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Interview zum Mord an Silvio Meier

Zeitung telegraph
Einleitung

Wir veröffentlichen hier Auszüge aus einem Interview, welches Wolfgang Rüddenklau für die Zeitschrift „telegraph“ Anfang Dezember 1992 mit einem der Beteiligten gemacht hat.

Foto: Oliver Wolters; CC BY-SA 2.0 de

telegraph: Wieso habt Ihr nicht anders reagiert? Wart Ihr geschockt, als sie Euch dort mit Messern empfingen?

Jörn F.: Wir haben nicht angenommen, daß die noch oben stehen. Ich habe auf der Treppe irgendwie gehört, daß oben einer fragte »Gehen wir runter?«. Die hatten sich oben formiert. Bei zweien, die an der Wand standen, habe ich gesehen, daß sie ein Messer bereithielten. Der Rest ging sehr schnell. Gesehen habe ich eigenttich nur, was mit Ekke passiert ist. Zwei oder drei haben sich mit ihm gekampelt, während einer von hinten zugestochen hat.

telegraph: Wie Silvio umgekommen ist, hast Du nicht gesehen?

Jörn F.: Nein, das habe ich nicht gesehen, Ekke auch nicht was Christine gesehen hat, weiß ich nicht. Das geschah an einem anderen Platz. Es ging hin und her, es geschah an vielen Punkten, ich selbst wurde an der Stirn verletzt, in die Seite gestochen und danach zusammengetreten, Silvio lag an dar Treppe zum U- Bahnhof.

telegraph: Es gibt unterschiedliche Darstellungen darüber, wann die Polizei eingetroffen ist. Von der Polizei selbst, die angibt zwölf Minuten später erschienen zu sein bis zu Aussagen, daß sie erst eine Stunde später ankam.

Jörn F.; Ich hatte kein Zeitgefühl mehr. Ich hatte einen Schock und bin irgendwie umhergerannt. Es könnren schon zwölf Minuten gewesen sein, eine Stunde erscheint mir zu lang. Die ersten, die gekommen sind, waren meiner Erinnerung nach Wachschutzleute. Die standent zu zweit zehn oder zwanzig Meter entfernt und beschäftigten sich damit, ihren Hund zu beruhigen, statt Erste Hilfe zu leisten. Ich weiß gar nicht, wozu diese Leute da sind, außer zum Verprügeln von wehrlosen Betrunkenen. Dann kamen uniformierte Polizisten die Treppe runter, wahrscheinlich eine normale Wannenbesatzung. Die leisteten aber auch keine Erste Hilfe, jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern. Ich weiß noch, daß sie mit Notizblöcken herumgerannt sind und irgendwelche beknackten Fragen stellten. Ich bin dann ausgerastet, als sie den röchelnden Ekke fragen wollten. Irgendwann später erst kamen Feuerwehr und Ärzte. Erst durch die sind wir medizinisch versorgt worden. Kurz nach den uniformierten Polizisten kamen dann noch zwei Zivilpolizisten mit gezogenen Knarren die Treppe herunter und guckten, ob sie etwas schießen können. Dann zerrten  sie an Christine rum und wollten von ihr Aussagen haben (…)

telegraph: Wollten Euch diese Typen wirklich töten?

Jörn F.: Ich denke, sie wollten uns töten. Ich glaube nicht, daß sie einfach so ausgetickt sind, sondern da stand eine ganze Menge Berechnung dahinter. Die Ärzte haben ausgesagt, daß die Messerstiche ziemtich professionell waren, nicht irgendwelche Affektstiche. Die Leute müssen das schon geübt haben. Sie haben Stechen und Schneiden kombiniert. Ja, ich bin mir sicher, daß sie uns umbringen wollten. Sie standen schon mit gezogenen Messern da, als wir hochkamen. Und außerdem, wenn man jemanden Stiche in den Oberkörper verpaßt, kann man wohl sicher sein, daß der stirbt. Ich hatte den Eindruck, daß die beiden, die mit dem Messer zugestochen haben, uns ziemlich durchdacht abgestochen haben.

telegraph: Welchen Eindruck hattest Du im Krankenhaus vom Vorgehen der Polizei …

Jörn F.: Die ersten Vernehmungen wurde mit mir zwei bis drei Stunden nachdem ich zusammengeflickt worden war gernacht. Ich war immer noch ziemlich fertig. Da wurde mir schon zum ersten Mal mit Beugehaft gedroht. Ich hatte den Eindruck, daß sie von Anfang an parteiisch waren.

telegraph: Es ging ihnen darum, die Politik herauszuhalten?

Jörn F.: Bei der dritten Vernehmung ging es ausschließlich darum. Vor allem wollten sie aus der Welt schaffen, daß es sich um Rechtsradikale handelt. Da haben sie alles drangesetzt bis zu Lügen. Sie haben mir gegenüber behauptet daß Ekke gesagt hätte, daß es keine Rechtsradikalen waren, was natürlich nicht stimmte. Dann haben sie versucht, die Zwischenzeit zwischen der Kampelei und der Messerstecherei aus der Welt zu schaffen, um zu konstruieren, daß die sich verteidigt hätten. Von meinen Aussagen sind keine Protokolle angefertigt worden, die Polizisten haeben sich höchstens mal ein paar Stichpunkte gemacht. Ich habe beispielsweise das Messer genau beschrieben. Das ist einfach nicht zur Kenntnis genommen worden. (…)

telegraph: Was sind für Dich die Konsequenzen aus dem, was geschehen ist? Was kann man gegen derartige Überfälle tun?

Jörn F.: Die Konsequenz für jedeN sollte sein, noch mehr auf Nazis zu achten und sich noch mehr mit ihnen auseinanderzusetzen, jedeR auf seine Weise. Auf jeden Fall sollte sich keineR einschüchtern lassen, weil sie genau das wollen. Treffen kann es jedeN und überall.