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NPD-Wahlantritt in NRW

Einleitung

Noch nie hat es die NPD in Nordrhein-Westfalen in den Landtag geschafft. Und auch bei den anstehenden Wahlen am 22. Mai rechnet niemand mit ihrem Einzug. Dennoch verbreitet die Partei Aufbruchstimmung, motiviert durch den Wahlerfolg in Sachsen und durch die für NRW-Verhältnisse relativ erfolgreiche Teilnahme an den Kommunalwahlen im letzten Jahr. Unterstützt wird die Kandidatur von einem Teil der »Freien Kameradschaften«.

Die »nationale Volksfront« in NRW bei einem Aufmarsch gegen den Bau einer Synagoge. links: Stephan Haase, 2.v.r. Christian Malcoci.

»Volksfront weiter gestärkt«, verkündete der NPD-Wahlkampfpressesprecher, der Bochumer Claus Cremer, in einer Pressemitteilung vom 5. Dezember. Man habe soeben auf dem Landesparteitag in Essen »den Weg für einen offensiven  Wahlkampf 2005« bereitet und hierbei auch 15 Kandidaten für die Landesliste aufgestellt. Zum Spitzenkandidaten gekürt wurde der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt, der seinen Wohnsitz offenbar aus Bayern nach Bochum verlegt hat. Auf den Plätzen 2 bis 4 folgen Stephan Haase, NPD-Landesvorsitzender, Bundesvorstandsmitglied und ehemaliger Aktivist der »Nationalistischen Front« aus Lüdenscheid, und zwei seiner Stellvertreter: Claus Cremer und der Iserlohner Timo Pradel. Vier Plätze weiter unten findet man dann mit dem ehemaligen Grevenbroicher FAP-Aktivisten Christian Malcoci den ersten Vertreter der »Freien Kameradschaften«. Der wegen Fortführung der verbotenen »Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationaler Aktivisten« (ANS/ NA) Vorbestrafte gehört bundesweit zu den erfahrensten Kadern der »Freien« und ist außerdem als Parteifunktionär der niederländischen Neonazi-Partei »Nederlandse Volksunie« (NVU) tätig. Anfang 2002 zog es ihn von Korschenbroich (Kreis Neuss) in die Niederlande, wo er am 6. März 2002 bei den dortigen Kommunalwahlen im grenznahen Kerkrade antrat und hierbei 0,84 Prozent (=183 Stimmern) erzielte. Heute gibt die NPD Düsseldorf als seinen Wohnsitz an. Platz 10 belegt »als weitere Stärkung der nationalen Volksfront« Daniela Wegener, Chefin der hochsauerländischen Neonazi-Szene und erst kürzlich zu ihrem Lebensgefährten Cremer nach Bochum-Wattenscheid verzogen.

Ein Teil der nordrhein-westfälischen »Freien« wertet diese Nominierungen als »eindeutiges Zeichen für den praktischen Aufbau einer Volksfront von Rechts«. Für den Fall, dass die NPD knapp die Fünf-Prozent-Hürde überspringt, würden die Platzierungen für einen Einzug ins Landesparlament reichen. Auf Platz 13 steht der ehemalige »Wiking Jugend«- und FAP-Funktionär Ralph Tegethoff aus Bad Honnef (Rhein-Sieg-Kreis), ein weiterer Führungskader der »Freien«, der pünktlich zur Sachsen-Wahl gemeinsam mit Thomas Wulff und Thorsten Heise der NPD beigetreten war. Tegethoff gehörte auch schon vor seinem Eintritt in die Partei zum festen Autorenstamm der NPD-Postille »Deutsche Stimme« (DS).

Apropos »Volksfront«: Ein Plätzchen blieb dann auch noch für die DVU übrig, allerdings nur der letzte. Besetzen darf ihn der DVU-Ratsherr Axel Thieme aus Dortmund. Dabei hätte doch statt der NPD eigentlich die DVU antreten sollen, so behauptet es zumindest der »Volksfront«-Verweigerer Christian Worch aus Hamburg. DVU-Chef Gerhard Frey sei aber nicht interessiert gewesen, so Worch. Schwerpunkt des NPD-Wahlkampfes dürfte Bochum werden. »Es ist uns eine besondere Freude mitzuteilen, daß es gelungen ist den Parteivorsitzenden Udo Voigt für den Wahlkreis 107 (Zentralbochum) zu gewinnen«, verkündete Cremer.

Immer häufiger traut sich die Partei seit dem Vorjahr auch in NRW mit Infoständen und Flugblattverteilaktionen auf die Straße, unterstützt von Aktivisten der »Freien Kameradschaften«. In Vorbereitung ist offenbar auch ein Aufmarsch am 1. Mai in Bochum. Am diesjährigen »Tag der deutschen Arbeit« setzt der Bundesverband der NPD angesichts des zeitnah geplanten bundesweiten Aufmarsches am 8. Mai in Berlin (»60 Jahre Befreiungslüge – Schluß mit dem Schuldkult«) auf dezentrale Veranstaltungen. Bis Mitte März angekündigt waren aber »nur« NPD-Demos in Magdeburg und Nürnberg (»Das Volk sind wir – Weg mit Hartz IV«), offenbar gibt es in Bochum noch Probleme mit der Anmeldung. Selbst die aktuelle Märzausgabe der »Deutschen Stimme« weiß die Ungewissheit der »Kameraden« nicht zu beseitigen: »Nähere Informationen erhalten Sie in der nächsten Ausgabe«... 

Störfeuer

Ein Wahlprogramm zur Landtagswahl hat die nordrhein-westfälische NPD bisher nicht veröffentlicht.1 Inhaltlich widmet sich die Partei derzeit vor allem sozialen Themen. Ergänzt wird ihre Sozialdemagogie, die an reale Probleme wie zum Beispiel den Arbeitsplatzabbau bei Opel in Bochum anknüpfen kann, durch sattsam bekannte Phrasen gegen alles »Nichtdeutsche«. »Für die NPD lauten die entscheidenden Fragen auf die Probleme in unserem Land nicht ›viel oder sehr viel Zuwanderung‹, sondern ob man die ursprünglichen Gastarbeiter in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland benötigt«, meint der Münsteraner NPD-Kandidat Dennis Dormuth, dem erst kürzlich aufgrund seiner Kandidatur vom Fußballbundesligisten Schalke 04 die Mitgliedschaft aufgekündigt worden war. Die etablierten Parteien im Landtag hätten in der Vergangenheit »eindrucksvoll bewiesen, dass sie nicht den Interessen der Deutschen in NRW, sondern nur denen der ausländischen Bevölkerung und denen der Großkapitalisten dienen«, erklärt sein »Kamerad« Markus Pohl aus dem zweiten Münsteraner Wahlkreis. Der Flair des Anti-Etablierten garniert mit einem »antikapitalistischen« und »revolutionären« Jargon, das ganze auf einer kräftigen rassistischen Grundlage serviert, soll der Partei Stimmen zuführen. »Hartz IV, Massenarbeitslosigkeit und Überfremdung haben bei den Bürgerinnen und Bürgern deutliche Spuren hinterlassen«, bilanzierte die NPD-Ortsgruppe Recklinghausen nach einem Infostand: »So konnten die Aktivisten viel Zustimmung für ihre Arbeit ernten.«

Dass dieses Maß an Zustimmung reichen wird, darf bezweifelt werden. Hinzu kommt ein überwiegend zweit- bis drittklassiges Personal sowie großteils schwache Parteistrukturen. Und auch auf die uneingeschränkte Unterstützung durch die »Freien« kann die NPD nicht bauen. Der Worch-Flügel der NRW-»Kameradschaften« hätte statt Malcoci oder Wegener lieber den Dortmunder »Kameradschaftsführer« Siegfried Borchardt (»SS-Siggi«) und den Bergheimer Axel Reitz (»Quex«) vom »Kampfbund Deutscher Sozialisten« (KDS) als Kandidaten der »Freien« auf der Landesliste gesehen, aber ersterer stellte sich erst gar nicht zur Verfügung und letzterer durfte nicht. Außerdem verlangte man einen »angemessenen Teil der Wahlkampfkostenerstattung« als Gegenleistung für eine Unterstützung der NPD. Worch zufolge sollte die NPD damit »partei-freie« Publikationen und Demonstrationen finanzieren. Wie das vonstatten gehen könnte, verriet er auch: »Dann wird ein Verein zur Förderung nationaler Politik in NRW gegründet, der mit dem Landesverband der NPD eine vertragliche Vereinbarung schließt, welchen Anteil an den notwendigen Aktivitäten im Wahlkampf der Verein übernimmt bzw. die Erledigung durch freiwillige Helfer organisiert und welcher Anteil an der Wahlkampfkostenerstattung ihm dafür als Gegenleistung zusteht.« Noch gibt es wohl keine Reaktion der NPD auf diese Forderung – und im Gegenzug keine Unterstützung. Worch: »Die ausdrücklich parteifrei bleibenden Kameraden gedenken nicht, auch nur eine einzige Unterschrift zu sammeln, solange es keine vertragliche Vereinbarung mit der Partei gibt.« Den 1. Mai wird der Worch-Flügel ohnehin nicht in NRW verbringen, sondern bei einer eigenen Demonstration in Leipzig.

Störfeuer für die NPD-Volksfront-Träume gibt es offenbar auch von anderer Seite. Der Mindener NPDler Bernard M. Renner berichtete Mitte März über ein Schreiben aus den Reihen der DVU, mit dem die Mitglieder der »Kameradschaft Weserbergland« von einer DVU-Veranstaltung mit dem NPD-Vize Holger Apfel ausgeladen wurden. Offenbar enthielt das Schreiben »Auflagen« für die Veranstaltungsteilnehmer, die sogar über polizeiliche Auflagen für Demonstrationen hinausgehen. Renner klagt: »So ist die Rede von einem Verbot von ›Springerstiefeln‹ oder ‹ähnlichem Schuhwerk‹. Weiter seien ›Glatzköpfe‹ nicht erwünscht, die Mindesthaarlänge für den Besuch der Veranstaltung soll 5 mm betragen. Bomberjacken oder sonstige ›Militärkleidung‹ ist ebenfalls unerwünscht, genau so wie ›Abzeichen‹ oder ›einschlägig bekannte Zahlen‹ wie ›18, 88 oder 192‹«.

Schwierigkeiten scheint die NPD auch beim flächendeckenden Aufstellen von KandidatInnen sowie beim Sammeln der jeweils 100 Unterstützungsunterschriften für die insgesamt 128 Wahlbezirke in NRW zu haben. Die nordrhein-westfälische Landeswahlleiterin Helga Block schloss massive Manipulationen von Unterschriftenlisten für die Wahlvorschläge der Partei nicht aus. In Voigts Bochumer Wahlkreis war eine professionelle Drückerkolonne unterwegs, die Medienberichten zufolge eine politische Umfrage vorgetäuscht habe, um an Unterstützerunterschriften zu gelangen. Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Köln erstattete der Rheinisch-Bergische Kreis, weil sich die NPD mit einer dubiosen Haustürbefragung Unterstützungsunterschriften möglicherweise erschlichen habe. Die Partei selbst wies die Vorwürfe zurück, bot den 120 Bochumern, die im Voigt-Wahlkreis unterschrieben hatten, jedoch an, die Unterschrift zurückzuziehen, »wenn sie sich getäuscht fühlen«.

Fazit

Konflikte mit einem Teil der »Freien«, Ärger über die »reaktionäre« DVU, Schwierigkeiten, alle 128 Wahlkreise mit Kandidaten bestücken zu können, Probleme beim Sammeln der Unterstützungsunterschriften, Irritationen bezüglich einer 1. Mai-Demonstration in NRW: Der nordrhein-westfälische NPD-Wahlkampf läuft unrund. Und Nordrhein-Westfalen war auch noch nie eine Hochburg der NPD. Realistisch erscheint unter diesen Voraussetzungen höchstens ein Achtungserfolg mit ein bis zwei Prozent – wobei es der NPD wichtig sein dürfte, zumindest besser abzuschneiden als die »Republikaner«, die, den Abgrenzungskurs ihres Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer und ihrer NRW-Chefin Uschi Winkelsett fortsetzend, in Konkurrenz antreten werden.
 

  • 1Redaktionsschluss des Artikels war der 14. März 2005