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Rechte Westberliner Fans bei „Hertha Endsieg“

Einleitung

Berlin-Kreuzberg 7. Mai 1988: Eine Gruppe, größtenteils Skinheads, greift das "Blockschock" an. Es ist einer der wenigen Orte, wo noch gute Punk-, Ska- oder Heavy-Metal Konzerte in Westberlin stattfinden. Ungefähr eine dreiviertel Stunde dauert der erste Spuk, zehn Angreifer versuchen sich vergeblich mit Steinen und Flaschen am verbarrikadierten Tor, die anderen zwanzig, mit Latten und Eisenstangen bewaffnet, stehen in sicherer Entfernung, jederzeit fluchtbereit. Circa zwei Stunden später kommen einige wieder, werfen zwei Brandsätze in die Durchfahrt, einen in Richtung von Konzertbesuchern, die die Verfolgung aufgenommen haben und flüchten in zwei Autos Richtung Polizeikaserne Friesenstrasse, die zwei Minuten entfernt liegt.

Bekannt zu dem Angriff hat sich -zumindestens indirekt- der „Hertha Fan Club Endsieg“. Die Zeitung, in der sie ihr Schreiben veröffentlicht haben, heißt „Nachrichten aus der Szene“ und ist eine Publikation der Neonazipartei „Nationalistische Front“ (NF). Das verwundert wenig, da der stellvertretende NF-Chef und NF-Organisationsleiter Andreas Pohl aus der rechten Berliner Hooligan- und Skinhead-Szene stammt. Bereits im NF-Blatt "Klartext" (Nr. 16/1985) war in der Rubrik „Nachrichten aus der Szene“ unter "Berlin" von einem "festen Bündnis der Freundschaft" zwischen "SKINS und Fußballfans von Hertha BSC und Union Ost Berlin" berichtet worden. In ihrem aktuellen Text beschweren sich die Berliner über den anwachsenden antifaschistischen Widerstand. Sie wurden angeblich dort angegriffen, weil sie bei Konzerten als Neonazis aufgetreten sind oder als Neonazi-Schläger bekannt sind. Wer beschwert sich da konkret?

Unter anderen ist es Thomas K., früher bei der Wiking-Jugend aktiv, laut Augenzeugen-Berichten bei einem Überfall von Neonazi-Skinheads 1982 auf ein Punk-Konzert im „SO 36“ maßgeblich beteiligt, dann eine Zeitlang im Knast, dann 1986 beim Überfall der NF auf eine Konferenz der Jugendorganisation der SPD „Jusos“ in Gütersloh dabei, Teilnehmer der Neonazi-Kundgebung am 30. Juli 1986 am Fehrbelliner Platz gegen Flüchtlinge und jetzt wurde er von einigen Konzert-Besuchern bei der Auseinandersetzung am Eingangstor des "Blockschock" erkannt.

Oder Jan Claudius T. Er kommt aus den Kreisen der Neonazi-Skinheads der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) aus dem Raum Lübeck und „kämpft“ als Neonazi mit dunkler Hautfarbe für die „Reinhaltung der deutsche Rasse“. Er wurde von KonzertbesucherInnen dabei gesehen wie er auf der Flucht einen Brandsatz warf. Jan Claudius T. soll im September AntifaschistInnen in Lübeck vor Gericht belasten.

Weiterhin berichten die Westberliner Neonazis in ihrer Zeitung über ihr poltisches Treiben beim Fussball "beim letzten Hertha-Spiel wurde ein Kamerad festgenommen, weil er ein T-Shirt mit Keltenkreuz trug". Das Keltenkreuz wird hier hauptsächlich von der NF verwendet. Auf einem Konzert am Winterfeldplatz am 14. August 1988 rannten „Endsieg“-Anhänger, als Neonazis von KonzertbesucherInnen erkannt, vor AntifaschistInnen davon. Drei suchten Zuflucht in einer Kneipe, in die auch die AntifaschistInnen nachkamen. Dort kam es zur nächsten Auseinandersetzung.

Rechte Hertha Fans

Der „Hertha FC Endsieg“ ist kein normaler „Hooligan-Club“, sondern von Neonazis durchsetzt und wird als eine Art Schlägertruppe für deren politische Interessen benutzt. Er befindet sich damit in einer Liga wie andere rechte Hertha-Fan-Gruppen „Zyklon B“, „Wannseefront“ oder „Spree-Randale“. Als Treffpunkt rechter Hertha-Fans um "Zyklon B" soll längere Zeit die Kneipe "Kajüte" gedient haben. Im Mai 1981 erklärten die Fussballoffiziellen „Zyklon B“ bestehe aus „vorwiegend Jugendlichen“ und sei ein „harter Kern unter den Fußballbegeisterten“. Dem polizeilichen Staatsschutz war die Gruppe nicht aufgefallen. Sein stellvertretender Leiter Manfred Ganschow hält die Namenswahl folglich weniger für eine Verherrlichung von Völkermord als vielmehr für Kraftmeierei. Ganschow zum Tagesspiegel: „Wenn die sich politisch oder gar antisemitisch artikuliert hätten, würden wir die kennen.“ Das klingt kaum glaubhaft: Die Kneipe "Kajüte" in Berlin-Charlottenburg diente zeitweilig auch als Treffpunkt von Anhängern der Berliner "Aktionsfront Nationaler Sozialisten / Nationale Aktivisten" (ANS/NA) um Reinhard Golibersuch und Günter Bernburg. Laut Angaben der Ermittlungbehörden vor Gericht fand der Staatsschutz im Oktober 1986 bei Reinhard Golibersuch  neben einem Trommelrevolver auch T-Shirts mit dem Aufdruck "Zyklon B". In einer hier beschlagnahmten ANS/NA-Mitglieder-Kartei fand sich mit H. auch ein Mitarbeiter ("Zapfer") der "Kajüte".

Wer die Reportagen von Gerhard Kromschröder ("Der Stern") kennt ist ebenfalls besser informiert. In Dortmund trifft er die Berliner in der Stammkneipe der neonazistischen „Borussenfront“: „Aus Berlin ist der blonde Arne mit seinen Mannen von „Zyklon B“ gekommen. Zyklon B hieß das Gas in den Vernichtungslagern der Nazis. Jetzt gehört er zur „Spree-Randale“. An seiner grünen Kampfjacke trägt er das Abzeichen der „Jungen Nationaldemokraten“. Aus der Plastiktüte heraus verkauft er das Buch „Die Ausschwitzlüge“ (…) Klaus von den „Hertha Fröschen“ drängt sich zwischen uns, klopft Oss auf die Schulter. Die beiden kennen sich von gemeinsamen Unternehmungen – sie waren mit dabei, als über hundert Fans im November einen türkischen Laden auseinandernahmen“. Im Jahr 1982 genießen die Hertha Hooligans rund um die Gruppen „Zyklon B“ und später „Endsieg“ einen solch zweifelhaften Ruf, dass Rolf Kramell, als Sicherheitsbeauftragter zu einer ungewöhnliche Maßnahme greift. Er erlässt ein so genanntes „Blau-Weiß-Verbot“. Nur Fans, die als unbedenklich gelten, erhalten einen „Vertrauensausweis“ und dürfen sich in Vereinsfarben zu erkennen geben.