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Interview mit »Ludia proti rasizmu« – Bratislava

Büro der Gruppe Ludia proti rasizmu nach dem Brandanschlag.

Was war Eurer Meinung nach der Aus­löser für den Angriff auf Euer Büro in Bratislava? Wie haben die Behörden und die Öffentlichkeit auf den Übergriff reagiert? Habt Ihr irgendwelche Informa­tionen über die möglichen Täter?

Ich beginne mal von hinten. Es ist ziemlich offensichtlich, woher die Attacke kam – von Seiten der Neonazis oder ihrer rechtsextremen Unterstützer. Die slowakischen Neonazis könnten mehrere Gründe dafür haben, unsere Organisation anzugreifen. Ganz allgemein gesagt, machen wir ihnen das Leben ziemlich schwer ­– ich würde sagen, dass sie ziemlich in den Untergrund abgedrängt wurden. Sie konnten keine groß angelegten öffentlichen Aktivitäten mehr entfalten, so wie sie es lange Zeit gewohnt waren, sie konnten keine Nazi-Symbole mehr tragen, ohne von der Polizei verfolgt zu werden. Viele von ihren Anführern sitzen im Gefängnis und Vertriebsbeziehungen wur­den aufgelöst und zerstört. Die meisten dieser Dinge sind aufgrund unserer Tätigkeiten passiert und wegen unseres Drucks auf die Polizeibehörde, die Gesetze, die gegen solche Aktivitäten und Bewegungen existieren, auch anzuwenden.

Dennoch ist es für mich sehr überraschend, dass sie uns gerade jetzt angegriffen haben. Wir haben schon lange erwartet, dass so etwas passieren würde, aber nichts ist jemals passiert. Warum gerade jetzt? Das ist mir immer noch nicht richtig klar. Vielleicht hängt es mit einer neuen Generation von Neonazis zusammen oder mit der Gründung von besser organisierten und koordinierten Gruppen in jüngster Zeit. Wir haben viele unterstützende und ermutigende Botschaften bekommen nach dem Überfall und das hat uns sehr geholfen, den ersten Schock zu überwinden.

Die Behörden sind zu meiner großen Überraschung mehr oder weniger ruhig geblieben; es gab keine öffentliche Verurteilung des Angriffs von Seiten staatlicher Behörden. Die Slowakei ist ein Staat, der erst seit kurzem in den größeren Zeitungen Aufmerk­samkeit be­kom­men hat, einmal weil er ein neues Mitglied der EU ist und zum anderen als die Roma gegen die Einschnitte im Sozial­system und gegen ihre Diskriminierung revoltiert haben. Andererseits haben antirassistische und antifaschistische Grup­pen über die Jahre kontinuierlich Nach­rich­ten über Neonazi-Aktivitäten in der Slowakei erhalten.

Könntest Du die momentan wichtigsten Schlüsselorganisationen und/oder -bewe­gungen oder Teile der extremen Rechten in der Slowakei beschreiben sowie ihre hauptsächlichen Betätigungsfelder?

Es gibt zwei Hauptströmungen in der extremen Rechten in der Slowakei. Eine davon (zur Zeit noch immer die stärkere) ist die Strömung der »traditionellen Nazis«. Diese umfasst Organisationen wie Blood & Honour, die Hammerskins, Celtic Tradition und andere lokale Gruppie­rungen. Die meisten der Sympathisanten der Neonazis sind jedoch nicht in einer dieser Strukturen organisiert, sie sind eher Teil von losen Gruppen ohne jegliche feste Struktur.

Die Lage in einigen größeren Städten wie Bratislava, Kosice oder Zilina ist allerdings anders, weil die Bewegung dort besser organisiert ist und Verbin­dungen zu den oben genannten internationalen Gruppen hat, normalerweise über einen der örtlichen Anführer. In diesen Städten entsteht alle paar Jahre eine neue Generation von Neonazis, sie treten dann auf, wenn die älteren mit ihrem Aktivismus aufhören oder sich nur noch als Anführer für die Jüngeren verstehen. Die typischen Aktivitäten sind gewaltsame Übergriffe auf der Straße, Fußball-Hooliganismus (der stark mit diesen Grup­pen verknüpft ist), Aufbau von Internet­auftritten und Web-Seiten, Her­stellung von Magazinen und Plakaten.

Die andere Strömung ist die politische, die offiziell, sozusagen »over ground« agiert. Sie setzt sich zusammen aus älteren rechten Aktivisten, die versuchen, für ihre Ideologie die Unterstützung der Öffentlichkeit zu bekommen. Sie bilden zivile Vereinigungen als eine Vorstufe zur Grün­dung von politischen Parteien, oder sie treten in die Strukturen von schon existierenden politischen Parteien (besonders die Jugendgruppen der nationalistischen Parteien) ein.

Es gibt zwei Organisa­tio­nen, die in diesem Zusammenhang am wichtigsten sind: »Slovenska Pospolitost« (das Slowakische Zusammensein), eine Organisation, die in Trnava sitzt und die »Nove Slobodne Slovensko« (Neue Freie Slowakei), die in Presov und Kosice in der Ost-Slowakei sitzt.

Das »Slovenska Pospolitost« versucht sich als eine Organisation darzustellen, die die traditionellen nationalen Werte verteidigt und für die Slowaken und ihre Rechte kämpft. Sie streben auch danach, die Führer der faschistischen Slowakei im zwei­ten Weltkrieg zu rehabilitieren und sehen sich ganz deutlich als eine Fort­setzung von einigen dieser so genannten slowakischen Staatsorganisationen und deren Ideologie. »Slovenska Pospolitost« ist auch ein Mitglied der International Third Position.

Die andere Organisation – »Nove Slobodne Slovensko« – orientiert sich mehr zur Zukunft hin und auf die Jugend. Sie setzt sich aus ehemaligen Skinheads zusammen, die bereit sind, in die Politik einzutreten und die frustriert sind von der jetzigen politischen Vertretung, besonders von der Situation der nationalistischen Parteien untereinander. Beide dieser Gruppen haben Demonstrationen und Treffen gegen die Nato-Bombardements auf Jugoslawien organisiert, ebenso aber auch bei Jubiläumsfeiern oder Gedenk­zere­monien für Menschen, die mit dem slowakischen Staat verbunden sind. Den­noch sind sie in ihrem Bemühen, breitere öffentliche Unterstützung zu bekommen, gescheitert.

Welche Rolle spielen Blood & Honour und/oder die Hammerskin Nation für die Neonazi-Bewegung in der Slowakei? Konntet Ihr eine Stärkung der internationalen Beziehungen von B&H Slovakia beobachten? Und habt Ihr irgendwelche speziellen Verbindungen zwischen slowakischen und deutschen Neo-Nazis feststellen können, d.h. zwischen B&H und auch der NPD?

Wie ich schon vorher erwähnt habe, spielen internationale Organisationen wie B&H eine zentrale Rolle dabei, die Ideologie zu verbreiten und die Gruppen in der Slowa­kei besser zu organisieren und untereinander zu verknüpfen. Viele Fälle zeigen außerdem internationale Beziehungen vom slowakischen B&H-Zweig zu anderen Ländern. Bis zum Jahr 2001 wurden viele Konzerte mit ausländischen Bands auf slowakischem Gebiet organisiert, zu denen ausländische Neo-Nazis in großer Zahl anreisten. Einige der bekanntesten slowakischen Bands (wie z.B. Justici, Juden Mord oder D.M.S.) spielten außerdem bei diversen Konzerten im Ausland und Anführer einiger Zweigstellen nehmen an Zusammenkünften und Treffen im Aus­land teil (wie z.B. der Beerdigung von Marcel Schilf etc...). Ganz besonders die Zweige in der Ostslowakei unterhalten rege Kontakte sowohl mit den westlichen als auch mit den östlichen (d.h. Russland) Gruppen und Organisationen.

Wer sind die hauptsächlichen Angriffs­ziele der neo-nazistischen Gewalt? Und wie reagieren die staatlichen Behörden auf die Gewalt? Wie wird mit Roma umgegangen, wenn sie Opfer neonazistischer oder rassistischer Übergriffe geworden sind?

Am häufigsten werden Roma, ausländische Studenten und »alternative Jugendliche« wie Punks oder Skater angegriffen. Die Reaktion der Polizei hat sich in den letzten Jahren ziemlich zum positiven verändert. Dennoch gibt es nach wie vor Probleme in einigen Regionen und zu­meist auf einer niedrigeren Ebene der Polizeikräfte.

Es ist schwierig, allgemeine Aussagen darüber zu treffen, wie die Polizei mit Roma umgeht, die Opfer rassistischer Gewalt sind. Es gab Fälle, in denen die Polizei sie sehr ungerecht behandelt hat, oder sogar auf illegale Weise, und andere Fälle, in denen die Täter gefunden und entsprechend verfolgt und angeklagt wurden. Nach unserem Kenntnisstand hat die Polizei in etlichen Fällen nicht in angemessener Weise reagiert und hat nicht alle Mittel eingesetzt, um die Täter zu finden. Ein ganz anderes Problem ist die Behandlung von Roma, wenn diese als Täter bei Vergehen angeklagt und verurteilt werden. In diesen Fällen handelt die Polizei ziemlich oft sehr grob und unprofessionell. Die Kommunikation und die Beziehungen zwischen der Polizei und den Roma-Gemeinschaften sind voller Misstrauen auf der einen Seite und voller rassistischer Vorurteile auf der anderen Seite. Nach den jüngsten sozialen Unru­hen konnte sich dieses Verhältnis nur verschlechtern und die Kluft zwischen beiden Gruppen nur größer werden.

Wie ist die augenblickliche Lage in den Roma-Gemeinden in den armen Regio­nen der Slowakei nach den Unruhen?

Wir machen keine direkte Arbeit vor Ort, aber nach dem was ich weiß, ist die Situation ziemlich schlecht und die Ursachen für die Unruhen bestehen noch immer, folglich könnten sie auch wieder beginnen. Im Sommer ist die Lage nicht ganz so kritisch, aber im Winter könnte sich das durchaus wiederholen. Es ist sehr wichtig zu erwähnen, dass die Brandstiftungen und Zerstörungen von der Mehrheit der Roma verurteilt wurden und viele von ihnen gesagt haben, sie würden sich schämen für das, was passiert ist und dass solche Dinge ihre Situation nicht verbessern würden.

Was sind Eure Hauptaktivitäten im Moment? Worauf konzentriert Ihr Eure Anstrengungen im Moment? Und mit welchen Schwierigkeiten seid Ihr konfrontiert, wenn Ihr versucht, Eure Forde­rungen in den Medien und der allgemeinen Öffentlichkeit zu artikulieren?

Wir konzentrieren uns im Moment auf verschiedene Dinge. Wir wollen das Wissen der Polizei bezüglich Rechtsextremisten und ihrer Aktivitäten vertiefen. Und dann bereiten wir einen Analysebericht über Rassismus und rassistische Gewalt vor sowie Aktivitäten mit Freiwilligen für die kommenden Sommer-Festivals, an denen wir teilnehmen möchten. Die Medien haben unseren Aktivitäten in der Ver­gangenheit genügend Aufmerksam zuteil werden lassen. Dennoch haben wir sie oftmals dafür kritisiert, wie sie über die Roma-Themen berichtet und wie sie dabei negative Stereotype verbreitet haben. Die allgemeine Öffentlichkeit ist sehr wohlwollend, was unsere Forderung nach einer verbesserten Anwendung der rechtlichen Möglichkeiten und nach einer effektiveren Verfolgung der Neonazis betrifft. Allerdings reagierte sie wesentlich weniger wohlwollend, als die Roma-Problematik zur Debatte stand. Das wurde vor allen Dingen bei unserer letzten Kampagne deutlich, in der wir die rassistischen Vorurteile durchschnittlicher Menschen entlarvt haben.

Glaubst Du, dass die Tatsache, dass die Slowakei nun in der EU ist, positive Auswirkungen für Opfer rassistischer Gewalt haben wird, auf Eure Arbeit und die Situation der Roma? Oder glaubst Du, die Auswirkungen werden vorwiegend negativer Art sein?

Ich bin recht sicher, dass der EU-Beitritt sich positiv auf rassistisch motivierte Gewalt (und ihre Opfer) auswirken wird. Ebenso wie er zu einer Lösung der Probleme, mit denen die Roma konfrontiert sind, beitragen könnte. Diese Schlussfolgerung be­ruht auf verschiedenen Annahmen: Der EU-Beitritt bedeutet, dass sich die slowakische Gesellschaft der Außenwelt öffnen wird. Mehr Ausländer werden herkommen und durch die Begegnung mit ihnen werden sich die xenophoben Einstel­lungen abschwächen. Und auf der anderen Seite werden mehr Slowaken ins Ausland gehen um zu arbeiten oder reisen und werden dadurch sehen, dass die Koexistenz von verschiedenen Kulturen möglich ist.

Die slowakische Polizei kann bessere Ausrüstung und finanzielle Unte­r­stützung erhalten und der Informations­austausch mit anderen europäischen Staaten wird sich verstärken. Dennoch sehe ich natürlich einige Schwierigkeiten. Eine der größten sind die Flüchtlingslager an der östlichen slowakischen Grenze, die alle Flüchtlinge und Migranten, die in einem der EU-Staaten als Flüchtlinge anerkannt werden wollen, aufnehmen sollen. Wenn dies nicht mit irgendeiner Form von Bildungskampagne und Aufklä­rung verbunden wird, könnten die Span­nungen sich bis zu einem gefährlichen Niveau steigern.