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Interview mit Kritik & Praxis – Berlin

AIB: Was war ausschlaggebend für die Auflösung der AAB? Waren es die Diskussionen oder das Fehlen von Diskussionen, die  dazu führten?

Die AAB befand sich in einer Reflektion des Gewesenen und einer Diskussion über die Neuausrichtung der Gruppe. Die Auflösung fand aufgrund einer Diskussionsverweigerung durch Mitglieder der heutigen ALB statt. Diese sahen in Folge bestehender Gruppenkonflikte keine Basis mehr für eine gemeinsame Neuausrichtung und sabotierten diese durch öffentliche Provokationen. Unterschiedlich waren die Positionen in Bezug auf Bewegungspolitik, das Konzept Antifa und Verortung innerhalb der Linken.

AIB: Waren die Gegensätze zwischen den Flügeln denn tatsächlich unüberbrückbar?

Da eine Klärung der Differenz nicht stattgefunden hat, lässt sie sich nicht hinreichend darstellen. Die Unüberbrückbarkeit bestand in der Unfähigkeit der traditionell Orientierten, ihre Haltungen in der internen Diskussion argumentativ zu begründen. Diese argumentative Unterlegenheit führte bei ihnen zu Frustration, besonders unter der Voraussetzung, dass sie den praktischen Anteil der Politik der AAB
als ihre Leistung wahrnahmen.

AIB: Wenn das Konzept des revolutionären Antifaschismus, als Hebel zur Kapitalismuskritik, durch die ebenfalls kapitalismuskritische so genannte Antiglobalisierungsbewegung an Bedeutung verliert – welche Rolle spielt die Antifa-Arbeit im Sinne einer Anti-Nazi-Arbeit dann noch?

Der revolutionäre Antifaschismus hat seine Bedeutung nicht wegen der zunehmenden Antiglobalisierungsbewegung verloren, sondern weil eine radikale Kritik des Bestehenden das Bestehende (Staat, Ökonomie, Nation) in seiner Struktur zum Gegenstand haben muss. Beim revolutionären Antifaschismus ging es um eine Zuspitzung des Antifaschismus zur Systemkritik. Für Systemkritik ist der Antifaschismus im bürgerlichen Staat nicht geeignet, da dieser zum guten Ton des Demokraten gehört. Ob Anti-Nazi-Arbeit in Zukunft bei uns eine Rolle spielt, muss noch geklärt werden. Weiterhin gilt: der Schaden des Faschisten ist unsere Freude.

AIB: Die Frage wie stark mensch in seiner politischen Arbeit innerlinke Diskussionen und Kritik und/oder den eigenen Aktionismus gewichtet, beschäftigte ja nicht nur die ex-AAB. Hat Euch die Trennung nach vorn gebracht?

Es gilt, das linke »Wir« zu zerstören. Gemeinsamkeit sollte keine emotionale, sondern eine rationale sein. Mit Antisemiten und Fans der gesellschaftlichen Ordnung wollen wir keine grundsätzliche Gemeinsamkeit halluzinieren. Diese ist nicht existent. Wir sind der Ansicht, dass man mit allerlei Leuten zu bestimmten Anlässen zusammenarbeiten kann. Die Unterschiede müssen hierbei deutlich bleiben. Eine Trennung von Kritik und Praxis ist für uns nicht vorstellbar. Die Aufgabe der radikalen Linken ist die Kritik der bürgerlichen Demokratie. Um diese Kritik sichtbar werden zu lassen, muss sie sich in der Öffentlichkeit darstellen. Für dieses Anliegen haben sich bei uns die Voraussetzungen gebessert, weil wir nun die letzten Verehrer nationaler Befreiung und affirmativer Politik hinter uns gelassen haben. Trauriger­weise führen innerhalb der radikalen Linken Diskussionen über die Neube­stimmung der eigenen Politik fast immer zu Auflösung oder Spaltung.

AIB: Mit welcher Strategie sollte auf gesellschaftliche Veränderung adäquat reagiert werden?

Im Zweifel sind wir gegen das Dagegen. Die Kritik der Gesellschaft ist der Zweck der radikalen Linken. Hierbei muss sie zwei Ansprüchen genügen: Erstens muss sie der Gesellschaft entsprechen, somit auch ihrer Veränderung, und zweitens muss sie wahrnehmbar sein.

AIB: Die KP Berlin will ja aus einer inhaltlichen Weiterentwicklung heraus ihre Praxis ableiten, was andere als Diskussion zum reinen Selbstzweck sehen. Warum so und nicht andersherum?

Wenn man sich kein Ziel für sein Handeln setzt, wird man die notwendigen Mittel dafür nur schwer auswählen können. Ziel ist nicht weniger als die Abwendung des beschädigten Lebens im Kapitalismus. Eine Praxis, sich die passenden Ziele ständig hinzudichten, um diese dann als Erfolg abzufeiern, ist etwa ähnlich sinnvoll wie sich jeden Morgen darüber zu freuen, dass man es schafft, die Schnürsenkel kunstvoll zu einer Schleife zu binden.

AIB: Offiziell ausschlaggebend zur Auflösung war ja der unterschiedliche Umgang mit der Friedensbewegung. War das Konzept der strömungsübergreifenden Zusam­men­arbeit mit allen Gruppen, die sich als »links« bezeichnen, zu blauäugig?

Ja, das stimmt. Die AAB hat jahrelang das linke »Wir« groß geschrieben. Mit einer Mischung aus Bourdieu, Luhmann und Marxismus-Leninismus wurde nach Marketing-Kriterien an der eigenen Bedeutung in der medialen Öffentlichkeit gefeilt. Hierbei diente der AAB als Vorteil das Desinteresse an ernsthafter Gesellschaftskritik in breiten Teilen der Linken. Wir haben uns vom Konzept Antifa entfernt und legen mittlerweile Wert auf eine genauere Analyse der gesellschaftlichen Verfasstheit. Hieraus folgt unsere Skepsis gegenüber Positionen und Gruppen, mit denen wir in der Vergangenheit kommentarlos als Einheit in Erscheinung getreten sind.

AIB: Welche Erfahrung habt Ihr mit Eurem Schritt in die politische Praxis vier Monate nach der Trennung gemacht?

Bisher sind wir mit unserer 1.Mai-Demonstration in Erscheinung getreten. Unsere Musik war moderner, unsere Demonstrationsteilnehmer hübscher und die anwesenden Nationalfahnen waren keine von Verliererstaaten. Trotz unserer Bewegungsuntauglichkeit haben sich ausreichend viele Menschen für unsere Demonstration interessiert. Wir haben sogar in unserem Menschenfreundetum den Verfolgten und Entrechteten der Bahamas eine Aufenthaltsgenehmigung auf unserer Demonstration erteilt. Als Mangel bei der Demonstration stellen wir fest, dass wir unser Verhältnis zu dem Israelblock nicht hinreichend geklärt und erklärt haben. Fragwürdig finden wir eine staatskritische Haltung, die sich nationaler Symbole bedient. Den Zusammenhang zwischen Staatskritik und Antisemitismus, der sich hierbei symbolisch in der Israelfahne ausdrückt, finden wir zudem etwas kryptisch.

Infos: www.kp-berlin.de