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Studienzentrum Weikersheim in Berlin

Einleitung

Als der CDU-Politiker Wolfgang Freiherr von Stetten vor zwei Jahren die Nachfolge des ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und »furchtbaren Juristen«1 Hans Filbinger als Präsident des erzkonservativen "Studienzentrums Weikersheim e.V." (SZW) übernahm 2 , kündigte er vollmundig die Kursänderung zum »liberal-konservativen« Polit-Spektrum an. Ob ihm dieses Vorhaben gelungen ist, soll hier anläßlich der Abhaltung des Jahreskongreßes in Weikersheim und der angekündigten Verlegung der Geschäftsstelle nach Berlin näher beleuchtet werden.

  • 1Hans Filbinger war im Nationalsozialismus als Marinerichter tätig. Hans Filbinger klagte mehrfach vor Gericht gegen Berichte über Todesurteile, für die er mitverantwortlich gewesen sein soll. Damit war er zum Teil erfolgreich. Die Bezeichnung Hans Filbingers als „furchtbaren Juristen“ sah ein Gericht aber durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Es wurden in NS-Gerichtsakten vier Todesurteile entdeckt, an denen Hans Filbinger beteiligt gewesen war.
  • 2Siehe AIB Nr. 42
Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F054633-0026 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA

Der SZW-Gründer Hans Filbinger (links) 1978 beim 26. Bundesparteitag der CDU in Ludwigshafen.

Unter dem Motto »Deutschland morgen - an der Schwelle zum 3. Jahrtausend« wurde vom 14.-16. Mai 1999 der 21. Jahreskongreß des "Studienzentrums Weikersheim" abgehalten. Ein Blick auf die Rednerliste läßt vermuten, daß die Veranstalter sich diesmal tatsächlich bemüht hatten, einschlägig bekannte Referenten außen vor zu lassen. Entscheidend für eine solche Veranstaltung sind jedoch deren Inhalte.

Wie so oft schon stellt man sich die bange Frage, ob das Abendland nun endgültig untergeht oder doch noch durch eine »europäische Rennaissance« gerettet werden kann. Schlagworte wie Tradition, Glaube, Werte herrschen vor. Und nach wie vor befinden sich im Präsidium der »Ideenschmiede« Namen von rechten Akteuren wie Lothar Bossle (früher Präsident des privaten Instituts für Demokratieforschung),  Klaus Hornung (ehem. Beirat der Beirat der Deutschland-Stiftung)  sowie der des Gründers und Ehrenpräsidenten Hans Filbinger. Unter dessen Führung erhielt das Studienzentrum eine Scharnierfunktion zwischen Konservativen und Ultra-Rechten. Nicht zuletzt hatte er sich dafür eingesetzt, das Kuratoriumsmitglied Rolf Schlierer (Funktionär der rechten Partei "Die Republikaner") nicht aus dem Weikersheimer »think-tank« auszuschließen. Dieser sollte vielmehr überredet werden, die REPs zu verlassen. Im Studienzenrum könne er seine politischen Ziele viel besser verfolgen, da dieses »Einfluß auf die Parteien der Mitte« nehme.

Anläßlich der Verlegung der Geschäftsstelle des Studienzentrums nach Berlin nutzte Wolfgang Freiherr von Stetten wie so oft schon die Gelegenheit zur Verteidigung seines »väterlichen Freundes« Hans Filbinger. Am 10. Mai wurde offiziell die neue Geschäftsstelle des "Studienzentrum Weikersheim e.V. Deutschland Morgen" am Pariser Platz, direkt am Brandenburger Tor, eröffnet. In den neuen Räumen, die sich im Gebäude der "Dresdner Bank" befinden, sprach Stetten von einer Verleumdung Hans Filbingers, nicht zuletzt mit Hilfe gefälschter Dokumente der Stasi. Filbinger selbst lüftete dann noch sein wohlgehütetes Geheimnis, wonach er selbst auch zum Widerstand in der NS-Zeit gehörte. Die Todesurteile während der NS-Zeit, wegen derer er als CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg zurücktreten mußte, entschuldigte er als »Verwaltungsakte«. Womit er sicherlich die Zustimmung des einen oder anderen Gastes erhielt. Der Vorsitzende des rechten "Kurt-Schumacher-Kreis" innerhalb der SPD, Hermann Kreutzer, war ebenso anwesend wie Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) und Ex-DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke (CDU). Der CDU-Rechtsausleger Heinrich Lummer bemerkte, daß die Todesurteile von damals aus ihrer Zeit erklärt werden müßten.

Damit brachte er das im Studienzentrum Weikersheim vorherrschende Geschichtsbild auf den Punkt. So verortete Stetten selbst in seiner Rede vor der etwa 50 fast-nur-Mann starken Gesellschaft die künftige Kursrichtung des Studienzentrums: man fordere Gerechtigkeit. Diese besteht nach Wolfgang Stetten darin, die Verbrechen der Gestapo und der Stasi in einem Atemzug zu nennen. Exemplarisch benennt er hierzu die Geschehnisse im Konzentrationslager Buchenwald vor und nach 1945. Nahtlos fügt sich in dieses Geschichtsverständnis der kürzlich durch Wolfgang Stetten in einer Lokalzeitung veröffentlichte Satz zum Kosovo-Krieg: »Wenn wir die Elendsbilder von Hunderttausenden sehen, sollten wir nicht vergessen, daß die größte und grausamste ethnische Säuberung und Vertreibung der Weltgeschichte nach (sie) dem Zweiten Welt-krieg begann. Damals wurden mit Billigung der westlichen Demokratien 14 Millionen Deutsche aus dem Sudetenland, Schlesien, Pommern, Ostpreußen und so weiter vertrieben.«

Ein weiteres Indiz dafür, daß Stetten im rechten Netz die Fäden knüpft, findet sich im Internetauftritt des SZW. Auf der Web-Site des "Studienzentrum Weikersheim" treffen wir auf den Karlsruher Wolfgang Hanagarth, der für das "Studienzentrum Weikersheim" den Web-Auftritt gestaltet. Der entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Vorstand der »Karlsruher Freitagsgespräche« (KFG) der "Studentische Bildungsinitiative im Badnerland" (SBI) sowie seineszeichens mehrmaliger Sprecher und Senior der Studentenverbindung "Deutschen Hochschulgilde Westmark".

Hanagarth gestaltet diverse rechte Internetauftritte. Im "Rundschreiben 2-2009" der Landsmannschaft Ostpreußen - Landesgruppe NRW" trat Wolfgang Hanagarth als "Vorstand LM Schlesien KA" und "Vorstand BdV Kreisverband KA" auf, um für die Internetseite "verbrechen-an-deutschen.de" zu werben. Auf den Web-Seiten des "Studienzentrum Weikersheim", der »Karlsruher Freitagsgespräche« und der "Deutschen Hochschulgilde Westmark" finden sich unter Rubriken wie »interessante Querverweise« oder »Interessante und konservative Verweise« Links zu erzkonservativen, rechten bis hin zu neonazistischen Organisationen bzw. Medien. Verlinkt waren u.a.  die Zeitung "Ostpreußenblatt", die "Junge Landsmannschaft Ostpreußen", die rechte Zeitung "Junge Freiheit", das rechte "Friedenskomitees 2000" von Alfred Mechtersheimer, und die Neonazi-Publikation "Nation und Europa".

Die angekündigte Wandlung der Weikersheimer »Ideenschmiede« durch Wolfgang Freiherr von Stetten entpuppt sich also als pure Kosmetik. Im Zuge eines Interview mit der rechten Zeitung "Junge Freiheit" kam auch diese zu dem Schluß: „Ein Generationswechsel hat stattgefunden. Einen inhaltlichen Richtungswechsel scheint es mit dem neuen Präsidenten nicht zu geben.“