Skip to main content

Villa Courage - ein Ort der Zuflucht für Migrantinnen

Einleitung

Lange wurde von Flüchtlingsfrauen und MigrantInnen der Wunsch nach einem Zufluchtsort geäußert, an dem »ausländische Frauen« für eine vorübergehende Zeit vor sexueller Gewalt, Verfolgung, rassistischen Auseinandersetzungen und Übergriffen sicher sein könnten. Diesen Frauen bietet seit über fünf Jahren das Frauenkultur- und Flüchtlingshaus »Villa Courage« Hilfe an.

Symbolbild Christian Ditsch

Es sind Frauen, die mit deutschen Männern oder Männern derselben nationalen Herkunft verheiratet sind oder waren. Es sind Asylbewerberinnen, Arbeitsmigrantinnen und Migrantinnentöchter, also junge Frauen, die in Deutschland aufgewachsen sind. Ihr jeweiliger Aufenthaltsstatus differiert entsprechend und reicht von der unsicheren Duldung (mit drohender Abschiebung) bis zur gesicherten unbefristeten Aufenthaltsberechtigung. Für einige der Zuflucht suchenden Frauen setzen gleichzeitig mit der Trennung vom mißhandelnden Ehemann oder Vater auch staatliche Gewalt- und Verfolgungsmaßnahmen ein, da ihr Aufenthaltsstatus aufgrund des AusländerInnen-Gesetzes von dem des Mannes abhängig ist. Meistens erfahren die Frauen über SozialarbeiterInnen, FreundInnen, Nachbarn, Beratungsstellen oder Frauenhäuser von der Existenz der Villa Courage.

Die Frauen nutzen die Villa Courage, um sich in Ruhe und mit parteiischer Unterstützung über ihre weiteren Lebenspespektiven klar zu werden. Die Aufenthaltsdauer in der Villa Courage reicht von einem Tag bis zu mehreren Monaten. So entscheiden sich einige zurück in ihr Herkunftsland zu gehen, einige suchen eine Wohnung und/oder Arbeit in der Umgebung, wieder andere kehren zu ihrem Mann zurück. Oft, weil die rechtliche Unsicherheit, die mit einer Trennung/Scheidung einhergeht, einfach einen zu großen Druck für sie bedeutet. Die Frauenhäuser sind in der Regel nicht nur chronisch überfüllt, sondern bezüglich der Ausländerinnen-rechtlichen Problematik auch häufig überfordert. Da deutsche Frauenhäuser kein außergesellschaftlicher Raum sind, wurden und werden Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen dort außerdem immer wieder mit rassistischem Verhalten seitens der deutschen Mitbewohnerinnen konfrontiert.

Arbeit und Anliegen der Villa Courage

Die Villa Courage besteht seit 1992. Sie verfügt über ein großes Haus mit Garten, wo 15 Frauen und ihre Kinder untergebracht werden können. Zum Schutz der Frauen und Kinder wird die Adresse nicht öffentlich gemacht. Anlaufstelle ist ein externes Büro in Freiburg. Anfang 1997 wurde das Cafe Courage ins Leben gerufen, das jeden Freitag Nachmittag in den Räumen des Frauenzentrums in Freiburg stattfindet. Im Cafe Courage können sich MigrantInnen treffen und vieles miteinander unternehmen. So gibt es eine Literatur-, Musik- und Tonwerkstatt, außerdem bietet es jeden Freitag einen Deutschkurs an. Die Villa Courage ist ein gemeinnütziger Verein und wird seit Juni 1997 von MigrantInnen getragen. Auch die praktische Organisation des Alltags im Frauenhaus liegt in den Händen der MigrantInnen, wobei diese alle ehrenamtlich in der Villa arbeiten. Obwohl die Villa Courage eine wichtige Arbeit für MigrantInnen leistet, wird diese vom Staat nicht unterstützt. Die Finanzierung des Vereins basiert hauptsächlich auf privater Unterstützung: Spenden, zinslose Darlehen, unentgeltliche Arbeit u.a. Diese Unterstützung konnte nur mit intensiver Öffentlichkeitsarbeit aufgebaut werden. Die Villa Courage-Frauen verstehen ihr Projekt, das in dieser Form einmalig in der Bundesrepublik ist und somit auch Modellcharakter hat, als eine Maßnahme gegen den zunehmenden gesellschaftlichen und institutionellen Rassismus. Da die Notwendigkeit nach so einem Zufluchtsort immer dringlicher wurde, wollten und konnten die Frauen nicht mehr warten, bis zum Beispiel die Stadt eine entsprechende Initiative ergreifen würde, sondern nahmen den Aufbau des Projektes selbst in die Hand.

Einrichtung von Werkstätten

Im Unterschied zu staatlichen Frauenhäusern will der Verein unmittelbare Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Hierfür wurde ein Projekt im Projekt ausgedacht: »Werkstätten zur Förderung der Selbstkompetenz und Integration von alleinerziehenden Müttern und Frauen in dem Frauenkultur- und Flüchtlingshaus e.V.« Das Projekt beinhaltet eine Weiterentwicklung unserer grundlegenden Konzeption. Die Idee der Einrichtung des Projektes orientiert sich an den Alltagserfahrungen der Frauen. Viele Frauen haben ihr Überleben in ihren Herkunftsländern über Subsistenzproduktion organisiert und ihr Wissen durch Erfahrungen und Tätigkeiten im Familienrahmen erweitert. Die Frauen des Vereins wollen nun Produktionsstätten einrichten, in denen die Frauen ihre Fähigkeiten einbringen und von den Fähigkeiten der anderen lernen können. Konkret umfaßt das Projekt folgende Produktionsbereiche: Schmuckwerkstatt, Näherei, Küche, Töpferei und Garten. Damit verfolgen sie zum einen das Ziel, das Selbstwertgefühl der Frauen zu stärken. Sie wollen so aber auch die verschiedenen Kulturen in die Öffentlichkeit einbringen, z.B. über Ausstellungen mit Kunsthandwerk, Kleidung, Schmuck und Gebrauchsgegenstände in ihrem Cafe und Büro, und die Frauen auf ein späteres Berufsleben vorbereiten. Leider wurde die Realisierung dieses Projektes bisher dadurch behindert, daß ihnen die nötigen Mittel fehlen.

Schwierigkeiten und Erfahrungen

Nach fast fünf Jahren Erfahrungen in der praktischen Arbeit hat sich die aufenthaltsrechtliche Situation als größte Schwierigkeit herauskristallisiert. Vor allem sie ist es, die die Frauen in einer freien Entscheidung bzgl. ihrer weiteren Lebensperspektive einschränkt und sie viel zu oft zurück zum gewalttätigen Ehemann, Freund oder Vater zwingt. Vor allem die Regelung, die einen vierjährigen Bestand der Ehe vorraussetzt, bevor eine »ausländische« Frau ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bekommt, d.h. sich scheiden lassen kann, erweist sich in der Praxis oft als brutal und unmenschlich. Der oft vom Ehemann angedrohte Sorgerechtsentzug für das oder die gemeinsamen Kind/er stellt eine zusätzliche psychische Belastung dar. Leider zeigt eine manchmal latent oder offen rassistische Rechtssprechung, daß mit »ausländischen« Frauen verheirateten deutschen Männern wesentlich häufiger das Sorgerecht zugesprochen wird als mit deutschen Frauen verheirateten. Die Tatsache, daß die Beweislast bei familiären Gewalttätigkeiten bei der Frau liegt und die Angst, bei entsprechenden Aussagen verstärkter Verfolgung ausgesetzt zu sein, machen es den Frauen unmöglich, zu ihrem Recht zu kommen. So zum Beispiel auch, wenn es um den Anspruch auf die gemeinsame Wohnung geht. Ein großes Problem stellt außerdem das zunehmend diskriminierende und z.T. rassistische Verhalten in der deutschen Bevölkerung und bei den Behörden dar, wenn es z.B. um Arbeitsplatzsuche, Wohnungssuche und Kindergartenplätze geht. Bei Behörden werden die Frauen nicht immer über ihre Rechte aufgeklärt, auf ihre Sprachprobleme wird selten Rücksicht genommen. Sie werden häufig schlicht herablassend und demütigend behandelt. Eine Trennung setzt Stärke und Mut voraus. Obwohl die Frauen gerade in ihrer Situation darauf angewiesen wären, ermutigt und gestärkt zu werden, werden sie so oft in eine Opferrolle gezwungen.

Forderungen und Empfehlungen

Aus den geschilderten Erfahrungen und Schwierigkeiten ergeben sich die entsprechenden Forderungen und Empfehlungen. Dringend erforderlich wäre eine Gesetzesreform, die Frauen einen eigenständigen Aufenthaltsstatus sichert. Zumindest aber müßten der Kommune bzw. den AusländerInnenbehörden Ermessensspielräume zugunsten der »ausländischen« Frauen eingeräumt werden. So muß z.B. gewährleistet werden, daß die Härtefallregelung Anwendung findet, wenn die Frau von (sexistischer) Gewalt seitens eines männlichen Familienangehörigen betroffen ist. Diese Härtefallregelung sieht vor, daß die Ehe vor der Erteilung eines eigenständigen Aufenthaltsrechtes nur ein Jahr statt vier Jahre bestehen muß. Bei der Wohnraumvermittlung wie bei der Vergabe von Kindergartenplätzen hat die Stadt/Kommune ebenfalls Einflußmöglichkeiten, die bisher viel zu wenig genutzt wurden. Es wäre außerdem notwendig, Fortbildungen für städtische Bedienstete und Behördenangestellte anzubieten, in denen diese über Hintergründe, wie z.B. Fluchtursachen, aufgeklärt werden und Anstöße bekommen, Klischees und ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen und zu verändern. Für die konkrete Arbeit verlangen die Villa Courage von der Stadt Freiburg, daß unbedingt Anweisungen an die Einwohnermeldeämter, Sozialämter, Polizei, Jugendämter, Gerichte usw. erteilt werden, die Anonymität des Standortes der Villa Courage und somit des Aufenthaltsortes der Zuflucht suchenden Frauen zu deren Schutz einzuhalten. Die Erfahrungen der Villa-Courage-Mitarbeiterinnen zeigen, daß dieses oberste Prinzip eines jeden Frauenhauses oft nicht respektiert wird.