Skip to main content

Westberlin: Kriminalisierung aktiver AntifaschistInnen

Einleitung

Es vergeht kaum eine antifaschistische Aktion mehr, ohne das AntifaschistInnen festgenommen werden. Allein um die antifaschistische Mobilisierung zum "Hitler Geburtstag" am 20. April gab es um die 90 Festnahmen. Bei allen möglichen antifaschistischen Aktivitäten wie Kundgebungen, Demonstrationen und auch einfach auf der Straße werden AntifaschistInnen kriminalisiert und im Nachgang medial diffamiert. Neonazis hingegen bekommen häufig eine Art Freibrief, werden als „verwirrte Einzeltäter“ dargestellt oder erklären einfach sie wären provoziert worden.

Ein Antifaschist wird bei Protesten gegen "Die Republikaner" verhaftet.

Die Kriminalisierung dient dazu, die Betroffenen zu vereinzeln, solidarisches Handeln zu verhindern, die Leute abzuschrecken, die antifaschistische Bewegung zu schwächen und letztendlich zu spalten. Auch unter dem rot-grünen Senat hat sich dies nicht geändert. Im Gegenteil: Festnahmen von AntifaschistInnen und die zwangsläufig folgenden Ermittlungsverfahren haben sich gehäuft.

Nur einige Beispiele: Gegen Menschen, die während der Kampagne für einen antifaschistischen Selbstschutz um den 20. April festgenommen worden sind, läuft ein Ermittlungsverfahren nach § 127 StGB - „Bildung bewaffneter Haufen“. Es gab zudem 17 Festnahmen von Leuten aus der Antifa-Iniative-Neukölln, als sie eine Versammlung der rechten Partei „Die Republikaner“ (REPs) im Rathaus stören wollten. 13 Festnahmen gab es bei der Demonstration gegen den Landesparteitag der „Republikaner“ (REPs) in den Schultheiss-Festsälen an der Hasenheide am 8. Juli 1989. Ein Besucher der Discothek "Basement" berichtete über Ermittlungen gegen ihn. Er war in der Discothek gewesen und später in der Nähe festgenommen worden, nachdem AntifaschistInnen eine Gruppe von Neonazis des „Hertha-Fan-Clubs-Endsieg“ vor dem "Basement" angegriffen hatten. Da die Polizei zu spät kam, nahmen sie anscheinend einfach ihn fest. Dem Jugendlichen wird von der Polizei nun Rädelsführerschaft vorgeworfen und er muß sich täglich auf der Wache melden.

Als sich Hooligans von Hertha-BSC und Schalke-04, unter ihnen jede Menge Neonazis, am 2. September 1989 auf dem Kurfürstendamm eine Schlacht lieferten, wurde ein Zivilpolizist schwer verletzt. Verhaftet worden ist deswegen der 27jährige Marco, der mit einer Gruppe von Freunden am Breitscheidplatz gesessen hatte. Die Gruppe, die schon rein äußerlich nach Antifas aussah, geriet zwischen die Fronten. Sie wurden mehrmals von Neonazi- Hooligans angegriffen. Zwischen den circa 250 (Neonazi-) Hooligans bewegten sich Polizisten in Zivilkleidung, teilweise ohne Kennzeichnung und bekleidet wie die Hooligans selbst. Die Verletzung des Zivilpolizisten soll nun Marco in die Schuhe geschoben werden. Er wurde mittlerweile ins Untersuchungsgefängnis nach Moabit gebracht. Seitdem sitzt er dort in Haft. Die Ermittlungen werden von der P (olitischen)-Abteilung der Staatsanwaltschaft geführt, während Ermittlungen gegen Neonazis in der Regel von der normalen Staatsanwaltschaft geführt werden.

Seit dem Amtsantritt des neuen rot-grünen Senats kommen wir in dieser Auflistung auf 122 Festnahmen von AntifaschistInnen. Dabei sind die ganzen Festnahmen bei den zahlreichen Behinderungsversuchen von REP-Veranstaltungen, bei der Ufuk Şahin Trauerdemonstration1 und anderen Aktivitäten noch nicht mit eingerechnet.

Um der Kriminalisierung, der Strategie der Spaltung und Vereinzelung entgegenzuwirken, wollen Menschen aus dem "Bündnis gegen Faschismus, Rassismus und Sexismus" eine Kampagne zur Einstellung aller Ermittlungsverfahren gegen AntifaschistInnen beginnen, um politischen Druck zu erzeugen und das Thema Repression und Knast in die antifaschistische Bewegung hineinzutragen. Um einen Überblick über das Ausmaß der Kriminalisierung zu bekommen (zurückreichend bis September/Oktober 1988), braucht es dringend Angaben von und zu Leuten, die in diesem Zeitraum bei antifaschistischen Aktivitäten festgenommen wurden oder Zeugen von Festnahmen waren.

  • 1Ufuk Şahin wurde am 12. Mai 1989 im Märkischen Viertel auf offener Strasse von einem Neonazi mit mehreren Messerstichen ermordet. Rund 7000 Menschen folgten einem Trauerzug, dabei kam es vor der Berlin-Schöneberger Eckkneipe "Bauernstube" zu Hitlergrüßen und Provokationen durch Neonazis.