Skip to main content

Neues vom alltäglichen Irrsinn

Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck Berlin
Einleitung

Zurecht kritisierten im letzten Jahr eine Reihe von Medien wie ARD-Monitor und die Frankfurter Rundschau das Vorgehen einiger Provinzstaatsanwaltschaften gegen AntifaschistInnen. Mehrfach gingen Staatsanwälte – und ihnen teilweise folgend Amtsgerichte – gegen Personen vor, die ein Verbotsschild mit einem Hakenkreuz als Button oder Aufkleber trugen beziehungsweise gegen einen Versand, der solche Materialien verbreitete. 

Bild: attenzione-photo.com

Auch bei Protesten gegen Neonazis werden Hakenkreuz Abbildungen verwendet.

Überregional wurde über ein Strafverfahren gegen einen Tübinger Studenten wegen des Verbreitens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a StGB1 berichtet. Dieser hatte auf einer Antifa-Demonstration auf einem Rucksack einen Aufkleber mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz getragen. Den Inhaber des »Nix-Gut-Versandgeschäftes« erwischte es am 23. August 2005 noch schlimmer.

Das Amtsgericht Eiblingen ordnete die Durchsuchung des Geschäftes an und die Sicherstellung von »T-Shirts, Aufnähern, Schlüsselanhängern u.a. Gegenstände mit Hakenkreuzsymbolen«, die natürlich sämtlich durchgestrichen waren. Es wurden insgesamt Materialien im Werte von 10.000 EUR  beschlagnahmt. Das Landgericht Stuttgart verwarf die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss als unbegründet mit der Begründung, die Vorschrift des § 86a StGB diene zwar zunächst der Abwehr einer Wiederbelebung der verbotenen Organisation oder der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen.

Die Vorschrift diene »aber auch der Wahrung des politischen Friedens dadurch, dass jeglicher Anschein einer solchen Wiederbelebung sowie der Eindruck bei inländischen und ausländischen Beobachtern des politischen Geschehens in der Bundesrepublik vermieden werde, in ihr gäbe es eine rechtsstaatswidrige innenpolitische Entwicklung, die dadurch gekennzeichnet sei, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen der durch das Kennzeichen angezeigten Richtung geduldet würden. Eine bekenntnishafte Verwendung oder eine konkrete Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats setze die Strafbarkeit nicht voraus«. Nun ist in der Vorschrift des Strafgesetzbuches nur das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verboten, ein Hinweis darauf, wie schlampig das Landgericht Stuttgart gearbeitet hat.

Die Argumentation des Landgerichts dreht die gefestigte anderslautende Rechtsprechung zu § 86a StGB sowie die entsprechende Kommentierung in der Rechtswissenschaft auf den Kopf. Denn es besteht allenthalben Einigkeit darüber, dass weder das Zeigen von Karikaturen mit hakenkreuzähnlichen Abbildungen noch das ironische Verwenden eines solchen, das Verwenden von Kennzeichen als offenkundiger Warnung oder Vorwurf oder das Zeigen von SS-Runen im Namen eines politisch bekämpften Politikers, gemeint ist Franz-Josef Strauss, oder das Verwenden von Hakenkreuzen in Plakaten von demokratischen Parteien den Straftatbestand erfüllt. Nicht das Verwenden von Hakenkreuzen als solches in der Öffentlichkeit soll unter Strafe stehen, sondern das Zeigen in affirmativer Absicht oder die Verwendung in neutraler oder kommerzieller Absicht, wie zum Beispiel auf Spielzeugen.

Beißreflexe gegen Linke

Trotz des kurzen Sommers der Anständigen und einer halbherzigen Bekämpfung neonazistischer Organisationen in Deutschland funktionieren die Beißreflexe bei einigen Polizeibeamten und Provinzstaatsanwaltschaften und Gerichten gegen Linke und AntifaschistInnen immer noch sehr gut. Dies zeigen nicht nur die angeführten Beispiele der Anwendung eines gegen Neonazis gerichteten Straftatbestandes auf AntifaschistInnen. Bei vielen Demonstrationen kommt es zu Begegnungen zwischen AntifaschistInnen und Staatsmacht, die längst Legende sind. Dies muss juristisch bekämpft und politisch kritisiert werden.

Ob es allerdings nötig ist, wie von einer Autorin in den Antifa-Nachrichten von Baden-Württemberg gefordert, über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus öffentlichen Druck zu entfalten oder gar das Widerstandsrecht des Artikel 20 des Grundgesetzes in Anspruch zu nehmen, darf bezweifelt werden. Wer im öffentlichen Raum protestiert, wird leider immer wieder mit den Vertretern der Staatsmacht aneinander geraten. Dabei kommt es auch immer wieder zu skandalösem und rechtswidrigem Vorgehen von Staatsanwaltschaften bei vorläufigen Festnahmen und Durchsuchungen in den angeführten Beispielen. Wer den Arbeitsalltag von Ermittlungsrichtern und Beschwerdegerichten kennt, weiß, dass diese sich oft sehr wenig Zeit für Durchsuchungsanordnungen oder die Entscheidung über Beschwerden nehmen. Davon kann jede StrafverteidigerIn ein Liedchen singen. Diese Praxis ist nicht etwa auf AntifaschistInnen und Linke beschränkt. Allerdings befremdet es immer wieder, wenn auf unteren Ebenen der Gerichte und von Staatsanwaltschaften Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen zur Versammlungs- und Meinungsfreiheit ignoriert oder das Verhältnismäßigkeitsprinzip derart eklatant verletzt werden.

Schaden bleibt

Leider können Entscheidungen von Obergerichten, die oft Monate oder Jahre nach dem Eingriff der Staatsmacht erfolgen, den Schaden nur selten wiedergutmachen. Immerhin geht es ja auch um den Eindruck einer Demonstration oder einer Meinungsäußerung auf die Öffentlichkeit. Dieser wird natürlich mit einem Eingriff von staatlicher Seite vereitelt oder ins Gegenteil gekehrt. Das Gleichsetzen von Nationalsozialismus und Kommunismus, Extremismustheorien im Kleinen wie im Großen werden auf diese Weise beheizt. Diesen Bestrebungen gilt es ebenso entschlossen wie gelassen entgegen zu treten. Wenn das Hakenkreuzverbotsschild oft genug und von genügend Menschen gezeigt wird und diese Verwendung verteidigt wird, haben Staatsanwaltschaften und Gerichte, die diese Verwendungsform kriminalisieren wollen oder zumindest eine solche Kriminalisierung faktisch durchführen, keine Chance. 


Der Autor ist Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV).

  • 1Der Paragraph 86 a StGB stellt das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe.