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Lachen erlaubt?

Eckart Schörle
Einleitung

Die Diskussion der Frage, ob man über Hitler lachen dürfe, mutet reichlich seltsam an. Nicht nur, dass die Berechtigung einer komischen Auseinandersetzung mit Hitler kaum in Zweifel gezogen wird. Nein, das Lachen über Hitler hat im Kino auch eine lange und vielseitige Tradition vorzuweisen.

Bild: flickr.com/nozoomii/CC BY-NC-SA 2.0

Filmplakat zu "Mein Führer" in Polen.

Schon während des Nationalsozialismus versuchten Regisseure, Hitler mit dem Mittel der Komik zu bekämpfen. Am bekanntesten sind sicherlich die Filme »Der große Diktator« von Charles Chaplin (USA 1940) und »Sein oder Nicht-Sein« von Ernst Lubitsch (USA 1942). Auch in Comicstrips aus dem Hause Disney machten sich prominente Figuren wie Donald Duck und Mickey Mouse über Hitler und die Nazis lustig. Damit sollte nicht zuletzt die amerikanische Bevölkerung für den Kampf gegen das faschistische Deutschland mobilisiert werden.

Bedenken gegen Hitler-Satiren

Der komische Umgang mit Hitler war jedoch von Anfang an umstritten. Besonders nachdem das ganze Ausmaß des Holocaust bekannt geworden war, stellte sich die Frage, ob eine Komödie diese Verbrechen angemessen erfassen könne. Chaplin bemerkte später in seiner Autobiografie: »Hätte ich etwas von den Schrecken in den deutschen Konzentrationslagern gewußt, ich hätte mich über den mörderischen Wahnsinn der Nazis nicht lustig machen können.« Chaplin drehte seinen Film noch bevor die deutschen Todesfabriken ihre »Arbeit« aufgenommen hatten.

Deutliche Kritik an Chaplins Film übte Theodor W. Adorno: »Auch der ‘Große Diktator’ verliert die satirische Kraft und frevelt in der Szene, wo ein jüdisches Mädchen SA-Männern der Reihe nach eine Pfanne auf den Kopf haut, ohne daß es in Stücke zerrissen würde.« Adorno war der Ansicht, dass das »äußerste Entsetzen« neben dem Spaß sichtbar bleiben müsse und dass die politische Realität nicht verharmlost werden dürfe. Tatsächlich besteht genau in dieser Ausbalancierung von Komik und Schrecken die besondere Herausforderung.

Die Unfähigkeit zu lachen

Auch das deutsche Kinopublikum der Nachkriegszeit konnte über den »Großen Diktator« zunächst nicht lachen. Bevor Chaplin von den Nazis systematisch diffamiert worden war, gehörten seine Filme zu den Publikumsmagneten in Deutschland. Als man den »Großen Diktator« im Sommer 1946 einem kleinen Testpublikum vorführte, erlosch das Lachen im Kinosaal bald. Begeistert wurde dagegen Chaplins Film »Goldrausch« aufgenommen, der im Herbst 1946 in die Kinos kam.

Der »Große Diktator« wurde in Deutschland erst 1958 offiziell präsentiert. Dazu passt übrigens auch, dass man die Verspottung der Nazis in »Casablanca« (USA 1942) einem deutschen Publikum lange Zeit nicht zumuten wollte. Bis 1975 war in Deutschland nur eine stark gekürzte und der historischen Hintergründe entledigte Fassung zu sehen.

Alexander und Margarete Mitscherlich haben den Zustand der deutschen Nachkriegsgesellschaft auf einen Begriff gebracht, nämlich die »Unfähigkeit zu trauern«. Die Deutschen, so die These, hätten den Verlust des geliebten Führers nicht überwunden. Es ist nur ein kleiner Schritt, wenn man diese These um eine »Unfähigkeit zu lachen« ergänzt. Diejenigen, die Hitler wenige Jahre zuvor noch zugejubelt hatten, hätten nun über sich selbst lachen müssen.

Auch spätere Filme, die die Nazis der Lächerlichkeit preisgaben, hatten es in Deutschland schwer. Mel Brooks schriller Film »The Producers« (1967) ließ sich in keine deutsche Vergangenheitsaufarbeitungserzählung einbinden und wurde hier lange Zeit gar nicht wahrgenommen.

Während die Zeitzeugen und die Nachfolgegeneration eine deutliche Skepsis gegenüber den Komödien über die Nazis verlauten ließen, scheint die dritte und vierte Generation nun einen anderen, distanzierten Umgang mit dem Nationalsozialismus zu kultivieren. Dieser erlaubt mittlerweile einen respektlosen Umgang mit Hitler und seiner Gefolgschaft, zeichnet sich aber auch dadurch aus, dass die Wahrnehmung der historischen Realität, die Schilderung der konkreten Taten und Verantwortlichkeiten sowie die Frage nach den Ursachen in den Hintergrund rücken.

Dani Levys »Mein Führer«

Der Anfang 2007 in die Kinos gekommene Film »Mein Führer« von Dani Levy reiht sich also in eine lange Filmtradition ein. Sein Film stellt keine einfache Abbildung der historischen Ereignisse dar, sondern reflektiert die mediale Repräsentation und Thematisierung des Nationalsozialismus in der Gegenwart.

Ähnlich wie Walter Moers mit seinem Comic »Der Bonker« setzt sich Levy mit pathetischen Einfühlungsfilmen wie dem »Untergang« kritisch auseinander. Während hier und in den diversen Dokumentationen die vermeintliche Größe und Faszination Hitlers im Vordergrund steht, will Levy den »Führer« demontieren. So verspricht er denn auch im Untertitel die »wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler«. Der Regisseur macht nicht nur den Inszenierungscharakter der NS-Propaganda deutlich, sondern auch den seines eigenen Films.

Überraschend ist allerdings, dass Levy eine individualpsychologische Erklärung aus der Mottenkiste holt, die den Faschismus darauf zurückführt, dass Hitler in seiner Kindheit vom Vater geschlagen und schlecht behandelt wurde. Die Deutung geht auf eine Arbeit von Alice Miller aus dem Jahre 1980 zurück. So richtig diese Perspektive im Detail auch sein mag, so wenig kann sie die große Begeisterung der Deutschen für die nationalsozialistischen Ideen und Ziele erklären. Würde eine solche Auffassung nicht auch bedeuten, dass wir uns heute besser nicht über die Nazis lustig machen sollten, weil die Folgen dieser Schmähungen und Demütigungen nicht absehbar sind? (Solche Bedenken wurden übrigens in Hollywood geäußert, als Chaplin seinen »Großen Diktator« drehte. Ein verärgerter Adolf Hitler, so die Befürchtung, könne vielleicht die Situation der in Deutschland lebenden Juden noch verschlimmern.)

Dani Levy setzt an einigen Stellen seines Films durchaus neue und wichtige Akzente. Dem immer noch verbreiteten Klischee, die Juden hätten sich wie Opfer zur Schlachtbank führen lassen, begegnet Levy nicht mit langatmigen Erklärungen, sondern wischt es mit einem kurzen Faustschlag in Hitlers Gesicht beiseite. Gut getroffen wird auch das System der polykratischen Herrschaft, indem die Widersprüche der NS-Ideologie und die entsprechenden Konflikte in der NS-Führungsebene karikiert werden. An vielen Stellen wirkt der Film »Mein Führer« aber bemüht. Der Regisseur will mit der komischen Hitler-Figur nicht die Folgen seiner Taten verharmlosen. Die Perspektive der Opfer soll sichtbar bleiben. Levy versucht daher, neben den komischen Szenen auch die ständige Bedrohung sichtbar zu machen. Häufig wechseln sich komische und ernste Szenen ab, nur selten gelingt es ihm jedoch, beides in einer Szene zu vereinen.

Chancen und Grenzen des Gelächters

Die Herausforderung besteht  darin, die in Hitler und den Seinen bzw. die in der NS-Ideologie angelegte Komik freizulegen und zuzuspitzen. Die Wahrnehmung dieser Komik sollte zu einem erkennenden Lachen führen. Eine Darstellung, die mit billigen Slapstick-Szenen Lacher erntet, wird zum reinen Klamauk. Wenn Hitler nur noch beliebige Folie einer Lachnummer ist, scheinen Bedenken gegen die Hitler-Spaß-Offensive durchaus angebracht. Was – könnte man sich fragen – ist damit gewonnen, wenn Thomas Pigors grandioser Hitler-Song »Ich hock’ in meinem Bonker« als Klingelton Verbreitung findet?

Welches Bild vom Nationalsozialismus wird durch Walter Moers’ Adolf-Trilogie vermittelt? Geht hierbei nicht die Erkenntnis des Grauens und vor allem die Empathie für die Opfer verloren? Solche Fragen sollten keineswegs leichtfertig beiseite geschoben werden. Klar ist aber auch, dass Moers nicht den Anspruch politischer Bildung verfolgt, sondern diese begleitet. Wenn das Wissen über den Nationalsozialismus abnimmt, so kann man Moers und andere dafür kaum haftbar machen. Comics, Kinofilme und Klingeltöne können eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus nicht ersetzen. Sie eignen sich aber für Korrekturen, wenn der allgemeine Erinnerungsdiskurs sich mal wieder mit großer Selbstzufriedenheit in seiner Erzählung eingebettet hat. Und so ist denn ein Film wie »Mein Führer« allemal besser als der »Untergang« – wenn auch nicht so komisch.

Harald Schmidt hat vor einiger Zeit die These aufgestellt, dass Hitler heute auf den Bildschirmen präsenter ist als im »Dritten Reich« selbst. Und es irritiert in der Tat, dass das Wissen über historische Wahrheiten und Erkenntnisse bei gleichzeitiger Omnipräsenz von Hitler-Dokus abnimmt. So halten sich in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch Erklärungsmuster und Legenden, die von der Forschung längst schon widerlegt wurden. Hier ist ein guter Witz durchaus in der Lage, gängige Klischees aufzubrechen und neue Sichtweisen aufzuzeigen.

Distanzierung und Vereinnahmung

Der große Erfolg der jüngsten Hitler-Satiren lässt allerdings auch einen Verdacht aufkommen: Soll mit einem befreienden Lachen über den Nationalsozialismus ein weiterer Schritt in Richtung eines »entspannten« Umgangs mit der deutschen Geschichte gemacht werden? Das Bedürfnis nach einem unbefangeneren Umgang mit der deutschen Geschichte ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Und für die dritte und vierte Generation scheint dieser Anspruch auch nicht völlig abwegig zu sein. Man kann die Erfolge der Hitler-Satiren durchaus als Ausdruck davon sehen, dass sich hier die jüngere Generation von der Betroffenheitsrhetorik und den unaufgearbeiteten Konflikten der Elterngeneration abgrenzen will. Das Lachen richtet sich damit auch gegen die Vorstellungen der Elterngeneration über den »richtigen« Umgang mit der deutschen Geschichte.

Eine »Normalisierung« im lachenden Umgang mit deutscher Geschichte findet ihre Grenze dort, wo die Perspektive der Opfer und der Täter zu einem gemeinsamen Lachen verlogen wird. Sollten die Überlebenden überhaupt zu einem befreienden Lachen fähig sein, so wird es sicherlich nicht dieselbe Bedeutung haben, wie ein befreiendes Lachen der Tätergesellschaft.

Eine solche problematische Gleichsetzung des Lachens deutet sich beispielsweise in der Schlussszene von »Aimee und Jaguar« (D 1998) an, in der ein deutsch-jüdisches Versöhnungslachen inszeniert wird. Es ist Dani Levy hoch anzurechnen, dass er in seinem Film der Versuchung eines Happy Ends nicht erliegt. Er knüpft an die Schlussrede im »Großen Diktator« an, in der das Plädoyer für die Humanität eine Perspektive der Hoffnung aufzeigen sollte. In »Mein Führer« enttarnt Adolf Grünberg in seiner Schlussrede die Absichten der nationalsozialistischen Herrschaft. Doch nach kurzem Innehalten setzt das deutsche Publikum seinen Jubel mit unverdrossenen Sieg-Heil-Rufen weiter fort.

Humorlose Nazis

Ein gewichtiges Argument für die Hitler-Satiren ist die schlichte Tatsache, dass die Nazis am wenigsten darüber lachen können. Schon im »Dritten Reich« war das Humorverständnis der Nationalsozialisten gering. Goebbels feierte 1939 im »Völkischen Beobachter« zwar die »deutsche Fröhlichkeit«, drohte aber zugleich jenen, die mit dem politischen Witz eine Grenze überschreiten würden. Dazu erklärte er: »Und zwar verläuft die Grenze da, wo es sich um die vitalen Dinge und Angelegenheiten unseres politischen und weltanschaulichen Lebens handelt. Hier gibt es Reservate, die für uns heilig sind, und an die soll sich niemand leichtsinnig heranwagen.« Es gilt also, genau diese Grenze zu überschreiten. 

Eckart Schörle ist Lachforscher und Historiker. Er lebt in Erfurt.