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Leipzig: Neonazi-Angriffe vorm Kirschberghaus

Einleitung

Für den 24. Januar 1999 war vor dem von rechten Jugendlichen dominierten Jugendclub »Treff 2« im Kirschberghaus (KBH) eine Kundgebung gegen die Neonaziumtriebe in Leipzig-Grünau angemeldet und genehmigt worden.

Bild: Titel AIB Nr. 45

Der Neonazi Jerzy L. (Bildmitte) aus den Kreisen des Leipziger Kirschbergghaus auf einem NPD-Aufmarsch in Neustrelitz am 1. August 1998.

Treff 2 im Kirschberghaus

Der Träger des Kirschberghauses, der Jugendbildungsverein (JBV), hat zugelassen, das rechte Jugendliche und organisierte Neonazis die öffentlich geförderte Räume als Rekrutierungs- und Wirkungsfeld nutzen können. Die im Haus befindlichen Band-Proberäume sollen laut Szene-Berichten auch von den RechtsRock-Bands "Odessa" und "Reichssturm" genutzt werden. Mit "Ostara" soll sich sogar eine rechte Mädchen-RechtsRock-Band im Jugendklub "Kirschberghaus" gegründet haben. Mittlerweile macht der "Treff 2" nur noch sozialpädagogische Arbeit für und mit rechten Jugendlichen, berichteten Mitarbeiter des Leipziger Jugendamtes. Der Vorsitzende des Jugendbildungsvereins Wolfgang Dreßler kennt offenbar kaum Grenzen in seinem Konzept der akzeptierenden Sozialarbeit mit rechten Jugendlichen und organisierten Neonazis. BesucherInnen berichten über Neonazi-Parolen und Neonazi-Aufklebern an den Wänden des Jugendclubs. Auch das die Leipziger Neonazi-Band "Reichssturm" bereits Anfang Februar 1997 in Eilenburg bei Leipzig auf einem "Blood & Honour"-Konzert mit den Neonazi-Bands "Störfaktor", "Vlajka", "Proissenheads" und "Senfheads" auftrat sorgte bis her für kein Umdenken der Leipziger Sozialpädagogen.

Angriffe auf KritikerInnen

Die Polizei wußte mindestens eine Woche vorher von der antifaschistischenKundgebung und war auch informiert, daß mit Neonaziaktivitäten in diesem Zusammenhang zu rechnen sei. Trotzdem sah sie keinen Anlaß zum Einschreiten, als sich bereits eine Stunde vor Kundgebungsbeginn teilweise vermummte und mit Teleskopschlagstöcken sowie Knüppeln bewaffnete Neonazis im und am Kirschberghaus sammelten. Unter diesen ca. 50 Neonazis befanden sich bekannte Grünauer Neonazi-Aktivisten wie Jerzy L.. Aber auch Neonazis aus dem Umland (u.a. Wurzen) war Unterstützung angereist. Die Polizei sah sich auch dann nicht bemüßigt, irgend etwas zu unternehmen, als die Neonazis mehrfach das Auto eines Fotografen attackierten. Als die KundgebungsteilnehmerInnen in Grünau eintrafen und zum Kundgebungsplatz gehen wollten, wurden sie von den davor wartenden Neonazis mit Flaschen und anderen Gegenständen beworfen. Daraufhin setzten sich die Angegriffenen zur Wehr, was die Polizei dann plötzlich in hektische Betriebsamkeit versetzte. Jedoch nicht zur Unterbindung der Neonaziattacken, sondern in Richtung der Angegriffenen. Diese wurden vom Haus abgedrängt, zwölf Leute zu Boden geworfen und verhaftet. Unterdessen hatten die Neonazis weiter freies Spiel aus ihrem Stützpunkt heraus. Unter den Augen der Polizei jagten etwa 20-30 Neonazis einen Fotografen, er entkam durch einen Zufall. Nun griffen sie mit Steinen aus dem Gleisbett die AntifaschistInnen von hinten an, wurden jedoch zurückgeschlagen. Gleichzeitig wurden zwei JournalistInnen am Kirschberghaus angegriffen und eine dabei am Arm verletzt. Ihre Forderung nach Erster Hilfe wurde von Beamten mit: »Wir haben wichtigeres zu tun!« abgelehnt. Wegen der unklaren Situation erklärte die Anmelderin die Kundgebung für undurchführbar. Am Abend fuhren mit Neonazis besetzte Autos verstärkt durch die Stadt, u.a. auch in Leipzig-Connewitz. Am Montag, dem 25. Januar 1999 schlugen Neonazis dort eine links aussehende Frau zusammen. Einen antifaschistischen Spaziergang am 20. Februar 1999 in Leipzig-Grünau, der auf die Vorfälle der vergangenen Wochen aufmerksam machen sollte, verbat die Polizei wegen »zu befürchtender Randale«, obwohl in den Ankündigungen auf Gewaltlosigkeit hingewiesen worden war.
Ende Februar 1999 gab die Stadt bekannt, daß sie den »Treff 2« im Kirschberghaus wahrscheinlich ab April in kommunale Trägerschaft übernehmen wird. Die Verträge mit dem Jugendbildungsverein (JBV) wurden gekündigt. Dieser war mit seiner Praxis der akzeptierenden Jugendarbeit mit rechten Jugendlichen und Neonazis im »Treff 2« derart in die Kritik und in die Medien geraten, daß der öffentliche Druck die Stadt zu diesem Schritt zwang. Ob sich damit die Situation im Kirschberghaus und in Grünau ändert, ist zu bezweifeln. Zu sehr verharmlost die Stadtverwaltung, insbesondere das Jugendamt um den Jugendamtsabteilungsleiter Rainer Wischniewski, das Neonaziproblem in Grünau.

Jugendclubs als Neonazi-Band-Proberäume

Und auch die Neonazi-Bands aus dem Kirschberghaus könnten bald neue Probe-Räume bei anderen großherzigen SozialpädagogInnen finden. So sollen im Grünauer Jugendclub "Völkerfreundschaft" die Leipziger Neonazi-Bands "Toitonen" (Sven D., Alexander M., Andre E., Daniel W. und Andre R.) und die Neonazi-Band "Oistar Proper" um Danny J. und Marcus W. einen Proberaum gehabt haben. Auch die Neonazi-Band "Stroifoier" soll hier einen Proberaum genutzt haben. Die Leipziger Neonazi-Band "Solution" um Eric R. und Andre R. soll ihren Proberaum im AWO-Jugendclub "Kugel" gefunden haben.