgesellschaftlicher Ebene organisiert Kämpfe zu führen, um eine längerfristige politische Bedeutung zu gewinnen. Die aus der AA-BO ausgetretenen Gruppen decken sich meines Erachtens mit den von Euch verfaßten Ansichten, nämlich daß »die Organisierungsbestrebungen im Weiterentwickeln einer bundesweiten Diskussion und Vernetzung« liegen, was natürlich m.E. keine Weiterentwicklung vorhandener Strukturen darstellt, sondern das Reproduzieren eben genau derselben Struktur darstellt - der Struktur des Denkens und Handels in autonomen und separaten Zusammenhängen.

Bliebe noch die Entwicklung revolutionärer Perspektiven, also Perspektiven, die eine grundsätzliche Gesellschaftsveränderung verfolgen. Ihr verneint nicht nur zwischen den Zeilen, sondern in der Nr. 10 ausdrücklich, daß die »Organisierung von Antifa-Gruppen (..) nicht die Entwicklung revolutionärer Perspektiven leisten« kann. Antifaarbeit ist natürlich nicht gleichzusetzen mit revolutionärer Theorie und Praxis. Wenn aber Antifaschismus nicht dienlich ist, um eine »Entwicklung revolutionärer Perspektiven« zu leisten, was ja sehr breit gefächert ist, wessen soll er dann dienlich sein? Soll er der Modernisierung oder Reformierung der bürgerlichen Demokratie und des Kapitalismus dienen? Soll Antifaschismus dazu dienlich sein, die Jugendlichen über den Kampf, beispielsweise gegen den Rassismus in den deutschen Schulbüchern davon abzuhalten, das Schulsystem als Ganzes, in seiner Funktion fürs Kapital in Frage zu stellen und letztendlich auch davon abhalten, dieses zu bekämpfen? Soll der Antifaschismus dazu dienen, »Brüderlichkeit und Recht und Freiheit« zu verteidigen, was ja immer das Recht und die Freiheit des Kapitals ist? Soll der Antifaschismus lediglich dazu dienen, Menschen kritisch zu machen?

Es sei dahingestellt, ob sich eine antifaschistische Bewegung oder eine antifaschistische Organisation zu einer revolutionären Organisation verwandeln kann oder die revolutionären Kräfte ihre eigenständige Struktur oder Organisation entwickeln müssen. Aber die Entwicklung revolutionärer Perspektiven nicht nur zu verneinen, sondern auch ausdrücklich in der politischen Arbeit auszuschließen und somit die historische Notwendigkeit einer revolutionären Veränderung zur Disposition zu stellen, ist eine grundlegende Einstellung der mit dem sich sicher fühlenden Kleinbürgertum sympathisierenden Intelligenz. Es ist die Einstellung derer, die meinen, nur weil es in der Geschichte viele Niederlagen gegeben hat, sich zurücklehnen zu können, um kritisch das Weltgeschehen zu betrachten. Revolution ist nötig und gerechtfertigt. Dies sollten wir nicht aus den Augen verlieren, Genossen und Genossinnen. In diesem Sinne: »Wie soll man die Wahrheit über den Faschismus sagen, als dessen Gegner man sich bezeichnet, wenn man nichts Ober den Kapitalismus sagen will, der ihn erzeugt? Wie könnte eine solche Wahrheit ein praktisches Vermögen haben?« (Bertolt Brecht)