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Wehrsportspiele und Hitlergruß

Ralf Leonhard (Wien)
Einleitung

In der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) tobt wieder einmal ein Machtkampf. Denn der rechtspopulistische Parteichef Heinz-Christian Strache kann nicht mit dem Rechtsideologen Ewald Stadler. Stadler, Abgeordneter zum Nationalrat und von Strache abgesetzter Chef der Freiheitlichen Parteiakademie, trat Anfang März aus, um einem drohenden Parteiausschluß zuvorzukommen. Denn ihm wird parteischädigendes Verhalten vorgeworfen.

Bild: Screenshot ORF

Das Österreichische Fernsehen veröffentlichte Fotos, die Strache bei Kampfspielen im Wald zeigen.

Er soll zu Jahresbeginn eine Anzahl von Fotos in Umlauf gebracht haben, die Parteichef Heinz-Christian Strache bei eigenartigen Kampfspielen im Wald zeigen. Bekleidet mit Uniformstücken – teils tarnfarben, teils feldgrau – posiert ein junger Mann auf Gruppenfotos mit ähnlich gewandeten Freunden. Auf einem Bild attackiert einer einen anderen mit einem Schlagstock. Mit den brisanten Erinnerungsstücken aus seiner Jugendzeit konfrontiert, wiegelte Strache im ORF-Fernsehen zunächst ab. Es habe sich um harmlose Paintball-Spiele gehandelt: »Wir haben im Army-Shop billige Kleidung gekauft. Heute zieht man bei den zig Spielstätten auch Tarnanzüge oder Overalls an.«

Paintball ist ein 1981 in den USA erfundenes Kampfspiel, bei dem sich die Gegner mit Farbpatronen beschießen. Allerdings ist auf keinem der Fotos jemand mit Farbspritzern zu sehen. Und in der österreichischen Paintball-Szene sieht man keine Ähnlichkeit zwischen den Szenen auf den Fotos und ihren Spielen. Der Einsatz von Schlagstöcken sei auf keinen Fall erlaubt. Außerdem ist Gesichtsschutz Pflicht.

Schlechte Gesellschaft

Davon ist auf den Strache-Fotos nichts zu sehen. Gegen harmlose Spiele spricht auch die Gesellschaft auf den Fotos. Mehrere der Personen, deren Gesichter auf den veröffentlichten Bildern unkenntlich gemacht wurden, sind eindeutig in der Neonazi-Szene verortet. Zumindest einer wurde später nach dem österreichischen NS-Verbotsgesetz verurteilt, nämlich Franz Radl, in dessen Adressbuch sich die Telefonnummer von Strache fand. Strache ging in seiner Darstellung der Dinge auf Distanz: »Wenn vielleicht die eine oder andere Person Jahre später auf die schiefe Bahn gekommen ist, damals waren es Personen, die unbescholten waren.«

Juristisch ist das richtig. Die Aufnahmen stammen vermutlich aus dem Jahr 1989 und wurden in einem Wald bei Ulrichsberg in Kärnten aufgenommen. Erst Jahre später, als die Medien auf Wehrübungen von Rechtsextremen in der Umgebung Wiens aufmerksam machten, schritten die Behörden ein.

Später tauchte ein weiteres Foto auf, das Strache – diesmal in der Uniform einer Studentenverbindung – mit drei zum Gruß weggestreckten Fingern zeigt. Für Eingeweihte eindeutig der »Kühnen-Gruß«. Der in Deutschland verbotene Neonazi-Gruß war das Erkennungszeichen der österreichischen Neonazi-Szene. In Österreich ist er nach der derzeitigen Rechtsprechung nicht strafbar. Strache konnte sich an nichts erinnern. Er gab die Geste zuerst als Südtiroler Widerstandsgruß aus, dann behauptete er, er hätte damals wohl drei Bier bestellt. Allerdings bekannte er sich zum Umgang mit gerichtsbekannten Rechtsextremen. 1989, mit knapp 20 Jahren, hatte er Norbert Burger kennengelernt. Der leitete die ein Jahr vorher verbotene Nationaldemokratische Partei (NDP).

Politisch will ihn Strache heute nicht beurteilen, er sei aber »ein großartiger Mann mit großem Herzen und einer absoluten Gutmütigkeit« gewesen. Heinz-Christian Strache ging jahrelang bei Burgers ein und aus, schließlich war er mit Tochter Gudrun verlobt. Norbert Burger dürfte für den Zahntechnik-Studenten eine Art Ersatzvater gewesen sein. Sein eigener Vater hatte seine Frau und seinen noch nicht dreijährigen Sohn verlassen. Der Zugang zum Hause Burger erschloss sich Strache über die schlagende Burschenschaft Vandalia, der er als Mittelschüler beigetreten war. In seiner aktiven Zeit habe er sechs Mensuren gefochten, vertraute Strache seinem Parteifreund, dem Publizisten Andreas Mölzer an, der letztes Jahr eine hymnische Biografie des freiheitlichen Shooting Stars veröffentlichte.

Aus jener Zeit um 1990 stammen die Fotos aus den Kärntner Wäldern und die Bekanntschaft mit Gottfried Küssel, der 1995 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Innenpolitisch war die Debatte bald beendet. Die Fotos wiesen keine strafbare Handlung nach, allfällige neonazistische Akte sind längst verjährt. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, SPÖ, sprach von »Jugendsünden«, entscheidend sei, wie Strache sich heute verhielte. Empört gaben sich vor allem die Spitzen der ÖVP, die jahrelang mit der FPÖ im Koalitionsbett gelegen waren und alle rechtsextremen Ausfälle ihrer Partner totzuschweigen oder schönzureden verstanden. Gusenbauer, an dessen antifaschistischer Grundhaltung nicht zu zweifeln ist, habe so milde reagiert, weil er sich die FPÖ als zukünftigen Koalitionspartner warm halten wolle, mutmaßten die Kommentatoren. Denn die große Koalition mit der ÖVP ist für keine der beteiligten Parteien die Wunschlösung.

Wer sind Strache und Stadler?

Heinz-Christian Strache, 37, übernahm die Freiheitliche Partei Österreichs, nachdem Jörg Haider im April 2005 mitsamt der damaligen FPÖ-Regierungsmannschaft aus der Partei austrat und das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) gründete. Strache, der in Rhetorik und Stil den jungen Haider kopiert, schaffte es, die heruntergewirtschaftete Partei aus dem Umfragetief zu führen. Bei den Kommunalwahlen in Wien erreichte sie im Oktober 2005 nach einem aggressiven Anti-Ausländer-Wahlkampf überraschend fast 15 Prozent.

Vor den Nationalratswahlen vom vergangenen Herbst wiederholte Strache sein Erfolgsrezept und die FPÖ blieb mit 11 Prozent nur knapp hinter den Grünen während das BZÖ mit 4,1 Prozent gerade noch die Hürde für den Einzug in den Nationalrat nahm. Außerhalb Kärntens, wo Haider als Landeshauptmann alle Register des Populismus spielen kann, spielt diese Partei praktisch keine Rolle. Einen grundlegenden Gesinnungswandel Straches seit der Zeit der Wehrsportübungen kann man aus seiner Wahlkampfrhetorik nicht erkennen. Auch sonst verkehrt er noch in einschlägigen Kreisen. So hielt er am 8. Mai 2004 am Wiener Heldenplatz die Rede zur Heldenehrung der deutschnationalen Burschenschaften.

Die Korporierten bilden auch den Kaderkern der FPÖ, vor allem jener ihrer Wiener Landesorganisation. Stadler trägt mit Stolz seine Schmisse im Gesicht, die von Mensuren mit scharfen Säbeln stammen. Straches Haut ist unversehrt, weil der gelernte Zahntechniker nur in einer Mittelschülerverbindung aktiv war, wo mit stumpfen Waffen gefochten wurde. Weniger stumpf sind seine Haßtiraden gegen Ausländer und vor allem Muslime. Mitte März gründete er den Verein »SOS Abendland«, der »vergessenes Brauchtum« wiederbeleben und vor allem Europa vor der »Islamisierung« schützen soll. Stadler, der das »wehrhafte Christentum« im Parteistatut verankern wollte und dem obskuren mittelalterlichen Mercedarier Orden angehört, macht sich nicht weniger Sorgen um das Abendland. Allerdings hält er Strache und dessen populistische Tiraden für ungeeignet zur Verteidigung der westlichen Wertegemeinschaft. Er gibt seinem Rivalen keine zwei Jahre, bis er »die Partei an die Wand fährt«.

Zur Verkürzung der politischen Karriere Straches könnte auch Stadler selbst noch beitragen. Denn der weiß von weiteren belastenden Fotos, die von der FPÖ-Führung unter Verschluß gehalten werden. Strache selbst hat nicht ausgeschlossen, daß noch photographische Dokumente seiner Vergangenheit auftauchen. Er selbst wollte nicht ausschließen, daß er darauf mit der zum Hitler-Gruß erhobenen Hand zu sehen sein könnte.

Ralf Leonhard lebt in Wien und ist Österreichkorrespondent der taz.