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Slowakei Rechtsaußen

Einleitung

Das Gespräch zwischen AntifaschistInnen aus Bratislava und Berlin fand im September 2007 statt.

Bild: de.wikipedia.org; Narodowe Archiwum Cyfrowe, Sygnatura: 2-12457

Jozef Tiso (rechts) bei einem Treffen mit Adolf Hitler im Oktober 1941.

Seit Juli 2006 regiert eine anti-neoliberale Drei-Parteien-Koalition Slowakei. Geführt wird diese von der sich als sozialdemokratisch verstehenden Smer (»Richtung«), der rechtsnationalen Slowakischen Nationalpartei (SNS) und der bürgerlich-nationalen Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS). Neben der staatstragenden Rechten gibt es in der Slowakei jedoch auch eine breite rechtsradikale Subkultur aus Skinheads, Hooligans und Hip-Hopern. Hauptquelle für das rechtsradikale Potential in der Slowakei ist darüber hinaus auch die Verklärung der Geschichte des Landes während des Nationalsozialismus und die Verehrung von Jozef Tiso, dem ersten Gründer eines eigenen slowakischen Staates 1939 unter der Vormundschaft von Nazi-Deutschland.

Kann man von einer Kontinuität von dem slowakischen Faschismus bis heute sprechen?

Es gibt eine politische Partei, die Slowakische Volkspartei (SLS), die erfolglose Konkurrentin der SNS. Man kann sagen, dass sie die Kontinuität zwischen der faschistischen Slowakei und heute herstellt.

Gibt es Kontakte zwischen der Neonazi-/ Hooliganszene, also der Subkultur, und der Partei?

Natürlich gibt es Kontakte. Aber viel mehr jüngere Leute betätigen sich in der Organisation Slovenská Pospolitos (SP) übersetzt die Slowakische Gemeinschaft. Sie ist ein Zentrum für politische Aktivitäten, denn die SP beteiligt sich an Kommunalwahlen. Kürzlich ist noch eine andere Organisation entstanden, die Národní Odpor (Nationaler Widerstand). Sie hat gute Beziehungen mit der gleichnamigen tschechischen Organisation.

Wie verhält sich die Altersstruktur in den Parteien?

Zuerst waren viele Jugendliche in Slovenská Pospolitos. Aber als die in den Medien auftauchten und wirklich politische Intentionen entwickelten, distanzierten sich viele Leute von ihnen. Die einstigen Sympathisanten wollten mit Politik nichts zu tun haben, und auch nicht mit dem Staat. Eine »Initiative für Redefreiheit« wurde gegründet und daraus entstand Národní Odpor.

Das heißt Národní Odpor ist eigentlich der Nachfolger der jungen Radikalen von Slovenská Pospolitos?

In Bratislava machten sie vor kurzem einen Marsch mit 200 Personen gegen Drogen. Sie haben auch ein paar Zellen in anderen Städten. Aktiv sind sie vor allem im Westen der Slowakei. In Nitra, dem Zentrum ihrer Aktivitäten in der Westslowakei, nahmen die Attacken auf alternative Jugendliche in letzter Zeit so zu, dass eine Bürgerinitiative mehr Repressionen gegen Neonazis forderte. Narodni Odpor versucht den »nationalen Widerstand« in beiden Teilen der ehemaligen CSSR zu organisieren.

Was sind Hauptthemen von Neonazis in der Slowakei?

Die öffentlichen Themen sind Drogen, Homosexualität, die ungarische Minderheit und die Roma. Ihre Angriffsziele auf der Straße sind vor allem Alternative, zum Beispiel wenn jemand ein »Palituch« trägt. In letzter Zeit sind es auch Austauschstudenten aus Afrika oder Lateinamerika.

Gibt es eine Gegenbewegung zu neonazistischen Bestrebungen?

Es gibt kleine antifaschistische Gruppen, aber die haben aus Sicherheitsgründen keinen Kontakt untereinander. Es ist wirklich gefährlich, vor allem hier in Bratislava. Die größte Gruppe ist die Antifaschistische Aktion Bratislava, entstanden vor vier Jahren. Sie ist quasi das Vorbild für andere Aktivisten, sie hat den »Monitor« gemacht und jetzt gerade die Kampagne gegen Thor Steinar. Sie hat auf der Straße Neonazis angegriffen. Das war der erste Widerstand gegen Neonazis in der Slowakei überhaupt. Es wurde jedoch immer gefährlicher. Die Neonazis wussten bald, wo die Antifas wohnen und schlugen zurück. Autos wurden angezündet und viele Menschen verletzt.

Wie hat der Staat auf diese Konfrontationen reagiert?

Die Neonazis machten keine Anzeigen. Und der Staat war nicht an den Angriffen auf Antifas interessiert. Es ist bis heute so, die Polizei reagiert nicht, wenn Neonazis jemanden angreifen. Vor zwei Jahren allerdings wurde ein junger Student von Neonazis ermordet. Der Student hatte lange Haare, er war ein Metal-Fan. Sechs verschiedene Messer wurden benutzt, eine organisierte Gruppe also. Danach gab es einen Kerzenmarsch mit circa 3000 Leuten. Es war wirklich ein großes Thema, aber nach ein paar Wochen hat man nicht mehr darüber gesprochen.

Wie ist die Situation heute im Vergleich zu vor vier Jahren?

Die Generationen haben gewechselt. Die alten Neonazis interessieren sich nun mehr für ihre Geschäfte. In drei Läden verkaufen sie Klamotten und Zubehör. Und die jungen Neonazis interessieren sich nicht so für Politik. Bei Demonstrationen anlässlich der Gründung des slowakischen faschistischen Staates waren nur 20 oder 30 Neonazis da. Heute sind Hooligans und der Fußballverein CK Slovan Bratislava angesagt. Der harte Kern seiner Fans wird von Neonazis gebildet und Neonazifans rund um den Club nehmen zu. Oft wird in der 88igsten Minute »8-8-88« skandiert und zum Hitler-Geburtstag wurde ein Transparent mit »alles gute Adi« gezeigt. Die Polizei hat nichts gemacht, die Medien haben aber über den Vorfall berichtet.

Ist die Neonaziszene denn so geschlossen oder vermischen sich da auch Subkulturen?

In einem Club namens »Randal«, der nicht offensichtlich links ist, aber von Punks besucht wird, gab es immer Stress. Auf einem Konzert tauchten plötzlich Neonazis auf. Der Besitzer von »Randal« meinte darauf, er wolle keine Antifas in seinem Club haben und hat sie rausgeschmissen.
Seitdem gibt es unter Antifa-Gruppen einen Boykott des Clubs. Auch bei Konzerten von »Zona A« kommen Neonazis. Nach einem Vorfall mit Hooligans, die auf einem Konzert »Sieg Heil« brüllten und Streit anfingen, hat die Band ein Statement geschrieben: »Zona A« sei apolitisch und auch Punk sei schon immer apolitisch gewesen.

Gibt es so etwas wie Lifestyle in dieser Szene?

Ja! Man erkennt Neonazis an Klamotten, z.B. »Eightyeight«, eine slowakische Marke, dann Thor Steinar. Oder an Stickern. Es gibt aber auch Leute die sehr schick aussehen, die teure Klamotten oder auch Hooligans, die sportliche Klamotten tragen. Das Skinheadimage geht zurück. Bomberjacke und Springerstiefel sieht man nicht mehr so viel. In Bratislava gibt es zwei Läden mit Neonazi-Stuff. Die Preise sind hoch und mit dem Geld werden politische, aber auch Hooligan-Aktionen unterstützt. In letzter Zeit wurde begonnen, auch die Hip-Hop-Szene zu sponsern. Für Hip-Hop-Battles z.B. stellen die Läden umsonst Thor Steinar und 88-Klamotten.

Thor Steinar wird also in der Hip-Hop-Szene getragen?

Ja, es ist wirklich gelungen, in diese Szene einzudringen. Die Hip-Hoper stehen drauf, es ist groß, das gefällt ihnen. Jetzt ist das Problem, Neonazis von Hip-Hopern zu unterscheiden. Thor Steinar ist schon relativ teure Kleidung. Jemand, der 60 Euro für einen Pullover ausgibt, der macht das doch bewusst, auch in der Hip-Hop-Szene. Die Szene weiß, dass sie damit auch Neonazis unterstützt, aber sie kümmern sich nicht darum. In letzter Zeit gibt es Diskussionen in Hip-Hop-Foren, wo einige Leute sagten, sie wollen Neonazis nicht unterstützen oder auf ihren Konzerten tolerieren.

Vielen Dank für das Gespräch.