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Left (Out) Forum – Antisemitismus auf einer linken Konferenz in New York

Frederik Fuß (Gastbeitrag)
Einleitung

Vom 2. bis zum 4. Juni fand unter dem Motto „Join he Resistance“ im New Yorker John Jay College of Criminal Justice das Left Forum, eine der größten linken Tagungen der USA, statt. Es geht zurück auf die Socialist Scholar Conference, welche erstmals in den 60er Jahren stattfand. Das Left Forum begreift es als seine Stärke „strömungsübergreifend viele Perspektiven, viele Gruppen, die an verschiedenen Fronten kämpfen“ zu vereinen. Dieser Ansatz wird derart realisiert, dass jede Gruppe, erst recht, wenn sie als Sponsor auftritt, Panels und Vorträge anbieten kann. Dieser offene Ansatz bietet extrem viel Raum für diverse linke Ansätze in Theorie und Praxis. Wird der Pluralismus zur Beliebigkeit öffnet er aber auch allerlei Gruppen und Menschen Raum, die sich jenseits eines antifaschistischen Minimalkonsenses befinden. So haben im vergangenen Jahr mehrere HolocoaustleugnerInnen beim Left Forum gesprochen.

Bild: Screenshot YouTube

Kevin Barrett gehörte zu den kritisierten Referenten des Left (Out) Forum in den USA.

2017 waren erneut VerschwörungstheoretikerInnen und HolocaustleugnerInnen geladen. Als Reaktion darauf verfasste eine anonyme Gruppe, als deren Sprecher der antifaschistische Journalist und Autor Spencer Sunshine auftrat, einen nicht öffentlichen Brief an die VeranstalterInnen des Left Forum, in dem sie deren Ausladung forderten. Es ging dabei unter anderem um Kevin Barret, Joy Karega, Anthony Hall, Alison Weil, Sander Hicks und Panels mit Titeln wie: „9/11 Truth: Ground Zero for a Resistance Movement”, „,Terrorism‘: Fake Enemies, Fraudulent Wars”, „False Flags: Staged, Scripted, Mass Psy-Op Events” und „Political Correctness: The Dangers of Thought Crime Police”.

Die erwähnten Personen sind keineswegs unbekannte. Kevin Barret schreibt regelmäßig für die verschwörungstheoretische Website Veterans Today und betreibt einen Blog Namens Truth Jihad. Er behauptet, dass hinter jeglichem islamistischen Anschlag in Wahrheit die USA und die zionistische Lobby stecken würden. Ähnlich Joy Karega. Sie war Assistenzprofessorin an einem College in Ohio und verlor ihre Stelle, nachdem sie auf Facebook postete, dass die Zionisten hinter 9/11 und dem Charlie Hebdo Attentat stecken würden.

Infolge des Briefs entschieden sich die OrganisatorInnen die vier genannten Panels abzusagen – ohne eine Begründung dafür zu nennen. Ein fünftes Panel mit dem Titel „Against Anti-Semitism, but Critical of Zionism“ bei dem Alison Weil und Sander Hicks als RednerInnen angekündigt waren sollte weiterhin stattfinden. Weil gründete die antiisraelische NGO If Americans Knew, der von der Anti Defamation League mehrfach Antisemitismus vorgeworfen wurde. Hicks tut sich mit der Befürwortung von Querfrontstrategien, Verschwörungstheorien und unkritischem Zitieren von HolocaustleugnerInnen hervor. In der Ankündigung für ihr Panel heißt es, dass sie „furchtlos die Rolle Israels und der CIA in 9/11 beleuchten wollen“ und sie fordern das „Ende der rassistischen Diskriminierung des Islam und staatliche Anerkennung Palästinas und der Menschenrechte.

Zwischenzeitlich regte sich auch noch Protest gegen ein radikalfeminisitisches Panel, dass sich gegen Transpersonen richtete. Es trug den Titel „Misery for Profit / Who is Funding the Transgender Movement and the Impact on LGB“. Auch dieses Panel wurde abgesagt und die VeranstalterInnen des Left Forum ließen per Facebook-Stellungnahme verlauten, dass es nie angeboten werden sollte und entschuldigten sich mehrfach. Zudem erklärten sie „Transphobie hätte keinen Platz beim Left Forum.“ Zuvor hatte Sunshine bereits darum gebeten eine Stellungnahme gegen Antisemitismus zu veröffentlichen. Nachdem dies erst zurückgewiesen wurde, rangen sich die VeranstalterInnen nach der Stellungnahme gegen Transphobie schlussendlich doch dazu durch, sich gegen Antisemitismus zu positionieren, indem sie schrieben „[es] gibt  keinen Raum auf dem Linken Forum für Antisemitismus oder hasserfüllte und verstörende Diskurse.“

Eine weitere Stellungnahme gaben die VeranstalterInnen zur Ausladung von Anthony Hall, der eine offene Diskussion über den Holocaust fordert, ab. Diese kam offenbar nur zustande, da „eine große deutsche Organisation“ damit drohte aus der Konferenz auszusteigen, sollte Hall dort sprechen. Schaut man sich an, welche deutschen Organisationen am Left Forum beteiligt waren liegt die Vermutung nahe, dass es sich dabei um die Rosa-Luxemburg-Stiftung handelt. Eine Bestätigung oder Stellungnahme dazu gibt nicht.

Die Entscheidungen des Left Forum blieben freilich nicht unkommentiert. Bereits vor der Absage der vier Panels wurde der Brief von Sunshine und der anonymen Gruppe von einem der VeranstalterInnen Kevin Barret zugespielt, worauf hin dieser eine antisemitische Hetzkampagne gegen Sunshine startete. Auf Veterans Today schrieb er die VeranstalterInnen würden vor den Lobbyisten des Staates Israel kapitulieren, welche 9/11 organisiert hätten und einen „Holocaust an den MuslimInnen“ betreiben würden. Sunshine nannte er einen selbsthassenden Zionist, der die Fäden beim Left Forum ziehen würde und MuslimInnen von diesem ausschließen wolle. Zudem rief er ihn an, nahm das Gespräch auf, veröffentlichte es auf YouTube und verbreitete Bilder von ihm, die er mit der israelischen Flagge versah, um ihn als Zionisten zu denunzieren – offenbar das Schlimmste, was sich der Verschwörungstheoretiker nur vorstellen kann.

Weitere Solidarität erfuhren die QuerfrontlerInnen, HolocaustleugnerInnen und Verschwörungstheorethikerinnen unter anderem von Mitchel Cohen, einem antizionistischen Juden und Verschwörungstheoretiker, der auf Truth Jihad einen diffamierenden Beitrag über Sunshine schrieb und Barrets Theorie der zionistischen Weltverschwörung für eine „legitime Diskussion und Debatte“ hält. Aber auch von der linken Internetseite Counterpunch, die einen Artikel mit dem Titel „Left Forum verbannt vier Penals unter zionistischem Druck“ zum Thema veröffentlichte, in dem eine Verschwörung aus der anonymen deutschen Organisation und einem einzelnen Zionisten (Sunshine wird hier
nicht namentlich genannt) herbeihalluziniert wird. Des Weiteren bewerben sie eine, von den OrganisatorInnen der ausgeschlossenen Panels, geplante Gegenkonferenz unter dem Namen Left Out Forum, bei der eben jene Panels stattfinden sollten.

Der Ort des Left Out Forum wurde bis kurz vor Beginn geheim gehalten, aus Angst das ZionistInnen Druck auf die InhaberInnen der Räumlichkeiten ausüben könnten. Überraschenderweise fand die Gegenkonferenz dann in Räumen des John Jay College statt – also demselben Ort wie das Left Forum. Wie es dazu kam ist bisher noch unbekannt.

Die Vorfälle um das Left Forum zeigen wie wenig Sensibilität für Antisemitismus und Verschwörungstheorien in der US Linken vorhanden ist. Antizionismus und simplifizierter Antiimperialismus sind hegemonial und dulden kaum Widerspruch oder Abweichung. Diese Hegemonie treibt Teile der US-Linken zum offenen anbändeln und paktieren mit AntisemitInnen und VerschwörungstheoretikerInnen. Doch zumindest regt sich immer öfter Widerstand gegen die gröbsten Ausfälle. Neben dem Left Forum zuletzt im Herbst 2016 gegen einen Vortrag des Holocaustleugners Chris Bollyn im linken Brooklyn Commons, in dem auch die Zeitschrift Jacobin ihre Redaktionsräume hat. Der Vortrag  wurde von antifaschistischem Protest begleitet. Beides sorgte weit über New York hinaus für Aufsehen.  So scheint es nicht ganz ausgeschlossen, dass trotz des  antizionistischen Konsens eine größere innerlinke Debatte über Antisemitismus in Gang kommt.