Skip to main content

Rechte Offensive in Polen

Einleitung

»Rechte an der Macht« – heißt es in der neuen Ausgabe der Zeitschrift »Nigdy Wiecej« (»Niemals Wieder«). Das seit 1994 vierteljährlich erscheinende Blatt ist die größte polnische Antifa-Zeitung. Sie ist in Zeitschriftenläden in ganz Polen zu erwerben und liefert auf einem hohen Niveau Informationen über rechtsextreme Tendenzen in der Gesellschaft. Damit bricht sie ein Tabu in einem Land, in dem es offiziell heißt: »Weil wir unter Hitler gelitten haben, kann es hier auch keine Faschisten geben.«

Bild: Screenshot youtube.com; portalprawypl

Krzysztof Kawecki in einem Interview mit Prawy TV.

»Niegdy Wiecej« berichtet über eine zunehmende Anzahl von Personen aus dem rechtsradikalen Spektrum, die nach dem Wahlsieg der konservativen Koalition von Akcja Wyborcza Solidarnosc (AWS – Wahlaktion Solidarität) bedeutende Ämter in Staat und Verwaltung übernehmen. Ein Beispiel dafür ist der Leiter des Kollegiums für Politische Beratung im polnischen Ministerium für Bildung Krzysztof Kawecki. Er ist Herausgeber der antisemitischen Zeitschrift »Prawica Narodowa« (Nationale Rechte) sowie Gründer einer Partei gleichen Namens. In einer Erklärung von Juni 1995 heißt es, »die im öffentlichen Leben agierenden Politiker« würden »vor der falschen, demokratischen Religion der ‚Menschenrechte’ niederknieen«.

Ziel ist der »Wiederaufbau der Nation Polens und die Mitgestaltung eines Neuen Heiligen Kaiserreichs Souveräner Nationalstaaten in Europa, um sich vor dem Eroberungszug fremder Zivilisationen zu schützen«. Aus dem Bildungsministerium flossen im Sommer 1998 ca. 12 Tausend Mark für das jährlich stattfindende »Treffen der Abergläubischen in Osiek«. Das Treffen wird von Wojciech Cejrowski veranstaltet, der in dem offiziellen Veranstaltungspapier gegen ein Ernstnehmen von »Waiss, Schmeiss und Zingweiss« aufrief, so seien die »wahren jüdischen Namen« von einigen Politikern. An dem mehrtägigen Volksfest für Antisemiten, Chauvinisten sowie Fremdenhasser nahm auch der Minister für EU-Integration Ryszard Czarnecki teil, der vor kurzem den italienischen Neofaschisten Gianfranco Fini (Alleanza Nazionale) zu einem Besuch nach Auschwitz eingeladen hatte.

Bei der Unterstützung, die Antisemiten derzeit von den öffentlichen Behörden bekommen, verwundert es nicht, dass der Minister für Familienwesen Kazimierz Kapera (AWS) anlässlich der Geburt des sechsmilliardensten Menschen in Indien meinte: »Wir müssen keine Angst davor haben, dass wir eines Tages die Menschen nicht ernähren können, sondern davor, dass wir von der gelben Rasse entvölkert werden und dass wir in Zukunft als Europäer und weiße Rasse nichts zu sagen haben«. Deshalb fordere er die Einberufung einer europaweiten Konferenz. Am nächsten Tag bestritt er, dass er ein Rassist sei. Seine Aussage wäre »von den Medien manipuliert« worden.

Doch in Polen sind derzeit solche – immer wieder »manipulierten« – Bekenntnisse salonfähig geworden und fester Bestandteil des Alltags, was auch die Kommentare belegen. Der Vorsitzende der AWS-Koalition und Nummer eins der kommenden Präsidentschaftswahlen Marian Krzaklewski meinte dazu: »Kapera wollte doch den Polen nur mehr Mut geben, damit die Geburtenrate steigt«. Ein anderer Parteikollege – Andrzej Szkaradek bezog mit einem zynischen Lächeln in den acht Uhr Nachrichten Stellung: »Als Strafe kann man ihm doch ein gelbes Kind zum Großziehen geben.«

Gleichzeitig gibt es eine zunehmende Zahl an Übergriffen mit rechtem Hintergrund. Im November 1999 dokumentierte die Zeitung »Nigdy Wiecej« 19 Todesfälle, die unmittelbar auf Überfälle von Nazis zurückzuführen sind. Im März diesen Jahres wurde von 30 Fällen schwerer Diskriminierung und rassistischer Gewalt gegenüber in Polen lebenden Roma berichtet. Auch aufgrund dieser Arbeit wird die Zeitung zum Ziel ständiger Attacken seitens der extremen Rechten und neuerdings auch höherrangiger Politiker. Mitglieder der Redaktion erhalten seit langem Morddrohungen und sind in Besitz von Adressenlisten von Antifaschisten, die sich innerhalb der rechten Szene im Umlauf befinden.