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NPD-Strukturen und Gegenwehr an der Saar

Antifa Saar Projekt AK
Einleitung

Die NPD als stärkster Akteur der extremen Rechten im Saarland und antifaschistische Gegenaktivitäten. Ein Regionalbericht.

Der NPD-Funktionär Peter Marx (rechts) mit dem früheren NPD-Vorsitzenden Holger Apfel (links) und dem Liedermacher Frank Rennicke.

2013 — Rechte Aufbauarbeit

Die NPD Saar, die nach wie vor die stärkste Kraft innerhalb der extremen Rechten im Saarland ist, konzentrierte ihre Aktivitäten im Jahr 2013 vorwiegend auf den Bundestagswahlkampf. Nebenher führte sie ihre „Traditionsveranstaltungen“, den politischen Aschermittwoch am 13. Februar 2013 und die „Sommeruniversität“, eine Art interne NPD-Tagung, vom 15. bis 17. August 2013 durch. Im Rahmen des Bundestagswahlkampfs liefert die NPD ein eher kümmerliches Bild. Sie ist nicht in der Lage, flächendeckend und ohne Unterstützung der Kameradschaftsszene ­­— namentlich der „Sturmdivision Saar1 “— Wahlkampf zu machen. Nicht zuletzt das dürfte der Grund für die NPD Saar sein, ihre Vorbehalte und ihre Abneigung gegenüber der als „asozial“ empfundenen Kameradschafts­szene zumindest vorläufig über Bord zu werfen. Die NPD erreicht bei der Bundestagswahl bundesweit 1,3 Prozent der Zweitstimmen. Im Saarland kann sie 1,7 Prozent der Zweistimmen für sich gewinnen und damit im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 ein Plus von 0,4 Prozent (mehr als 2000 Stimmen) verzeichnen. Nach der Bundeswahl versucht die saarländische NPD u.a. mit Hilfe von Sascha Wagner2 , der zwischenzeitlich vor seinen Kameraden aus der Pfalz ins Saarland geflüchtet ist, neue Strukturen —  auch für die Kommunal- und Europawahl im Jahr 2014 —  aufzubauen. In dieser Phase, die bis ins Jahr 2014 hineinreicht, veranstaltete die NPD in mehreren saarländischen Städten Gesprächskreise, in denen nach altem Muster Sympathisanten geworben werden sollen. Außerdem finden eine „Führungskräfteschulung“ und eine Veranstaltung zum Thema  „Umgang mit Polizei und Justiz“ statt, mit denen die NPD die Abwerbung von Aktivisten der Sturmdivision Saar komplettiert. Die Gründung einer Sektion der JN im Dezember 2013 fällt ebenfalls in diese Aufbauphase. Mit einer stärkeren Präsenz im Internet u.a. in sozialen Netzwerken versucht die NPD Saar ihre Aktionen besser als bisher zu vermarkten.

2014 — Der NPD in die braune Suppe spucken.

Die Aktivitäten der NPD bleiben jedoch nicht unbeantwortet, im Jahr 2014 kommt Gegenwind von vielen Seiten auf. Im Januar 2014 will die Bundes-NPD ihren Parteitag in Saarbrücken-Schafbrücke durchführen. Nachdem Gegenaktivitäten angekündigt werden und die Stadt den Mietvertrag wegen formeller Fehler kündigt, muss die NPD ausweichen.3 Im März 2014 wird das „Hotel Budapest“ in Saarbrücken-Fechintgen, das seit Jahren ein Rückzugsort der NPD ist, von Antifaschist_innen im Rahmen einer Spontandemo besucht.4 Der Inhaber, ein örtliches CDU-Mitglied, gerät unter Druck und seitdem finden zumindest keine öffentlichen Veranstaltungen der NPD mehr im „Hotel Budapest“ statt. Der politische Aschermittwoch der NPD am 11. März findet, offenbar weil die NPD heftige Gegenproteste fürchtet, quasi als Geheimtreffen im „Vereinshaus Köllerbach“ weit außerhalb von Saarbrücken statt. Als Reaktion auf die Veranstaltung wird noch am gleichen Tag das Wohnhaus von Peter Marx in der Birkenstraße (Saarbrücken-Schafbrücke) mit Farbe angegriffen. Das Haus dient der saarländischen NPD als Hauptquartier und der bundesweit bekannte NPD-Anwalt Peter Richter 5 , der die Partei u.a. im aktuellen Verbotsverfahren vertritt, hat seine Kanzlei im Erdgeschoss. Eine weitere als „große Wahlkampfveranstaltung“ angekündigte, Veranstaltung führt die NPD Saar mit Karl Richter am 17. April an einem unbekannten Ort durch. Währenddessen protestieren in der Saarbrücker Innenstadt über 250 Menschen unangemeldet gegen die NPD. Der Wahlkampf für die Europa- und Kommunalwahl läuft im Jahr 2014 insgesamt etwas besser als der zur Bundestagswahl, die NPD kann ihre Ergebnisse leicht verbessern. Nach der Wahl zieht Frank Franz (4,0 %) in den Stadtrat von Völklingen ein. Darüber hin­aus erre­ichte auch Thorsten Kreis für die NPD ein Man­dat im Ort­srat Völklingen. Peter Marx zieht in den Stadtrat von Saarbrücken, Peter Richter in den Regionalverband Saarbrücken und Otto Becker in den Bezirksrat Saarbrücken-West ein. Markus Mang hat den Einzug in den Stad­trat von Saar­louis mit 1,5 % ver­passt. Nachdem Peter Marx wegen der „Peniskuchenaffäre“ im April seinen Platz als Generalsekretär in der Bundes-NPD räumen muss,6 gibt er spätestens mit der Wahl von Frank Franz zum Bundesvorsitzenden der NPD im November wieder einmal den Ton in der NPD Saar an. Tatkräftige Unterstützung erhält er dabei von Jacqueline Süßdorf, die nach ihrem Reinfall mit dem Versuch der Übernahme eines Gastronomieschiffes in der Stadtmitte von Saarbrücken7 als Vorsitzende des neu gegründeten NPD-Ortsverbands Saarbrücken-West inzwischen offen für die NPD agiert. Aktuell versucht Süßdorf mit zwei neuen Gaststätten in den Saarbrücker Stadtteilen Burbach und Güdingen neue Rückzugsräume für saarländische Neonazis zu schaffen. Nachdem die NPD Saar bereits versuchte, auf plumpe Art und Weise im „Kampf gegen Straßenprostitution“ an die sog. Mitte der Gesellschaft anzuknüpfen,8 verwundert es wenig, dass auch die rassistische Mobilmachung der „HoGeSa“ für die Partei genutzt werden soll. Dazu wird mit maßgeblicher Unterstützung von NPD-Akteuren auf Facebook die Gruppierung „Saarländer gegen Salafisten (SaGeSa)“ gegründet und zu einer, von Sascha Wagner angemeldeten, Kundgebung am 22. November im saarländischen Völklingen mobilisiert. Die zu offensichtliche Instrumentalisierung durch die NPD sorgte offenbar bei einigen der etwa 200 Teilnehmer für Verstimmungen, so dass die etwa 300 Gegendemonstrant_Innen beobachten konnten wie ein Großteil der Teilnehmer, angeführt von Sascha P. („Berserker Pforzheim“), die Kundgebung nach einem Auftritt von Peter Marx am „offenen Micro“ wieder verließ. Im Anschluss daran wurde die Kundgebung abgebrochen — eine Schlappe für die NPD.

Der Polizei stinken die Linken

Dass erfolgreiche antifaschistische Aktivitäten den Repressionsapparat auf den Plan rufen, kann in der Bundesrepublik Deutsch­land fast als Grundsatz gelten und so gab es auch im Saarland in letzter Zeit verstärkte Aktivitäten der politischen Polizei. Einen Teilbereich der Repression stellt das Einleiten von Ermittlungsverfahren bei Aktionen auf der Straße dar. So zum Beispiel im Rahmen der Demonstration gegen die Mahnwache für Erich Priebke am 29. Juli 2013. Hier leitete die Polizei zahlreiche Ermittlungsverfahren nach den klassischen Repressionsparagrafen (Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, Widerstand, gefährliche Körperverletzung und Gefangenenbefreiung) gegen mehrere Antifaschist_innen ein. Die Verfahren, die alle mit einer Einstellung endeten, dienten nach heutiger Erkenntnis in erster Linie dazu einen gewalttätigen Übergriff der Polizei auf einen Gegendemonstranten zu rechtfertigen, indem ein Bild von bürgerkriegsähnlichen Zuständen gezeichnet werden sollte. Dumm für die Polizei war nur, dass der Übergriff mittels eines Videos dokumentiert und anschließend öffentlich gemacht wurde. Aus diesem Grund wurde der Polizeibeamte zwischenzeitlich erstinstanzlich zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zusätzlich muss er 2.000 Euro Schmerzensgeld an den Geschädigten zahlen. Neben der Repression im Rahmen von Gegenaktivitäten und Demonstrationen versucht der saarländische Staatsschutz aktuell auch die Outingaktivitäten der Antifa Saar/Projekt AK verstärkt strafrechtlich zu verfolgen. Dazu wurde im Mai 2014 eine Hausdurchsuchung bei einem Antifaschisten in Saarbrücken durchgeführt, die bis jetzt offenbar kein tragbares Ergebnis für die Ermittlungsbehörden hervorgebracht hat. Neben diesen Verfahren laufen im Saarland zur Zeit noch weitere Ermittlungsverfahren, auf die wir an dieser Stelle nicht eingehen können. Der Fokus antifaschistischer Arbeit wird in nächster Zeit auch darauf liegen diese Angriffe abzuwehren und die Verfahren zur Thematisierung antifaschistischer Arbeit in der Öffentlichkeit zu nutzen.