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Ludwigshafen: "Hehl's World" wankt

Einleitung

Schon kurze Zeit nachdem der Neonazi Christian Hehl den Neonazi-Gemischtwarenladen "Hehl's World" im Ludwigshafener Südviertel eröffnet hatte (siehe AIB Nr.41), formiert sich im betroffenen Stadtteil der Widerstand. Eine Bürgerinitiative-Süd gegen Rechts, in der ca. 80 Menschen vornehmlich aus dem Stadtteil aktiv sind, hat sich die Schließung des Ladens als Ziel gesetzt.

Geschäftsmann mit "positiver Lebensgestaltung": Christian Hehl.

Antifaschistische Bildungsarbeit vor Ort

Von offizieller Seite sieht sich die Bürgerinitiative in ihren Bemühungen im Stich gelassen. Stadtverwaltung und Polizei flüchten sich in Verharmlosung und in formaljuristische Ausweichmanöver. Das Angebot in "Hehl's World" sei legal, heißt es dort, und da auch sonst »keine Erkenntnisse über kriminelle Aktivitäten des Ladeninhabers vorlägen«, sei eben »nichts zu machen«. Dabei wurde Christian Hehl bereits 1994 als 25jähriger FAP-Anhänger bekannt, der bei einem Neonazi-Treffen in Stuttgart eine Flasche auf Polizei-Beamte warf. Hierfür wurde er 1995 zu einer Haftstrafe verurteilt. Weitere Verfahren folgten...

So blieb als Fazit einer Informations- und Diskussionsveranstaltung am 4. März 1998, zu der die Bürgerinitiative eingeladen hatte, daß ein Verständnis des eigenen Engagements mehr Aussicht auf Erfolg haben dürfte, als das Delegieren des Problems an offizielle Stellen.

Schon der Andrang von über 200 Menschen und das starke Medieninteresse an der Veranstaltung machten deutlich, daß die Existenz von "Hehl's World" und des ihm benachbarten Tätowierladens "Mikes Tattoo Studio", das ebenfalls überwiegend von Neonazis frequentiert wird, für die Menschen im Stadtteil ungeachtet aller offiziellen Abwiegelungsversuche sehr wohl eine ernste Bedrohung darstellt.

In dem Dia-Vortrag »Rechtsrock - Begleitmusik zu Mord und Totschlag« und auf einer anschließenden Podiumsdiskussion erläuterten VertreterInnen der Bürgerinitiative, des Antifaschistischen Autorenkollektivs »Drahtzieher im braunen Netz« und der Frankfurter Kampagne »Weg mit rechtem Sounddreck« die aktuellen Strategien der Neonazis, die Rekrutierungsarbeit und Strukturaufbau in den subkulturellen Bereich verlagerten, um sich - so der Vertreter des Autorenkollektivs - »der staatlichen Regulierung und Kontrolle zu entziehen«. Die Hilflosigkeit gegenüber der «kulturellen Hegemoniestellung«, die der Neonazismus in manchen Regionen bereits erreicht habe, äußere sich in einer »Strategie des Verdrängens und Verschweigens«, welche dazu beigetragen habe, daß dort mittlerweile regelrechte »no-go-areas« für AusländerInnen und Andersdenkende entstanden sind. Anhand der Betrachtung der gesellschaftlichen Umbrüche der letzten 20 Jahre in England und Deutschland wurde verdeutlicht, wie »im Windschatten eines gesellschaftlichen Rechtsrucks eine neonazistische Jugendkultur aus ihrer Isolation herausgeführt wird und an Einfluß gewinnt« und wie den Neonazis »immer wieder Freiräume geöffnet werden«. Darüber, daß sie heute in Teilen der Gesellschaft als akzeptierbar gelten, könnten sie sich mehr denn je als »der militante Flügel des gesunden Volksempfindens« legitimieren.

Die sozialpädagogischen Konzepte, die auf die "Reintegration" ihres neonazistischen Klienteis abzielten, würden von diesen allzu oft zum eigenen Strukturaufbau genutzt, während die linke Gegenkultur, als ein »wirksamer Regulativ der Verhältnisse«, zunehmend an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird.

Die VertreterInnen der Bürgerinitiative berichteten, daß "Hehl's World" zur Anlaufstelle für Neonazi-Skinheads aus der ganzen Region geworden sei, daß schon Zehn- und Zwölfjährige aus dem Stadtteil den Laden als Freizeitangebot sehen würden und daß das neonazistische Propagandamaterial aus dem Laden bereits an der naheliegenden Grundschule im Umlauf sei. Desweiteren lägen Berichte über die Zunahme »verbal sehr aggressiver Attacken gegen Menschen mit dunklerer Hautfärbung« im Stadtteil vor. Die politische Gefahr liege zudem in der Normalität, die der Laden suggeriert, »als sei es mittlerweile völlig normal, einen Laden mit rechtsradikalen Waren zu eröffnen«. Ein weiterer Schwerpunkt der Veranstaltung war, die Person Christian Hehl, mittlerweile Mitglied der NPD und der "Jungen Nationaldemokraten", und dessen Umfeld zu beleuchten.

Hehls lokales Umfeld

So taucht als eine Art Teilhaber von "Hehl's World" und dem von Christian Rolf Hehl betriebenen "Sturm Verlag und Versand" beispielsweise Andreas Gängel aus Bruchsal/Karlsdorf auf. Gängel betrieb bis 1993 den "Endsieg Versand", der seinerzeit die Hauptversorgungsstelle für neonazistische Propaganda im südwestdeutschen Raum war. Für das Fanzine "Endsieg" wurde er bereits 1992 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. 1996 gründete er den "Vision Verlag und Versand", der mit einem Angebot von Heinz-Erhard-Platten oder auch Schlesischen Bierkrügen bis ins konservative Spektrum auf Kundenfang geht. Dennoch, so betonten die Referenten am 4. März 1998, sei Gängel nach wie vor im militanten Kern der Szene zu verorten. Als Aktivist der "Anti-Antifa" sei er bereits 1993 (nach Aussagen von Neonazis) an dem Transport der "Anti-Antifa"-Broschüre "Der Einblick" beteiligt gewesen. Erst im letzten Jahr soll von der Polizei festgestellt worden sein, das er mutmaßlich um die Wohnhäuser von Antifaschisten "spionierte".

Michael H., der Inhaber von "Mikes Tattoo Studio", welches direkt neben "Hehl's World" ansässig ist, ist ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt. Er bewohnte 1994 zusammen mit Christian Hehl und anderen Neonazis eine Wohnung in Ketsch (bei Mannheim). Als der Mannheimer Neonazi und Kroatien-"Söldner" Michael B. 1994 mit Plänen eine Art neonazistische Terrororganisation aufzubauen von Kroatien nach Deutschland zurückkehrte, war die besagte Wohngemeinschaft seine erste Anlaufstelle. Am 9. März 1998 stand Michael H. zusammen mit dem Ludwigshafener Neonazi Ralf Sch. in Mannheim vor Gericht. Sie wurden zu zwei bzw. eineinhalb Jahren Haft verurteilt, weil sie im März 1997 »völlig ohne Grund« einen Passanten minutenlang zusammengetreten und erheblich verletzt hatten. Die beiden wurden überführt, weil eine Überwachungskamera die Tat aufgezeichnet hatte.

Der »Geschäftsmann« Christian Hehl indes gibt sich betont moderat und bedauert, daß die Bürgerinitiative nicht das Gespräch mit ihm suchen würde - eine Masche, mit der er anfangs auch bei lokalen Medien durchkam, die aber nach der Veranstaltung am 4. März 1998 passe sein dürfte. Erst 1997 wurde ihm vom Gericht und von seinem Bewährungshelfer eine »positive Lebensgestaltung« attestiert, was bei den AnwohnerInnen nur Kopfschütteln auslöst. Diese wollen weder als Versuchsfeld für sozialpolitische Reintegrationskonzepte herhalten, noch wollen sie tatenlos die drohende Etablierung neonazistischer Subkultur im Stadtteil hinnehmen.

Daß die Bürgerinitiative mit ihrem Anliegen vor Ort breite Unterstützung erhält, läßt erkennen, wie über gezielte Aufklärung und durch klare Stellungnahmen Menschen angesprochen und mobilisiert werden können.