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Laborbedingungen für Rechtsaußen im ländlichen Bayern

antifaschistisches dokumentations- und infomationsprojekt – adip
Einleitung

Inmitten der beiden Naturparks Steigerwald und Frankenhöhe – zwischen Nürnberg und Würzburg – liegt der Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim mit seinen nur knapp 100.000 EinwohnerInnen. Mit Wahlergebnissen von 63 Prozent für die CSU bei den letzten Bundestagswahlen bestätigt der Landkreis durchaus Vorurteile über ländliche Gegenden in Bayern. In dieses Bild passen auch die so genannten Freitänze, die in regelmäßigen Abständen im Landkreis stattfinden. Hierzu wurden, so erzählt uns ein Jugendlicher, früher die »heiratsfähigen« Frauen zu den Festen gebracht und den Männern »präsentiert«

Die Perle des Landkreises

Als eine »Perle des Landkreises« präsentiert sich die Stadt Bad Windsheim gerne. Besonders stolz sind die Bad Windsheimer auf die 1200-jährige Geschichte ihres Ortes: So war etwa 1632 König Gustav Adolf von Schweden zwei Mal zu Gast. Auf das Jahr 1752 datiert der erste Hinweis auf die Mineralquellen im Windsheimer Gebiet1 . Doch so gar nicht in die detailreiche Stadtchronik passt, dass in Bad Windsheim zwischen 1907 und 1955 kein nennenswertes Ereignis stattgefunden haben soll. Das gleiche gilt für Neustadt/Aisch: Auf der Internetseite der Kreisstadt finden sich keine Angaben über die Zeit zwischen 1933 und 1945. Bei einer derartigen Geschichtsaufarbeitung verwundert es nicht, dass alljährlich in Bad Winds­heim ein Ehemaligen-Treffen der Waffen-SS Auslandsdivision stattfinden kann. Bis zum Jahre 2000 trafen sich diese sogar im Rathaus, erst im Jahr 2001 mussten sie erstmals in die Stadthalle ausweichen. Über derartige »Kameradschaftstreffen« in Bad Windsheim berichtet etwa die rechtsextreme Monatszeitschrift Der Freiwillige: »Die Festrede hielt, unter Bezug auf die augenblickliche ‘Situation unserer Kriegsgeneration und deren ungerechtfertige Verunglimpfung’, der Kame­rad Hermann Buch, vom Munin-Verlag.«Zitat aus »Der Freiwillige«, Heft1/99: »Aus dem Leben der Kameradschaften«, S. 32. Die Zeitschrift wird vom rechtsextremen Munin-Verlag herausgeben, dem Hausverlag der »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS’ (HIAG)« Hermann Buch war SS-Obersturmführer des schnellen SS-Schützen-Regiments »Langemarck«.

Wo sich ehemalige Waffen-SSler unbehelligt treffen können, da er­schei­nen andere Details als fast schon normal: So erzählte uns ein Neustädter, dass es »bis Ende der 90er« in Kühlsheim eine Scheune gab, deren »Dach farblich auf Hakenkreuz gedeckt« war. Es gebe in der Burgbernheimer Gegend auch einige Gärten, die aus der Luft gesehen in einer ähnlichen Formation angelegt seien.

Rechts von der CSU...

Im vergangenen Bundestagswahlkampf hat CSU-Kandidat Edmund Stoiber erneut darauf hingewiesen, dass es »rechts von der CSU keine demokratisch legitimierte Partei ge­ben« dürfe. Ein Vorhaben, dem seine ParteikollegInnen im Landkreis Neustadt/Bad Windsheim nur allzu eifrig nachzukommen versuchen. So freut sich die dortige Junge Union (JU), dass »die Postkommunisten (PDS) den Fraktionsstatus verloren haben« und setzt gleich einen direkten Link zu den »Stasiopfern«.2 Bei einem »Klick« auf »Diskutieren Sie mit« landet man beim »CSU Ortsverband Scheinfeld«, wo über ein Gerichtsurteil gegen Frank Rennicke3 – einem rechtsextremen Liedermacher – diskutiert wird.

Besonders eifrig scheinen Teile der Bad Windsheimer CSU zu sein. So ereiferte sich der Ortsvorsitzende Rainer Volkert im Bundestagswahlkampf 2002 über den »nie zuvor gesehenem Vandalismus« gegenüber Plakaten der CSU. Als Schuldige machte er »die Sozis« aus, über die ja bekannt sei, dass »diese sozialistischen und kommunistischen Parteien schon immer ein gestörtes Verhältnis zum Eigentum anderer hatten«4 .

Ideologisch liegt der Gymnasiallehrer Volkert voll auf der Linie von Dieter Hummel. Der Ex-JU-Kreisvorsitzende und Stadt- und Kreisrat fiel in der Vergangenheit vor allem durch seine Kontakte zum rechten Spektrum auf. So griff er für die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit zur Feder und verkündete dort, dass er mit Sorge »die Distanz zwischen jenen am linken Medienkartell orientierten Politikern und der breiten konservativen Mehrheit der Wähler wachsen« sehe5 . 1995 war er an der Gründung der Konservativen Initiative Mittelfranken beteiligt.

Dieter Hummel in der Jungen Freiheit: »Wer an der Stabilität einer multikulturellen Gesellschaft zweifelt, wer exzessiven Feminismus die notwendig gewordene Neubestimmung der Rollen von Mann und Frau nicht zutraut oder wer schließlich davon überzeugt ist, dass 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland nur aus einem geschichtlich geläuterten, aber normalisierten Nationalbewusstsein heraus seine Rolle in der Europäischen Union und in der Völkergemeinschaft erfüllen kann, wer all diese Positionen als Politiker, Publizist oder Wissenschaftler vertritt, verfällt heute einer von der PDS bis hin zu bekannten Medien reichenden ‘antifaschistischen’ Feme.«6

Rainer Volkert und Dieter Hummel vertreten altbekannte Anti-Antifa-Theorien, die eine antifaschistische »Fundamentalnorm«7 – in ihrem Jargon »Political Correctness« (PC) genannt – in Deutschland herbei halluzinieren. Ziel dieser Strategie ist es, eine Gefahr von Links zu stilisieren, also die Rechte zu verharmlosen und als Opfer ebenjener »Political Correctness« darzustellen.

...ist nicht nur die Wand

Trotzdem gibt es noch ein Leben »rechts« von der CSU. Szenekenner bezeichnen den Landkreis im Hinblick auf Rechtsextremismus als »sehr brisant«. Nach Schätzungen liegt die Anzahl aktiver RechtsextremistInnen im Landkreis, die »offen rechtsextremistisch auftreten«, zwischen 150 und 200. Auf den Dörfern ist eine dominierende rechte Jugendkultur zu beobachten, der nicht ausschließlich rechte Skinheads angehören. Die Szene ist fest verwurzelt; in der Bevölkerung gibt es eine »hohe Toleranz für Nazis«. Es ist kein Problem, mit eindeutiger – zum Teil auch verbotener – Symbolik offen aufzutreten. Ein Mitarbeiter des Jugendamtes erzählt, dass es in letzter Zeit »weniger zur Strafverfolgung« von rechten Delikten komme, dies aber daran liegen könne, dass die Rechtsextremen »dazu lernen«. Ein Kommunalpolitiker spricht von »Anhäufungen« Rechtsextremer in mehreren Orten im Landkreis.

Besondere Ereignisse für die rechte Szene sind die regelmäßigen Fahrten zu Spielen des 1. FC Nürnberg. Die Szene ist aber auch bei den traditionellen »Freitänzen«, »Kirchweihen« und anderen Festen anzutreffen. Nicht ungewöhnlich auch, dass sich an lauen Sommerabenden am Oberzenner See um die 100 rechte Skinheads treffen.

Die rechte Skinheadszene ist größtenteils nicht in feste Strukturen eingebunden. Trotzdem haben sie Kontakt zu organisierten Rechtsextremen. Eine Mobilisierung ist jederzeit möglich; einzelne Personen verteilen Propaganda; Jugendlichen wird mit Fahrten zu Neonazi-Demonstrationen oder Konzerten eine rechte Erlebniswelt geboten.

Organisiert sind hauptsächlich die »jungen Erwachsenen«. Wichtig sind hier vor allem die so genannten Hammerskins. Nach vagen Schätzungen gehören dieser Gruppierung im Landkreis fünf bis zehn Personen an. Bad Windsheim/Neustadt kann als ein Schwerpunkt der Hammerskins angesehen werden, die bundesweit etwa 250 Mitglieder haben. Erklärtes Ziel der Hammerskins ist es, die Skinheadszene zu organisieren, zu vernetzen und zu politisieren. Sie verstehen sich selbst als »Elite« unter den rechtsextremen Skinheads und streben eine nationalsozialistische Hammerskin-Nation an. In Deutschland konzentrieren sich die Hammerskins vor allem auf den Musikmarkt, hinzu kommen paramilitärische Wehrsportübungen.

Einige Neonazis aus dem Landkreis sind auch selbst in rechten Bands aktiv: So kommt zum Beispiel ein Bandmitglied von Südsturm aus Burgbernheim, wo es seit Jahren eine gefestigte Neonazi-Szene gibt. Im Landkreis wurden ebenfalls lange Zeit fast wöchentlich CDs und Accessoires der Neonazi-Band Sturmtrupp verkauft. Das erklärt, warum T-Shirts der Band, neben den üblichen Klamotten wie »Pitbull«, häufig in der Szene getragen werden. Sturmtrupp ist eine bekannte Rechtsrock-Band, deren Bassist Ingo Leidenberger aus dem nahen Neusitz im Landkreis Ansbach stammt.

Dem Umfeld der Neonazi-Szene kann auch ein Tattoo-Studio in Bad Windsheim zugerechnet werden. Dort hängen ganz offen Tattoo-Vorlagen mit dem Motiv Celtic Warrior, einer walisischen Rechtsrockband.

Die NPD im Landkreis

Die NPD im Landkreis besteht hauptsächlich aus älteren Menschen, in den letzten Jahren kamen aber auch hier jüngere – vor allem Neonazi-Skins – dazu. Obwohl sie keinen eigenen Kreisverband hat, ist die NPD präsent. So gab es im Kommunalwahlkampf 2002 Infostände, während des Bundestagswahlkampfs waren landkreisweit Plakate aufgestellt. Enge Kontakte zur NPD pflegt der in Scheinfeld wohnhafte Theodor Kotzenbauer. Er ist seit Jahren fester Bestandteil der rechtsextremen Szene Mittelfrankens. Der ehemalige Kader der mittlerweile verbotenen Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF)8 und der Wiking-Jugend9 (die bis zu ihrem Verbot eine der zahlenmäßig stärksten neofaschistischen Jugendorganisationen war), betreibt noch immer den neofaschistischen Videoodal Videoversand10 , der Filme von NPD-Aufmärschen und Veranstaltungen verkauft.

Fazit

RechtsextremistInnen im Landkreis fühlen sich nicht ausgegrent. Auch wegen Teilen der Jungen Union und Teilen der CSU, die – wie beispielsweise Dieter Hummel – keine Scheu zeigen in rechten Publikationen zu schreiben. Unüberhörbar ist auch die Nähe vieler Politiker-Äußerungen zu rechten Stammtischparolen. Es gibt Verflechtungen von offenen Neonazis zu örtlichen Jugendcliquen und Vereinen. Im Landkreis stehen die Rechtsextremisten nicht mehr neben, sondern inmitten der Gesellschaft. Auf Festen und Kirchweihen stören sich die Anwesenden nicht an der massiven Präsenz von Neonazis, obwohl diese dort häufig mit offen neonazistischen Symbolen erscheinen.

Das AIB schreibt in einem Bericht zur Region Mittelfranken: »Die Bedingungen in Franken garantieren nahezu Laborbedingungen, um Strukturen aufzubauen und Anhänger zu rekrutieren. Vor allem in den ländlichen Gebieten Mittelfrankens findet man eine dominierende rechte Jugendkultur«11 . Auf kaum einen anderen Landkreis in Mittelfranken dürfte diese Einschätzung besser zutreffen als auf Neustadt/ Aisch-Bad Windsheim. Denn in anderen Gegenden, in denen Rechtsextremisten versuchen Fuß zu fassen, gibt es Antifaschisten oder eine »zivilcouragierte« Öffentlichkeit, die dem zumin­dest ansatzweise entgegentreten. Im Landkreis Neustadt gibt es derartigen Widerstand bislang nicht.

  • 1Homepage der Stadt Bad Windsheim, www.bad-windsheim.de/geschichte_1.html, 15.11.02
  • 2JU-Kreisverband, www.ju-nea-kreis.de, 17.11.02
  • 3JU Kreisverband: www.ju-nea-kreis.de/, 18.11.02
  • 4Wochenzeitung, »Flut verdrängt Hartz«, 27.10.02
  • 5Dieter Hummel., »Wider die Zeitgeister in der Union«, Junge Freiheit, 42/95.
  • 6ebenda
  • 7Knütter, Hans-Helmuth, Die Faschismuskeule, Ullstein-Report
  • 8vgl. Drahtzieher im Braunen Netz, Hamburg 1992, »Die Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front«, S. 37
  • 9Drahtzieher im Braunen Netz, Hamburg 1996, S. 142
  • 10Drahtzieher im braunen Netz, Hamburg 1996, »Wikinger in führenden Funktionen der Bewegung«, S. 142
  • 11Antifaschistisches Infoblatt, »Das sind ganz nette Jungs,« 3.2000, S. 28