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Neonazi Aufmarsch in Hamburg-Bergedorf

Einleitung

Gelang es den neonazistischen Gegnern der Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1940-44« am 6. Juni 1999 noch nicht, ihren geplanten Aufmarsch in Hamburg durchzuführen - damals mußten sie wegen eines generellen Demonstrationsverbotes nach Ludwigslust ausweichen (Vgl. AIB Nr. 48) - so wollten sie erneut am 10. Juli 1999 ihren Protest und ihren unbedingten Bezug auf die »Ehre der Wafffen-SS« in Hamburg auf die Straße bringen. Schon frühzeitig machte die Hamburger Innenbehörde klar, daß sie in der Hamburger Innenstadt den erneuten Versuch eines neonazistischen Aufmarsches oder antifaschistische Gegenaktivitäten auf gar keinen Fall zulassen würde.

Alexander von Webenau, Thomas Wulff und Udo Voigt (v.l.n.r.) beim Aufmarsch in Hamburg.

Die Hamburger Innenbehörde bot Alexander von Webenau - dem Anmelder des Aufmarsches - an, alternativ in Hamburg-Bergedorf laufen zu können. Webenaus Rechtsbeistand, der Rechtsanwalt Hans-Günther Eisenecker aus dem NPD-Parteivorstand, riet zur sofortigen Zustimmung der Ersatzroute in Bergedorf, da »ansonsten wir gar nicht marschieren werden.« Die NPD rief daraufhin nach Bergedorf auf, nicht jedoch die »Freien Nationalisten«. Deren Hamburger Vertreter Thomas Wulff hatte in der Vergangenheit zu oft vollmundig angkündigt, »in Hamburg die Straße zurückzuerobern«. So mobilisierte er seine Zusammenhänge bis in die Nacht des 09. Juli 1999 noch Richtung Hamburger Innenstadt. Erst kurz vor dem Aufmarsch machte er hier einen Rückzieher und mobilisierte ebenfalls nach Bergedorf. Der Demonstrations-Anmelder Alexander von Webenau gehört allerdings nicht zur norddeutschen Neonazi-Szene, sondern entstammt den bayerischen NPD-Strukturen. Er dürfte in seinen Funktionen als Beisitzer im NPD-Parteivorstand, Bundesvorsitzender des "Nationaldemokratischen Hochschulbund" (NHB) und stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD-Jugend ausgesucht worden seien, um einen "seriöseren" Anmelder aus NPD-Strukturen für eine Demonstration für die Aktivisten des norddeutschen Kameradschsfts-Spektrum  zu präsentieren. Durch seine Teilnahme an Rudolf-Heß-Aufmärschen (August 1996 in Augsburg und Worms) ist er anscheinend auch für das Lager der norddeutschen "Freien Nationalisten" akzeptabel. Mit Christian Worch und Thomas Wulff traten die Anführer der "Freien Nationalisten" auf der "NHB-Demonstration" als Hauptredner auf.   Zumindest Webenaus Anwalt Hans-Günther Eisenecker hat einen gewissen Hamburg-Bezug. Mitte der 1970er Jahre war er zeitweilig in den Hamburger Landesvorständen von NPD und JN tätig gewesen.

Heimspiel für Worch, Wulff und Co.

Die Demonstration sorgte schon im Vorfeld in Bergedorf für Empörung: Gerade in Hamburg-Bergedorf/Lohbrügge waren in den letzten Jahren mehrere Tausend Mark in Jugendeinrichtungen geflossen, um die dort immer schon starke rechte Szene einzudämmen und Jugendlichen Alternativen zu den organisierten rechten Straßengangs zu bieten. »Über unsere Köpfe hinweg« kritisierte die Bezirksamtsleiterin, »wurde die Demo nach Bergedorf verlegt.« Eiligst vom DGB und der Regenbogen-Fraktion, einer GAL-Abspaltung im Hamburger Senat, angemeldete Gegendemonstrationen wurden letztinstanzlich verboten, was vor allem den DGB erboste: »Zum ersten mal seit 1945 ist in Bergedorf eine Gewerkschaftsdemonstration verboten worden.« Doch die Hamburger Innenbehörde zeigte sich hart und von einem Polizeistaatsaufgebot von über 5.000 Polizisten geschützt, konnten die Neonazis ihren Marsch beginnen, während antifaschistische Gegendemonstranten schon auf der S-Bahnfahrt nach Bergedorf mit Platzverweisen bedacht wurden.

Der Neonaziaufmarsch glich allen vorangegangenen gegen die »Wehrmachtsausstellung«. Die Angabe von 600 erwarteten Teilnehmerinnen war wohl eher taktischer Natur als realistische Einschätzung. Nur etwa 80 NPD-Mitglieder unter der Leitung des Vorsitzenden Udo Voigt beteiligten sich an dem Aufmarsch, der Rest bestand aus »Freien Kameradschaften«, vor allem aus Norddeutschland. Während des dreistündigen Marsches durch die Bergedorfer Innenstadt, von einem vielköpfigen Polizeikordon geschützt, konnten nur vereinzelt AntifaschistInnen die Neonazis durch kleinere Barrikaden und Angriffe behindern, was jedoch über 80 Festnahmen nach sich zog. Zu sehr wurde deutlich, daß die Polizeiführung unter Anwesenheit des Innensenators permanente Ehrbietungen der Waffen-SS durch die Neonazis duldete, rigeros jedoch gegen Protestierende vorging. Selbst die BewohnerInnen eines Hauses an der Neonaziroute, aus deren Fenster antifaschistische Transparente hingen, wurden zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung verschleppt. So konnte Thomas Wulff denn auf der Abschlußkundgebung der Neonazis stolz über seine fast zwanzigjährige Laufbahn in der Neonazi-Szene berichten, die »nun von einer machtvollen Demonstration der sauberen, nationalen und ordentlichen Jugend in meiner Heimat Bergedorf gekrönt« wurde. Hamburger AntifaschistInnen war allerdings durchaus noch bekannt gewesen, das Thomas Wulff bereits Anfang der 1980er Jahre ein Anhänger und später eine Art "Kameradschaftsführer" der Organisation „Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten — Hamburg-Bergedorf (ANS/NA)" gewesen war.