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Wie kriminell ist die NPD?

Einleitung

Immer wieder versucht die NPD/JN, ihr Image als legale Wahlpartei aufzupolieren. NPD-Führungskader wie Udo Voigt leugnen jegliche Verwicklungen von NPD/JN-Mitgliedern in gewalttätige Neonaziaktivitäten. Andererseits unternimmt die NPD momentan aber alles, um das Klientel der militanten Neonaziszene und gewalttätige Neonazi-Skinheads in die NPD-Strukturen einzubinden. Da ist es kaum verwunderlich, daß die Lippenbekenntnisse der NPD'ler zu Gewaltfreiheit und ihr ständiges Gejammer, lediglich »Opfer« antifaschistischer und/oder staatlicher Gewalt zu sein, nichts als hohle Phrasen sind.

Bild: Faksimile VS Bericht

Ein Waffenlager von NPD-Funktionären der "Gruppe Hengst".

Vom NPD "Ordnerdienst" zur "Wehrsportgruppe"

Schon 1968 hatte die NPD eine als "Ordnerdienst" (OD) bezeichnete parteiinterne Schlägertruppe aufgebaut. Das erste Mal sorgte der "Ordnerdienst" bundesweit für Schlagzeilen, als einige seiner Mitglieder im Juli 1969 in Frankfurt anläßlich einer NPD-Wahlkampfveranstaltung mit Schlagstöcken und Elektrostäben auf antifaschistische Demonstrantinnen einprügelten. Einen Monat später verletzte der damalige "Ordnerdienst"-Bundesbeauftragte Klaus Kolley nach einer Demonstration in Kassel zwei jugendliche Antifaschistinnen durch Schüsse. 1 Um einem drohenden Verbot zuvorzukommen, löste die NPD den "Ordnerdienst" formal auf. Fast der selbe Personenkreis baute dann einen "Organisationsdienst" (OD) auf, dessen Anhänger in sogenannten "Aktiv-Gruppen" weiterhin ihre z.T. kriminellen Aktivitäten wie "Wehrsport", Angriffe auf AntifaschistInnen und Presse und Waffenschmuggel fortsetzten.  Die Schnittstellen zu den diversen neonazistischen Terrorgruppen der siebziger und achtziger Jahre bildeten sich auch in diesen Netzwerken.

1969 entstand in Nordrhein-Westfalen (NRW) aus den Kreisen des früheren NPD-"Ordnerdienstes" die »Europäische Befreiungsfront« (EBF), die Anschläge mit Schußwaffen plante. Zu ihren Gründungsvätern gehörten die NPD-Kadern Helmut Blatzheim und Hartwig Neumann. Bei Razzien waren eine Maschinenpistole, mehrere Gewehre und 18 Handfeuerwaffen sichergestellt worden, dazu interne Unterlagen und Anschlagspläne.1

Erinnert sei hier auch an den NPD-Ortsbereichsleiter in München-Fürstenried, Otto Herzinger, der zusammen mit dem damaligen NPD-Ordner Günter Duhse 1970 wegen Waffenschmuggels festgenommen wurde. Es folgten Festnahmen Duhses nach Schießereien 1977 und 1978.2 Günther Duhse geriet vor zwei Jahren in die Schlagzeilen, da er angeklagt worden war, 1970 zusammen mit Manfred Gehrmann an der Westberliner Grenze auf DDR-Soldaten geschossen zu haben.3

Erinnert sei auch an die "Gruppe Hengst" aus NRW. Bernd Hengst aus Bad Godesberg wurde 1967 NPD-Mitglied. Anfang Oktober 1968 schoss er mit einem automatischen Kleinkalibergewehr auf das DKP-Büro in Bonn. 1971 geriet er in eine "Verkehrskontrolle" und die Polizei fand in seinem Auto eine Maschinenpistole. Hengst war Mitglied einer "Wehrsportgruppe", die sich hauptsächlich aus den Mitgliedern des NPD-Kreisverbandes Rhein-Sieg und dem dortigen NPD-"Ordnerdienst" rekrutierte und Anschläge plante.1   Hengst Beifahrer und Parteifreund war damals Rüdiger Krauss - Vorsitzender der NPD-Studentengruppe "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB). Zur Gruppe zählte auch der damalige Vorsitzender der NPD im Rhein-Sieg-Kreis Werner Wolf, sein Stellvertreter Klaus Maurer und der dortige NPD-Geschäftsführer Joachim Sehl. Treffpunkt der Gruppe war ein Gelände der NPD-Anhänger Mathias Bläser und Franz Dietrich Bläser in Römlinghoven bei Beuel.4 Nach Hausdurchsuchungen bei der Gruppe fand die Polizei 18 Gewehre, 12 Pistolen und zahlreiche Munition.

Wer erinnert sich heute noch an Viktor Richard Gislo ? Der NPD-Funktionär hatte zwar keine Waffen eingesetzt aber griff 1971 in München den damaligen Bundekanzler mit Schlägen an.

Terror mit NPD background

Darüber hinaus gab es in den siebziger und achtziger Jahren immer wieder personelle und politische Verflechtungen zwischen der NPD und militanten Neonazischlägern und Neonazi-Terrorgruppen. Bundesweit traten eine Reihe von NPD-Mitglieder und Sympathisanten in Erscheinung, die später als Kader militanter Neonaziorganisationen für Neonazigewalt mitverantwortlich waren.

Dazu gehören unter anderem der Neonazi-Terrorist Peter Naumann, der vor einigen Jahren stellvertretender JN-Bundesvorsitzender und stellvertretender Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Wiesbaden gewesen war. Der Diplom-Chemiker gilt ab 1974 in der Szene als eine Art »Spezialist« für "Sprengstoff", nachdem er sich einen Teil seiner Hand wegsprengte und ein Feuerwerker ums Leben kam, der einen seiner Sprengkörper entschärfen wollte. Sprengstoffanschläge, wie beispielsweise 1978 auf antifaschistische Denkmäler bei Rom und auf zwei Fernsehsendemasten gingen auf ihn zurück. 1981 wurde in einem Waffendepot in der Lüneburger Heide mit 150kg Sprengstoff, Panzerfäusten und Munition ein Fingerabdruck Naumanns gefunden. Bei einem Prozeß wurde Naumann 1988 u.a. wegen drei Sprengstoffanschlägen zu vier Jahren Haft verurteilt. Kaum aus der Haft entlassen, baute er erneut Bomben. Bei einer Hausdurchsuchung 1995 wurden in seiner Wohnungen in Wiesbaden und Frielendorf zwei Rohrbomben gefunden. Im August 1996 trat Naumann dann die Flucht nach vorne an und übergab 13 Waffendepots und Sprengstoff an die Polizei. Gleichzeitig verbreitete er eine »Erklärung zur kämpferischen Gewaltfreiheit« und warf den staatlichen Geheimdiensten vor, die rechte Szene »zu einem Kampf provozieren« zu wollen, «der von Anfang an darauf angelegt ist, daß wir ihn verlieren5

Auch der Vertrieb der "Kleinkriegsanleitung" für angehende Rechtsterroristen namens "Werwolf-Winke für Jagdeinheiten" geht wohl auf einen früheren NPDler zurück. Als Autor der Anleitung gilt der SS-Hauptsturmführer und SS-"Bandenbekämpfer" Arthur Ehrhardt. Er brachte die Publikation 1970 als Sonderdruck seines (Neo)Nazi-Heftes "Nation Europa" auf den Markt. Hinter einer "2. Auflage" (1989) soll laut Bibliotheks-Archiven6 Karl-Heinz Dissberger (Düsseldorf) stehen, der 1975 für die NPD bei den NRW-Landtagswahlen kandidierte. 1980 wurden bei Dissberger Pistolen, Munition und Handgranaten beschlagnahmt. Der Geschäftsführer des "Barett-Verlag" in Solingen war 1995 als Veranstalter der Polizei- und Militärmesse Copex durch die Medien gegangen.7

Straßengewalt im Schatten der NPD

Nicht vergessen werden sollte auch die direkte Beteiligung von NPD-Kadern an der Welle von Brandanschlägen gegen Flüchtlingswohnheime Anfang der neunziger Jahre. Bekanntestes Beispiel: Der stellvertretende NPD-Vorsitzende von Schleswig-Holstein, der heute 70jährige Heinrich Förster, wurde im April 1995 als Drahtzieher eines Anschlags auf ein Flüchtlingswohnheim in Bahlen bei Boitzenburg (Mecklenburg- Vorpommern) wegen versuchten Mordes zu vier Jahren Haft verurteilt. Förster hatte eine Gruppe von 30 rechten Jugendlichen und Neonaziskins zu dem Angriff auf die Flüchtlinge angestiftet. Als weiterer Hauptverantwortlicher für den Angriff wurde der NPD-Vorsitzende des Kreises Hagenow, der heute 31 jährige Rüdiger Klasen, zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Klasen war von Förster als Verantwortlicher für den NPD-Aufbau in Mecklenburg Vorpommern bestimmt worden und soll von Förster Geld für den Angriff erhalten haben.

Förster wohnte in Mölln und hatte politische Kontakte zu Michael Peters, einem der rassistischen Attentäter von Mölln. Beide waren nach Angaben der Schweringer Staatsanwaltschaft im NPD-Kreisvorstand Lauenburg tätig.8 Andere Quellen berichteten, das Peters zwei Jahre Mitglied der NPD gewesen sei oder das er 1992 beim Wahlkampf in Schleswig-Holstein geholfen habe Plakate für die NPD zu kleben.

Und heute?

Ein Blick auf den Passauer NPD-Bundeswahlkongreß macht deutlich, daß die NPD nach wie vor engste Beziehungen zu den Aktivisten und Vordenkern des Naziterrorismus pflegt: Denn der us-amerikanische Neonazi und Chef der "National Alliance ", William L. Pierce sollte eigentlich in Passau als Redner auftreten, wurde zwar vom Staatsschutz daran gehindert, war aber trotzdem vor Ort. Seine Biografie und seine Veröffentlichungen stehen vor allem für eines: Die offensive Propagierung rassistischen und neofaschistischen Terrors. Pierce ist Autor des Buches "The Turner Diaries" („Die Turner-Tagebücher“), die er 1978 unter dem Pseudonym Andrew Macdonald in den USA veröffentlichte. Seitdem wurde das Buch, in dem im Science-Fiction-Stil der »Rassenkrieg« einer fiktiven Naziterrorgruppe geschildert wird, weltweit rund 200.000 Mal verkauft. Die »Turner Tagebücher« lesen sich nicht nur wie eine Anleitung zum neonazistischen Guerillakrieg: Die darin enthaltenen Bastelanleitungen zum Bombenbau, das Ausspähen und Töten potentieller »Gegner« werden auch nicht nur von us-amerikanischen Neonazis buchstabengetreu in die Tat umgesetzt. So wurde beispielsweise der Sprengsatz, der 1995 in Oklahoma City 168 Menschen tötete, aus den gleichen Bestandteilen zusammengebastelt wie die fiktive Bombe, mit der die Terroristen in den "Turner Tagebüchern" gegen Bürogebäude der US-Bundesregierung vorgehen. Dort heißt es: »Mein Tagewerk begann gestern kurz vor 5 Uhr morgens, als ich Ed Sanders in der Garage von Einheit 8 half, Heizöl mit dem Ammoniumnitrat-Dünger zu mischen. (...) Da wir nur zweieinhalb Tonnen Sprengstoff hatten, brauchten wir keinen großen Lkw. Deswegen beschlossen wir, den kleinen Lieferwagen einer Schreibwarenfirma zu klauen. Als der Fahrer - ein Neger - die Hintertür öffnete und hineinkletterte, sprang Henry ihm hinterher und beseitigte ihn schnell und lautlos mit seinem Messer. (...) Wenn wir das System nicht zerstören, wenn wir diesen Krebs nicht aus unserem Fleisch herausschneiden, dann wird unsere ganze Rasse sterben.«9 Dieses Konzept wurde von der US-amerikanischen Terrorgruppe "The Order" umgesetzt. "The Order" beging 1983 und 1984 Banküberfälle, einen Sprengstoffanschlag und einen antisemitischen Mord. Der 65jährige Pierce lebt heute auf einem abgelegenen, militärisch gesicherten Camp in West Virginia. Er betätigt sich als Waffenhändler und zieht im Hintergrund die Fäden für die "National Alliance", die Kaderschmiede für die gesamte us-amerikanischen Neonaziterrorszene. Darüber hinaus betreibt Pierce einen weltweiten Propagandaversand. Er gilt neben Louis Beam von den "Aryan Nations" als einer der Vordenker des Konzepts des »führerlosen Widerstands«, das seit Anfang der neunziger Jahre auch in Deutschland Anhänger gefunden hat.

Eine Rede von Manfred Roeder in Passau störte hingegen keine Staatsschützer. Roeder gründete 1980 die Neonazi-Terrorgruppe „Deutsche Aktionsgruppen“, die diverse Anschläge beging. Beim einem Brandanschlag auf eine Hamburger Asylunterkunft starben zwei Flüchtlinge aus Vietnam. Roeder wurde wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt woren, mittlerweile aber wegen guter Sozialprognosen frühzeitig entlassen.

Gewalttätig gegen GegnerInnen

Ein weiteres aktuelles Beispiel für die direkte Beteiligung von NPD-Mitgliedern und Kadern an gewalttätigen Aktionen kommt aus Sachsen. Nach einer NPD-Veranstaltung am 31. Januar 1998 in Weißwasser hatten acht Neonaziskins unter »Sieg Heil«-Rufen die Wohnung von zwei linken Jugendlichen überfallen. Sie schlugen die beiden brutal zusammen und zerstörten die Wohnungseinrichtung. Bei der Durchsuchung der Wohnungen der acht Angreifer aus dem ostsächsischen Rothenburg, die zwischen 17 und 34 Jahre alt sind, fand die Polizei unter anderem Baseballschläger, Totschläger, ein Würgeholz und Luftdruckpistolen sowie NPD-Mitgliedsausweise.10

Auch bei militanten "Anti-Antifa"-Aktivitäten sind Neonazi-Aktivisten aus NPD/JN-Kreisen in der jüngsten Zeit wieder aufgefallen. Mitte März überfiel Andre Werner aus Frankfurt/Oder gemeinsam mit einem anderen stadtbekannten Neonazi einen polnischen Studenten, der schon im Oktober letzten Jahres aufgrund seines antifaschistischen Engagements Opfer eines Angriffs war. Werner versuchte bereits 1996 in Frankfurt einen "Rudolf Heß" Marsch anzumelden und ist in den Kreisen der NPD-Jugend aktiv. Er gilt vor Ort als die "rechte Hand" des JN-Barden und -Kaders Jörg Hähnel. Werner hielt bei dem Überfall dem polnischen Studenten eine Gaspistole an den Kopf, während sein Mitangreifer Fotos machte. Die Beiden verabschiedeten sich mit dem Satz »Grüße von der Anti-Antifa«. Der polnische Student erstattete Anzeige und wenige Tage später wurde Werner, den die Staatsanwaltschaft als »den jungen Röhm der Bewegung« bezeichnete, in einem Schnellverfahren zu einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt. Hintergrund der Bezeichung dürfte ein Flugblatt sein, das die Polizei bei Andre Werner fand: „Wir sind wieder da/SA/und daran müsst ihr Euch gewöhnen. 1. SA-Sturm Frankfurt a.d.Oder Horst Wessel“ Ein anderes Dokument zeigte ein Sturmgewehr und ein Hakenkreuz und die Parole: „Klagt nicht an – richtet! Das Wort tritt in den Hintergrund, es entscheidet die Tat!“. Bei der Beweislage konnte auch bekannte Berliner Szeneanwalt Aribert Streubel wenig ausrichten. 11 Sicherlich lassen sich noch Weitere Beispiele von NPD/JN-Aktivisten finden, die direkt an Angriffen auf Migrantinnen, Flüchtlinge, Antifaschistinnen und Punks beteiligt waren, wie z.B. der damalige NPD-Aktivisten aus Geinhausen, der im Mai 1994 wegen eines Angriffs auf einen Punk zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde.

Blutige Zukunft ?

Manfred Roeder verkündete laut Berichten aus NPD-Kreisen auf dem NPD-Bundesparteitag im Januar 1998 in Stavenhagen unter dem Beifall der ca. 300 Anwesenden ohne Scheu: "Ohne Opfer und ohne Blut gibt es kein neues Deutschland." Passend dazu soll hier auch Heinrich Förster trotz -bzw. vielleicht sogar wegen - seiner kriminellen Vorgeschichte mit großem Jubel begrüßt worden sein. Spätestens hier dürfte jedem anwesendem Partei-Mitglied klar geworden sein, wo die Reise hingehen soll: (Geduldeter) Terror gegen alle, die nicht in das neofaschistische Weltbild passen.

  • 1 a b c Vgl. »Wie kriminell ist die NPD? Analyse, Dokumente, Namen«, buntbuch, Hamburg 1980, S. 37 f.
  • 2Vgl. taz vom 2.7.1988
  • 3Vgl. DER SPIEGEL 37/1996
  • 4Vgl. DER SPIEGEL 9/1971
  • 5Siehe Handbuch Deutscher Rechtsextremismus, Berlin 1996, S. 501 f.
  • 6DNB Frankfurt D 90/33178; DNB Leipzig 1990 A 30282
  • 7Vgl. PM der "Antifa Bonn/Rhein-Sieg" und taz vom 20. 6. 1995/22.6.1995
  • 8Vgl. u.a. Der Tagesspiegel, 30.1.1993; Neues Deutschland, 25.5.1995
  • 9Detaillierte Informationen über Pierce und die Turner Diaries in: AIB Nr. 30, Juni/Juli 1995
  • 10Vgl. AFP, DPA-Meldungen vom 19.2.1998
  • 11Vgl. u.a. Der Tagesspiegel und Berliner Zeitung vom 18.2.1998