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Jede Menge Schmutzwäsche: Neues aus den Reihen der Berliner Polizei

Einleitung

Das »Horst-Wessel-Lied« der Nazis erfreut sich unter einigen (Berliner) Polizisten offenbar großer Beliebtheit, wie der Presse zu entnehmen war. Daß solcher Ungeist nicht ohne Taten bleibt, zeigen die jüngsten bekannt gewordenen Übergriffe durch Polizeibeamte. Die Ermittlungen gegen solche Umtriebe kommen äußerst schleppend in Gang und ohne öffentlichen Druck passiert meistens fast gar nichts.

Foto: digitalcosmonaut; CC BY-NC-ND 2.0

Symbolbild: Am Platz der Luftbrücke, wo die Berliner Polizei mit dem Polizeipräsidium und dem Landeskriminalamt ansässig ist, sind NS-Symbole nur rudimentär entfernt worden.

Im Falle der massiven Durchsetzung der Berliner „Freiwilligen Polizeireserve“ (FPR) mit Waffenschiebern und militanten Neonazis (siehe AIB Nr. 22) beurteilte der Grünen- Abgeordnete Wolfgang Wieland die Politik von Senatsparteien und Polizei als »konzertierte Weißwascheraktion«. Ein 26jähriger Polizeiobermeister, der bei einer Gartenparty in der Nacht zum 1. August 1992 in der Berlin-Britzer Laubenkolonie »Alpental« das »Horst-Wessel-Lied« mehrfach laut gegrölt hatte, ist am 11. Mai 1993 vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Aufschlußreich waren die Aussagen des Ausbilders während der Verhandlung: Er könne »nicht bestreiten«, daß das Lied auf "Kameradschaftsabenden" gelegentlich gesungen wird. Während der Dienstzeit sei dies jedoch nicht allgemein (!) üblich. (Kurioserweise wurde sowohl dieser, als auch ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in ihren Gärten zu Zeugen des Gesangs). Daß das Lied gelegentlich doch während eines Einsatzes gesungen wird, zeigte sich am diesjährigen 1. Mai, den die Polizei wieder zum Anlaß nahm, den Berliner Bezirk Kreuzberg in ein „Heerlager“ zu verwandeln. Zu einer Polizei-Demonstration ganz eigener Art kam es dabei in den späten Abendstunden, als circa zwei Dutzend sich im Einsatz befindende Angehörige einer niedersächsischen BGS-Einheit, die in Ahrensfelde (Brandenburg) stationiert ist, blockartig durch die Oranienstraße marschierten und dabei das »Horst-Wessel-Lied« grölten. Zwei Anwohnerinnen der Oranienstraße, die aufgrund ihrer Beobachtungen Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen die BGS-Beamten stellen wollten, wurden von der Polizei zunächst abgewiesen. Erst mit Hilfe eines Anwalts konnten sie die Anzeige ertrotzen. Aber trotz der Aussagen der beiden Frauen und trotz eines Amateurfilms, der ihre Angaben stützt, wurde inzwischen das Verfahren eingestellt

Rassistische Übergriffe

Häufig kommt es bei Polizeimaßnahmen zu rassistischen Äußerungen oder Handlungen. Besonders bei den in vielen Städten verstärkten Razzien gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte, die häufig genug mit dem Ziel erfolgen, die Flüchdinge zu kriminalisieren, kommt es zu Übergriffen durch die (Berliner) Polizei.

Bei einer Razzia am 9. März, an der offensichtlich auch Mitglieder der verrufenen „Freiwilligen Polizeireserve“ teilnahmen, wurden mehrere Vietnamesen festgenommen. Einer der Festgenommenen mußte in Handschellen auf dem Bauch mit dem Gesicht im Dreck liegen, während ein „Reservist“ auf ihm kniete. Erst nachdem sich mehrere Passanten einmischten, durfte der Mann wieder aufstehen. Ebenfalls im März 1993 berichteten einige Medien nach einer Sendung von »Kennzeichen D« (ZDF) über mehrere Fälle, die sich wiederum in Berlin abgespielt hatten, bei denen ausländische BürgerInnen durch Beamte im Einsatz mißhandelt oder rassistisch beleidigt worden waren.

Demnach finden auf den zwei Polizeirevieren 31 und 33 in der Bismarckstraße in Charlottenburg und in der Perleberger Straße in Moabit beinahe systematische Übergriffe auf AusländerInnen statt Dies wurde auch durch die Aussage eines Beamten, der es vorzog anonym zu bleiben, bestätigt1 . Im Mai 1993 wurde ein weiterer Vorfall bekannt, der sich bereits vor einem Jahr ereignet hatte und an dem acht Berliner Polizeibeamte beteiligt waren2 . Die Berliner Polizisten randalierten in einer Dachauer Gaststätte und pöbelten den italienischen Türsteher mit rassistischen Ausdrücken an. Eine Schlägerei konnte gerade noch durch eine herbei eilende Polizeistreife verhindert werden. Die randalierenden Beamten, die an einer Fortbildung teilgenommen hatten, seien anschließend »gemaßregelt« worden. Disziplinarisch belangt wurde jedoch keiner. Ganz ähnliche Berichte gibt es aus fast allen Bundesländern. Dazu ein letztes aktuelles Beispiel aus Brandenburg: Dort wurde gegen drei Polizeidienst-Anwärter der Landespolizeischule in Oranienburg wegen Beteiligung an rechten Ausschreitungen ermittelt. Laut „die tageszeitung“ (taz) vom 16. März 1993 soll einer der drei (nach anderen Berichten vier) Polizeischüler bereits vom Dienst suspendiert worden sein. Genauere Angaben zu den begangenen Straftaten wollte der Sprecher der Polizeischule nicht machen.

Aufgrund der vermehrten Meldungen von Übergriffen durch die Polizei, hat sich in Berlin bei der „Antirassistischen Initiative“ (ARI) mittlerweile eine „Arbeitsgruppe Rassismus und Polizei“ gebildet, die solche Fälle systematisch sammeln und dokumentieren will.

  • 1So auch ein Polizeibeamter im "Tagesspiegel" vom 9. März 1993, was von der Innenverwaltung im selben Beitrag als „in keinem Fall bestätigt“ bezeichnet wird.
  • 2Wenn Polizisten „auf die Pauke hauen“..., taz (die tageszeitung) 12. Mai 1993