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Vorwärts in die Vergangenheit

Einleitung

»Wir begnügen uns nicht mit einem Dasein im Schatten unserer Mutterpartei...«, mit solch markigen Worten formulieren die Jungen Nationaldemokraten (JN), die Jugendorganisation der NPD, ihren Anspruch als so genannte »Jugendbewegung mit revolutionärer Ausrichtung«.

Die Abgrenzung tut not. In den meisten Bundesländern nur schwach aufgestellt und eher als »Kindergarten der Partei« verspottet, sucht die JN nach ihrer Rolle. Zwischen den beiden Polen »Freie Kameradschaften« einerseits und NPD andererseits ist die Luft im Lauf der Jahre dünner geworden. Deren Verhältnis – geprägt von stetig wechselnden Phasen der Annäherung und Distanzierung – ermöglicht dem rechten Nachwuchs je nach Gusto pseudoradikales Geschrei, ausdifferenzierten Lifestyle, Gewaltbereitschaft und Parteiarbeit in unterschiedlicher Dosis zu kombinieren.

Eine Organisation, die ihre Existenz nur aus dem Alter ihrer Mitglieder ableitet und diese durch »gelebte Volksgemeinschaft«, also Zeltlager, Orientierungsmärsche und Denkmäler putzen bei der Stange zu halten versucht, wird es in Zukunft schwer haben sich zu positionieren. Das scheinen auch einige Kader der freien Kameradschaften bemerkt zu haben. Die Folge: Quasi aus dem Nichts etablierte sich binnen weniger Jahre in Sachsen-Anhalt eine tragfähige JN-Struktur, die dabei ist maßgeblich die Geschicke der Bundesorganisation zu bestimmen. Wichtige Köpfe des Projektes: Michael Schäfer (Wernigerode), Philipp Valenta (Bernburg) und Matthias Gärtner (Magdeburg).

Im Jahr 2005 wechselten in Wernigerode Aktivisten der bis dahin bestehenden Kameradschaft »Wernigeröder Aktionsfront« zu den Jungen Nationaldemokraten und gründeten den ersten Stützpunkt. Bald darauf folgten Stützpunkte in Schönebeck, Sangerhausen (unter federführender Beteiligung des Rechtsrock-Unternehmers Enrico Marx), Stassfurt, Bernburg, Magdeburg, Halle und Blankenburg. Ermöglicht wurde diese Welle an Neugründungen insbesondere durch das Vorhandensein von örtlichen Kameradschaftsstrukturen und das organisatorische Knowhow des JN-Landeschefs Valenta.

Interessant ist die Frage nach der Motivation. Für die Hauptprotagonisten, teilweise Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften, bietet die parteipolitische Ochsentour, Engagement vor Ort und Funktionen in der Jugendorganisation eine konkrete Perspektive – die Etablierung in der Mutterpartei mit Aussicht auf Job, Amt oder Mandat. Bei der angespannten Personaldecke der NPD wäre diese Perspektive allerdings auch anders zu haben gewesen, jedoch mit inhaltlichen Kompromissen. Viel leichter erscheint es hingegen, eine am Boden liegende Struktur von innen heraus zu nutzen, zu radikalisieren, Aktivitäten zu entfalten und die Macht der Fakten sprechen zu lassen. Dieser Weg wurde in Sachsen-Anhalt beschritten. Neben der persönlichen spielt jedoch auch eine andere Motivation eine Rolle. Die politische Heimat von Personen wie Michael Schäfer liegt bei den freien Kameradschaften. Ihm scheint es zu gelingen die im Vergleich zur NPD radikaleren Inhalte in die neue Struktur zu überführen. Überzeugungstätern wie Schäfer scheint es dabei vor allem um Eines zu gehen – einen gesellschaftlichen Umsturz. Eine radikalisierte Partei, scheint ihm das geeignete Mittel.

Am 6. Oktober 2007 wurde in Hausneindorf bei Quedlinburg in Sachsen-Anhalt der 37. Bundeskongress der Jungen Nationaldemokraten abgehalten. Der bisherige JN-Vorsitzende Stefan Rochow trat nicht wieder zur Wahl an. Er hatte allzu glücklos agiert und vermochte es nicht das weitere Siechtum der Organisation zu stoppen. Einzig die Strukturen in Sachsen-Anhalt und Sachsen können als Erfolgsmodelle der JN gelten. Wenig überraschend also, dass der neugewählte JN-Bundesvorsitzende aus Sachsen-Anhalt stammt – Michael Schäfer. Die Macht der Fakten war erdrückend. Neben ihm zogen weitere »Kameraden« neu in den JN-Bundesvorstand ein. Norman Bordin aus München, JN-Landesvorsitzender in Bayern, war früher in der Kameradschaft Süd – Aktionsbüro Süddeutschland aktiv und gilt als Vertreter des militanten Flügels. Erik Schulze, studiert Soziologie und Geschichte in Halle und wurde zum neuen Schatzmeister gewählt. Auch Alexander Neidlein aus Baden-Württemberg gilt als kameradschaftsnah und ist in Zukunft für die Mitgliederwerbung zuständig. Der Politikstudent Matthias Gärtner ist für die Bildung der Mitglieder zuständig und ist inzwischen für den Nationalen Bildungskreis verantwortlich.

Die politische Radikalisierung der Jungen Nationaldemokraten brachte Michael Schäfer in seiner Antrittsrede auf den Punkt. Sein Konzept für die JN stehe unter dem Motto: »Hin zu altem Geist und neuer Stärke«. Ein Ausspruch, der nichts an Deutlichkeit vermissen lässt. Ob die Gesamtorganisation diesem Motto folgt, wird sich noch beweisen müssen. Der Antrag auf Umbenennung der Jungen Nationaldemokraten in Junge Nationalisten scheiterte vorerst. Gleichwohl befinden sich die ehemaligen Kameradschaftsaktivisten in der JN auf der Überholspur. In Bernburg wurde unter der Ägide des BWL-Studenten Valenta die JN-Bundesgeschäftsstelle und der Materialservice der JN, der »Frontdienst« angesiedelt. In den Monaten seit dem Bundeskongress nutzten sie zudem die neugeschaffenen Möglichkeiten für eine Reihe an Aktivitäten. Ihr zentraler Hebel – der Nationale Bildungskreis (NBK).

Die Wahl von Matthias Gärtner als NBK-Vertreter in den NPD-Bundesvorstand und das von ihm dort neu geschaffenen Amt NBK/Schulungen ermöglichen eine weitreichende Einflussnahme auf die bestehenden JN- aber auch NPD-Strukturen. Der NBK wird von Gärtner und dem neuen JN-Bundesvorstand als bundesweites Bildungsnetzwerk, Rekrutierungsstelle und Sammelbecken für angehende Akademiker verstanden. Das Ziel – die Bindung möglichen intellektuellen Potentials an die JN und damit an den inhaltlichen Kurs der ehemaligen Kameradschaftsaktivisten. Das damit im Revier des Nationalen Hochschulbundes (NHB), der NPD-Studentenvereinigung, gewildert wird, ist weniger Problem als Methode.

Besonderes Augenmerk wird darauf gelegt, die Mitglieder des NBK zu Rednern und Schreibern »auszubilden«. Einerseits um den vorhandenen Bedarf an entsprechenden Fähigkeiten insbesondere in den Landtagsfraktionen der NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zu befriedigen, andererseits um damit Einfluss auf die politische Ausrichtung der NPD zu nehmen. Um das zu verwirklichen ringt der NBK zuallererst mit der Veröffentlichung von thematischen Materialien, die den Anspruch als »Think-Tank« der NPD/JN unterfüttern sollen. Andererseits sollen damit weitere Mitglieder geworben werden. Des weiteren stehen Schulungen für NPD-, JN- und »freie« Aktivisten sowie die Publikation diverser Mitteilungsorgane auf dem Stundenplan. Langfristiges Ziel ist die Etablierung als bundesweite Struktur – ganz im Sinne der neuen JN-Doktrin.

Spannend wird es sein die weitere Entwicklung des Verhältnisses der NPD zu ihrer Jugendorganisation zu beobachten. Eine »Unterwanderung« durch Kameradschaftsaktivisten, quasi durch die kalte Küche, dürfte Udo Voigt in Zukunft so manche Sorgenfalte ins Gesicht treiben. Die NPD-Spitze wird nicht vergessen haben wie einst in Form der Revolutionären Plattform innerhalb der NPD, Kader zum Teil verbotener rechter Organisationen die Radikalisierung von innen heraus versuchten. Diese mussten Scheitern, waren sie doch nur eine Minderheit innerhalb der Gesamtpartei, die angesichts eines eingeleiteten Verbotsverfahrens wenig engagiert darin war ihre Existenz aufs Spiel zu setzen. Der Weg über die Jugendorganisation mit starker landes- und vielleicht bald bundesweiter Basis verspricht mehr Erfolg. Den für eine weitere Radikalisierung notwendigen Spagat zwischen »altem Geist« und parlamentarischer Arbeit übt zumindest Michael Schäfer ganz erfolgreich. Seit vergangenem Jahr sitzt er für die NPD-Fraktion im Kreistag des Harzkreises.