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Stuttgart: Rechte Propaganda im »Vertriebenen«-Haus der Landesregierung?

Einleitung

In den vergangenen Monaten gelangten rechte Umtriebe in mehreren (staatlich finanzierten) "Vertriebenen"-Einrichtungen ans Licht der Öffentlichkeit. Im März 1993 wurde bekannt, daß im Stuttgarter »Haus der Heimat«, einer offiziellen Einrichtung des baden-württembergischen Innenministeriums, offenbar "rechtsextremistisches Schriftgut" und einschlägige Schallplatten angeboten wurden. Dem Leiter des Hauses, dem »Egerländer«- ("Bund der Eghalanda Gmoin e.V. / Bund der Egerländer") und »Vertriebenen«-Funktionär Albert R., wurde außerdem vorgeworfen, ein extrem rechtes Flugblatt - laut taz vom 16. März 1993 ein „Hetzflugblatt gegen Asylbewerber“ - dort verteilt zu haben.

Bild: Screenshot von BdV-LV-BaWü auf facebook

Dezember 2019: Eine BdV-Jahresschlusssitzung im "Haus der Heimat".

Nach öffentlichen Protesten entzog der SPD-Landesinnenminister daraufhin dem Leiter die Befugnis über die Bibliothek. Der Vertriebenenfunktionär verschwand in den »Jahresurlaub« und wurde anschließend »krank«. Daraufhin wurde es wieder ruhig. Anfang Mai veröffentlichte die »Stuttgarter Zeitung« dann einen Brief aus dem Jahr 1986 mit offen extrem rechten Inhalt, der scheinbar die Unterschrift des Hausleiters trug. Daraufhin wurde dieser am 6. Mai vom Dienst suspendiert. Allerdings stellte sich heraus, daß der unterschriebene Brief eine Fälschung war bzw. der antisemitischen Brief nur kopiert und versandt wurde. Die Diskussion in der Lokalpresse drehte sich nun nur noch um die fragwürdige Echtheit des Briefes von 1986.

Der baden-württembergische Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder vom rechtesten Flügel der CDU, die REP-Landtagsfraktion und die »Vertriebenen«-Verbände sprachen von »Rufmord« und forderten eine »Rehabilitierung«. Die Tatsache, daß im »Haus der Heimat« mit öffentlichen Geldern offenbar (extrem) rechte Literatur verbreitet werden konnte, verschwand aus den Schlagzeilen.

Die baden-württembergische Landtagsfraktion der »Grünen« beantragte, das »Haus der Heimat« zu schließen, da es möglicherweise als »Organisationszentrale einer deutschnationalen, ja rassistischen Arbeit« fungiert habe. Damit, so die Grünen, sei auch der »Sache der Vertriebenen« nicht gedient. Die Regierungskoalition aus CDU und SPD (mit Unterstützung der ultra-rechten "Republikaner", die mit 15 Abgeordneten im Landtag sitzen) stimmte allerdings dafür, das »Haus der Heimat« weiterhin aufrecht zu erhalten. Laut Stuttgarter Zeitung warnte ein SPD-Abgeordneter vor einer »undifferenzierten Verurteilung der gesamten Arbeit, die im Haus der Heimat geleistet werde.«

Angesichts solcher Anbiederung an die Revanchisten-Verbände triumphierte die rechte Monatszeitung »Junge Freiheit« wohl nicht ganz zu Unrecht, die »Säuberungen im Südwesten« und die »Kampagne gegen die Vertriebenenverbände« seien »gescheitert«. Am 8. September wurde bekannt, daß nach monatelanger »Krankheit« der Dienst als Leiter des "Hauses der Heimat" wieder angetreten wurde. Es blieb offenbar bei einer arbeitsrechtlichen Abmahnung vom Innenministerium, weil die Flugblätter entweder eigenhändig im Haus verteilt wurden oder die Verteilung nicht unterbunden wurde.

Außerdem wurde gerügt, das LandesmitarbeiterInnen für mindestens 200 Stunden mit »Vertriebenen«-Verbandsarbeit betraut wurden. Der Hausleiter soll eingewilligt haben, sich zum 1. April 1994 auf eine andere Stelle versetzen zu lassen. "Um ein Haar wäre Albert R(...) wieder zu Amt und Würden gekommen, mit einem blauen Auge in Gestalt einer Abmahnung, die fortan die Personalakte des Leiters im Stuttgarter "Haus der Heimat" geziert hätte" schreibt die Frankfurter Rundschau.

Das SPD-Landesinnenministerium (lt. Stuttgarter Zeitung) war sich offenbar nicht zu schade, dem Hausleiter schriftlich zu bestätigen, daß er einen »Beitrag zur Versöhnung zwischen Deutschland und Osteuropa geleistet habe.« Die REP-Landtagsfraktion begrüßte dessen Wiedereinsetzung in einer Pressemitteilung.

Albert R. ist laut Verlautbarungen aus "Vertriebenen"-Netzwerken ein umtriebiger Funktionär. Er soll in der "Sudetendeutschen Jugend", der "Deutschen Jugend des Ostens" (DJO) und der "Egerland-Jugend" (EJ) -z.T. führend- aktiv gewesen sein. Später wurde er regionaler Führer der "Eghalanda Gmoin" und betrieb die "Arbeitsgemeinschaft Egerländer Kulturschaffender" (AEK). Im "Bund der Egerländer Gmoin" (BdEG) galt er als "Bundeskulturwart". In den regionalen Strukturen der "Sudetendeutschen Landsmannschaft" und des BdV war er demnach auch für den Kultur-Bereich verantwortlich.

Das Stuttgarter »Haus der Heimat« war 1976 unter dem damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten und ehemaligen Nazi-Marine Richter Hans Filbinger gegründet worden. Filbinger leitet heute das rechte »Studienzentrum Weikersheim«. Der jetzige Fraktionsvorsitzende der REPs im Stuttgarter Landtag, Rolf Schlierer, war dort früher Kuratoriumsmitglied.

Nach Recherchen des Fernsehmagazins »Report Baden-Baden« wird auch in anderen sogenannten »Vertriebenen«-Bibliotheken rechte bis extrem rechte Literatur angeboten, so zum Beispiel im »Haus des deutschen Ostens« in München (eine Behörde des bayerischen Sozialministeriums), oder in der größten deutschen »Vertriebenen«-Bibliothek in Herne (finanziert vom Bundesinnenministerium, vom NRW-Sozialministerium und von der Stadt Herne). Laut »Report« befindet sich darunter Holocaust-revisionistische und kriegsverherrlichende Literatur. Nach Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes werden derartige Bibliotheken mit Steuergeldern finanziert, um »das Kulturgut der Vertreibungsgebiete zu pflegen und zu wahren«. Inzwischen dürfte klargeworden sein, was damit in einigen Verbänden gemeint ist.