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Neonazi-Aufmarsch gegen "Drogen" in Leipzig

Einleitung

Für den 21. März 1992 rief der Hamburger Führer der „Nationalen Liste“ Christian Worch zusammen mit dem NPD-Vorsitzenden von Thüringen, Thomas Dienel, zu einer »nationalen Offensive gegen Drogenmißbrauch« auf. Daraufhin mobilisierten Leipziger und Hallenser AntifaschistInnen zu einer Gegendemonstration unter dem Motto: »Keine Überdosis Deutschland«.

Bild: Screenshot YouTube.de/SpiegelTV

Christian Worch (links) und Kai Dalek (rechts) beim Aufmarsch.

Der Neonazi-Aufmarsch

Nur unter massivem Polizeischutz konnte eine Kundgebung und ein anschließender Aufmarsch von circa 500 Neonazis am 21. März 1992 in Leipzig durchgeführt werden. Anmelder war der Thüringer NPD-Landesvorsitzende Thomas Dienel aus Weimar, Organisator war der Leiter der „Nationalen Liste“ Christian Worch aus Hamburg und Bündnispartner war Michael Swierczek und seine „Nationale Offensive“ aus Bayern. Alle drei Neonazi-Kader waren auch als Redner der Demonstration angekündigt worden.

Die regionalen NPD-Funktionäre um Jürgen Schön trafen sich mit dem Demonstrations-Anmelder Thomas Dienel in dem Leipziger NPD Büro in der Georg-Schumann-Straße um den Ablauf durchzuplanen. Unter dem Motto »Drogendealer ins Arbeitslager« fand vor der Kundgebung eine Saalveranstaltung aus den Kreisen der „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF) in der Leipziger Handwerkskammer statt. Hier sprach u.a. Thomas Dienel vor etwa 150 Neonazis.

Anwesend bei dem Neonazi-Aufmarsch war ein Teil der GdNF-Reisekader, die als z.T. Als Ordner die bundesweiten Neonazi-Aufmärsche begleiten: Die GdNF-Gruppe aus Bielefeld um Bernd Stehmann, der Holländer Eite Homann und der Bayer Kai Dalek. Die „Deutsche Alternative“ war eher spärlich mit Arnulf Priem (Berlin) und Frank Hübner (Cottbus) vertreten. Auch die FAP war eher zurückhaltend durch ihren Leipziger Funktionär Dirk Zimmermann vor Ort.

Zur Belustigung unter PassantInnen sorgte vor dem Abmarsch folgende Szene: Der Hamburger Neonazifunktionär und spätere Redner Thomas Wulff führte seine Neonazigruppe vom Leipziger Stadion zum Aufmarschort, streng diszipliniert in Dreierreihen wurden die üblichen Parolen gerufen. Als es zu regnen begann, verstummten zuerst die Parolen, von hinten nach vorne löste sich so dann in Windeseile der Aufzug auf, bis sich Wulff alleine auf der Straße befand. Er gesellte sich schließlich zu den anderen demonstrierenden Neonazis, die sich bereits durchnässt und kleinlaut untergestellt hatten.

Als weiterer Redner trat Christian Worch auf, begleitet wurde er vom Neonazifunktionär Kai Dalek.

Die Antifa-Demonstration

Am Tag der Demonstrationen – dem internationalen Tag zur Überwindung von Rassendiskriminierung – besuchte der Direktor des Jüdischen Weltkongresses eine Ausstellungseröffnung in Leipzig. Zusätzlich gab es ein größeres Fußballspiel und ein Konzert der Musikband „Die Toten Hosen“. Das Stadtzentrum war daher aus Sicherheitsgründen an diesem Tag für jegliche politische Demonstrationen gesperrt. Die antifaschistische Demonstration sollte an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit als die Demonstration bzw. Kundgebung der Neonazis stattfinden. Diese Planung konnte auch auf der letzten Vollversammlung vor der Demonstration, am Freitagabend, nicht mehr geändert werden. Dahinter stand die Einschätzung, das eine Antifa-Demonstration gegen die aufgestellten Polizeieinheiten keine Chance hat, zum Treffpunkt der Neonazis zu gelangen. Vielmehr wurde als Konzept ausgegeben, das Gruppen jenseits der Demonstration versuchen sollten die Neonazis vom marschieren abzuhalten. Es waren jedoch am Samstag zu wenig Leute vor Ort, die diesem Konzept folgten.

Es formierte sich unter der Begleitung starker Polizeikräfte eine linke DemonstrantInnen von etwa 2.000 Leuten am Connewitzer Kreuz. Als die Demonstration an ihrem Endpunkt, dem Bayrischen Platz, angekommen war wurde sie von der Polizei aufgelöst und nach Connewitz zurückgetrieben. Die DemonstrantInnen, welche unverletzt blieben bzw. von der Polizei noch nicht eingesammelten worden waren, wurden gewaltsam vertrieben. Dabei wurden auch Wasserwerfer eingesetzt. Es wurden insgesamt 67 AntifaschistInnen festgenommen. Eine nicht bekannte Anzahl AntifaschistInnen wurde verletzt. Das Leipziger Stadtzentrum war somit bereit für die neonazistische »Anti-Drogen-Demonstration«.

Neonazi Überfälle

Abgesehen von ihrem polizeilich durchgesetzten Aufmarsch konnten die Neonazis ihre angekündigte Offensive gegen linke Strukturen in Leipzig nicht durchführen. Eine Neonazi-Clique welche sich in der Leipziger Disco „Schauspielhaus“ traf hatte angekündigt, Leipzig bis zum „Führer Geburtstag“ am 20. April „zeckenfrei“ zu machen. Leipziger AntifaschistInnen hatten sich daraufhin auf mögliche Angriffe vorbereitet. Als eine Gruppe von Neonazis ein besetztes Haus angriffen, wurde diese zurückgeschlagen und aus der Kneipe, von der aus sie den Angriff gestartet hatten, vertrieben. Das Zentrum der Leipziger Neonaziszene wurde in der Folge der Auseinandersetzungen ebenfalls attackiert.

Am darauf folgenden Wochenende rächten sich etwa 30 Neonazis aus Leipzig: Am 29. März 1992 gegen 3.00 Uhr morgens drangen die Angreifer in ein linkes Wohnprojekt in der Sternwartenstraße ein, setzten die Durchfahrt und Autos in Brand. Das Haus fing Feuer und ein Teil der Bewohner Innen flüchtete bei Schneefall über die Dachgiebel. Einige zurückgebliebene BewohnerInnen konnten gerade noch rechtzeitig von der Feuerwehr – die etwa eine Stunde benötigte - gerettet werden. Personen wurden glücklicherweise nicht verletzt. Die Leipziger Polizei weigerte sich zunächst, eine Strafanzeige der BesetzerInnen aufzunehmen und kontrollierte stattdessen deren Personalien.

Die Leipziger Neonazi-Clique um den rechten Hooligan und Betreiber einer Autoverwertungs-Firma in Leipzig-Lützschena, Riccardo Olaf S., soll (auch) für diesen Angriff verantwortlich gewesen sein. Er und die bekannten Neonazi-Schläger Ronny G., Rene L., Mike Z. und Heiko K. wurden als Tatverdächtige für Überfälle auf linke Treffpunkte ermittelt. Bei dem Angriff auf  das Wohnprojekt in der Sternwartenstraße sollen auch die Neonazis Andre B., Kevin D. (Reudnitzer Rechte), Pierre R. (Reudnitzer Rechte), David F., Christian G., Thomas H., Andy K., Dennis K., Ronny L., Dietmar O. und Thomas Sch. beteiligt gewesen sein.