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Internes aus dem GdNF Netzwerk

Einleitung

Ein paar Kratzer am Lack. Mehr bedeuten die Verbote der „Deutschen Alternative“ (DA) und der „Nationalen Offensive“ (NO) durch das Bundesinnenministerium und dem „Deutscher Kameradschaftsbund Wilhelmshaven“ – durch das niedersächsische Innenministerium für die „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF) nicht. Dem Antifaschistischen Infoblatt (AIB) liegen interne Schulungsmaterialien aus dieser »Keimzelle einer neuen NSDAP« vor, die dies belegen.

Günther Reinthaler (rechts) bei der Beerdigung von Michael Kühnen. (Foto C.N.)

»Kaderbildung ist der erste Schritt zur Elitenbildung« heißt es in den aus dem Organisationsnetz der GdNF stammenden Papieren. Zur Schulung ihrer Kader sollen sie dienen und diesen das notwendige Rüstzeug für ihre Tätigkeit liefern. Im großen und ganzen finden wir nichts Neues in diesen Materialien. Sie decken sich in vielem mit dem, was wir bereits der „Neuen Front“, der Zeitung der GdNF, entnehmen konnten. Auch wenn nicht jede Planung auf Papier die spätere Realität in der Praxis widerspiegelt machen die Unterlagen konzeptionelle Vorstellungen deutlich. Sie beschreiben noch einmal detaillierter, wie der Organisationsplan aussieht, wie neue Gruppen aufgezogen und geschult werden sollen. Schon beim Durchblättern wird offensichtlich, daß die Verbotsverfügungen von Ende 1992 nicht darauf ausgerichtet waren, die Organisation im Zentrum zu treffen und das Netz arbeitsunfähig zu machen. Michael Kühnen und Co. wußten spätestens nach dem ANS/NA-Verbot 1983, welchen Spielraum der bundesdeutsche Staat ihnen lassen würde; darauf haben sie die Organisationsstruktur der GdNF abgestimmt.

Im Editorial der GdNF-Publikation „Neue Front“ ist in jeder Ausgabe in Kurzform zu lesen, was Tradition und Zielsetzung dieser neonazistischen Strömung sind. Adolf Hitler wird als »Heilsgestalt der arischen Rasse« und die GdNF in der Tradition der SA und des »revolutionären Flügels der historischen NSDAP« gesehen. Hervorgegangen ist die GdNF aus dem „SA-Sturm 8. Mai“ („Freizeitverein Hansa“) und der „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“ (ANS). Ziel ist die Überwindung des NS-Verbotes, wobei sich die GdNF als »Keimzelle der neuzugründenden NSDAP« betrachtet.

"Die Generallinie"

Die Zeitschrift „Neue Front“ zitieren wir, weil dort die »Generallinie« zum Ausdruck kommt, so verkünden es die Schulungsmaterialien, - und zwar »in den praktischen Anordnungen der Führung der (Gd)NF...«. Für die theoretischen Ausführungen der »Generallinie« sorgt das "Politische Lexikon", das Michael Kühnen seiner Gefolgschaft zusammengestellt hatte. Diese »Generallinie« umfaßt Weltanschauung, Traditionsverhältnis, Strategie und Taktik und soll so lange gelten, bis sie nach der Aufhebung des NS-Verbotes durch die »Parteilinie der NSDAP« ersetzt wird. Der »Generallinie« hat sich »jeder Kamerad der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front« unterzuordnen. Strategie und Taktik, denen die Kameraden der GdNF folgen sollen, werden im weiteren aufgeschlüsselt.

Alle weiteren Zitate stammen, soweit nicht anders vermerkt, aus den GdNF- Schulungsmaterialien. Die Strategie soll den Mitgliedern »Handlungsanweisung für Machtgewinn und Machtergreifung« sein. Die alte Kühnen-Strategie, sich offen zum Nationalsozialismus zu bekennen, soll diesen enttabuisieren und in der Folge eine Lawine auslösen. Die Taktik deckt sich im wesentlichen mit der programmatischen Grundlage der ANS/NA (Kampf gegen "Überfremdung" und Umweltzerstörung, Kulturrevolution gegen Amerikanismus ...).

»Frontorganisationen« und »Massenorganisationen«

In den Editorials der "Neuen Front" betont die GdNF, daß sie keine Organisation, lediglich »Gesinnungsgemeinschaft ohne organisatorische Strukturen« sei. In ihren Schulungsmaterialien entwirft sie ein realistischeres Bild: Die GdNF ist demnach eine nach dem Führerprinzip geordnete »Kaderbewegung«. Aufgabe der Kader ist es, das Überleben der Gesinnungsgemeinschaft in Zeiten des Verbotes zu sichern und neue Organisationen zu gründen.

Bei der Schaffung von Organisationen unterscheidet die GdNF »Frontorganisationen« und »Massenorganisationen«. »Massenorganisationen« sind »Vorfeldorganisationen«, keine NS- Organisationen, jedoch vertreten sie Vorstellungen und Forderungen, hinter denen die GdNFler als Nationalsozialisten stehen können. Die GdNF unterscheidet hierbei noch mal zwischen den "Massenorganisationen", die von NS-Kadern gegründet und beherrscht werden und solchen, in denen Nationalsozialisten mitarbeiten.

»Frontorganisationen« sehen sie als »reine NS-Organisationen«, sie dienen zur »Rekrutierung neuer Anhänger für den Nationalsozialismus«. Dazu gehören die verwirrend vielen Gruppen, unter deren Namen das GdNF-Netz auftritt, wie „Nationale Liste“ (NL), Deutsches Hessen (DH) und „Volkstreue außerparlamentarische Opposition„ (VAPO). Diese sind mit Regionalgliederungen der GdNF identisch. Aufgabe dieser »Frontorganisationen« ist es, den politischen Boden vorzubereiten, »den eine nationalsozialistische Organisation dann gesamtheitlich bearbeiten kann.«

Diese Organisationsstruktur ist eine Konsequenz aus den Erfahrungen mit dem Verbot der ANS/NA. Deshalb sind die Frontorganisationen der GdNF so beschaffen, daß sie die Lücken, die durch Verbote von Teilorganisationen entstehen, gleich wieder schließen können. Die GdNF, nur scheinbar ein lockerer Zusammenhang, spinnt – unbeschadet von irgendwelchen Verboten – weiter an ihrem Netz. Die Organisationsstruktur ist durchaus festgefügt und eindeutig definiert; die Neugründungen haben jeweils ihren vorbestimmten Platz, regional und in der Organisationshierarchie, das zeigt sich noch weiter unten.

Interne Organisationsweise

Neben den Massen- und Frontorganisationen wird in dem Kapitel »Interne Organisation« auch kurz die Arbeitsweise der NSDAP/AO beschrieben: Kein organisatorischer Überbau in der BRD sondern selbstverwaltete Zellen. Auch wenn Kühnen sich das Durchbrechen des NS-Verbotes in erster Linie von der legalen Arbeit versprochen hatte, belegt das Anführen der NSDAP/AO an dieser Stelle unsere These, daß es eine gewisse Verzahnung mit der illegalen NSDAP/AO-Struktur gibt.

Desweiteren wird der Organisationsaulbau der GdNF erklärt. Die »Organisationsleitung« ist das »oberste Gremium der Bewegung und letzte Entscheidungsinstanz« und macht die Vorgaben für die »Organisation«. Diese Rolle spielt die Leitung bis zur "Wiedereinsetzung der Parteileitung", sprich bis zur Wiederzulassung der NSDAP. Die einzelnen GdNF-Gliederungen sind bereits ausführlich in dem Buch »Drahtzieher im braunen Netz« beschrieben, deshalb hier nur in Kurzform: Die Materialien führen die »Bereiche« Nord, Berlin, Mitte, Süd, West, Niederlande/Flandern und Ostmark(=Österreich) an; ein neuer Schwerpunkt dürfte mittlerweile in Osteuropa in Gebieten liegen, die dem »Reich« durch die Niederschlagung des Nationalsozialismus abhanden gekommen sind.

Die »Bereiche« unterteilen sich in einzelne »Gaue«, die sich wiederum aus mehreren »Kameradschaften« (vergleichbar mit Ortsgruppen) oder »Stützpunkten« zusammensetzen. Der »Stützpunkt« stellt eine Vorform der »Kameradschaft« dar, besteht aus ein bis drei Personen, für die noch kein »Kameradschaftsführer« bestimmt wurde. Auf den verschiedenen Organisationsebenen gibt es die »Führerthings«. »Allgemeine Führerthings« finden für die Gesamtorganisation statt und »ersetzen in der Zeit des NS-Verbots die Parteitage der NSDAP«.

Ganz im Widerspruch hierzu versuchen sich die GdNF-Gliederungen den Anschein eines nur lockeren Zusammenhangs zu geben. Meinungs- und Informationsaustausch geschieht angeblich nur auf informeller Ebene, Mitgliederlisten würden nicht geführt. Nach außen hin soll es »keinen offiziellen organisatorischen Rahmen« geben. Diese Verschleierung soll ein leichtes Durchschauen der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten innerhalb der GdNF und damit auch ein Vorgehen der Behörden gegen sie erschweren.

Der "Kameradschafsabend":

Sehr detailliert gibt die GdNF vor, wie die »Kameradschaftsabende« zu gestalten sind. Damit nimmt sie nicht nur darauf Rücksicht, daß ihre »Kameradschaftsführer« nicht immer gerade zu den Pfiffigsten zählen, sondern bietet auch den politisch Unerfahrenen einen Rahmen, an dem sie entlang fahren können.

Der Kameradschafsabend:

1 . Wochenbericht durch den Kameradschaftsführer. Bericht über die allgemeinpolitische Lage. Sie soll vor den Mitgliedern analysiert und bewertet werden. So sollen diese das Wissen bekommen, um Propaganda betreiben zu können.
2. Aus dem „Politischen Lexikon der GdNF“ soll jeweils ein Stichwort behandelt und so das ideologische Interesse geweckt werden.
3. Rechtskunde soll anhand der Broschüre „Politische Tätigkeit und Recht“ vermittelt werden (»Basiswissen und Basisverständnis der derzeit gültigen Rechtepraxis«).
4. Aktionsberichte sollen das Gefühl vermitteln, daß bundesweit etwas läuft und so den »Einsatzwillen« aufrechterhalten.
5. Aktionsplanung soll den Aktionswillen der Beteiligten kanalisieren, dazu soll der Kameradschaftsführer Prioritäten setzen.
6. Nach dem Kameradschaftabend sollen politische Aktionen durchgeführt werden.

Konkrete Strukturen

Unter dem Punkt »Mitgliedsbeiträge« wird nochmals die Organisationsstruktur offengelegt: Von den Beiträgen wird die GdNF-Zeitung bezahlt, von dem verbleibenden Betrag geht die Hälfte an die "Kameradschaft", die andere an die "Gauleitung". Diese führt wiederum eine Hälfte an die Bereichsleitung ab, welche dann wieder 50 Prozent der erhaltenen Summe an die Organisationsleitung der GdNF weiterreicht.

Für die Kameradschaftsführer gilt Berichtspflicht. In einem Formular, das sie an die Bereichsleitung schicken müssen, wird vermerkt, ob »jeder Kamerad« an den wöchentlichen Kameradschaftsabenden und Propaganda-Aktionen teilgenommen hat. Monatlich müssen also mindestens acht Eintragungen pro Mitglied vorhanden sein (4x »K« für die Kameradschaftsabende, 4x »A« für die Aktionen, »E« für entschuldigtes Fehlen, ebenso werden die Mitgliedsbeiträge und -rückstände vermerkt).

Als Pflichtlektüre für alle Mitglieder werden die Zeitung „Neue Front“ und das „Politische Lexikon“ angegeben. Außerdem wird allen geraten, der Gefangenenhilfsorganisation „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V.“ (HNG) beizutreten.

Teil-Verbote als Alibi

Anfang April hat das Bundesverwaltungsgericht in Berlin die Ende 1992 ausgesprochenen Verbote bestätigt. Genauso wie letztes Jahr bei der Verbotsverfügung gegen DA und NO durch Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) wird nicht auf das hinter diesen Organisationen stehende Netz eingegangen. Dabei macht es das Auftreten der GdNF dem Staat nicht schwer, Verbotsgründe zu finden. Seit Jahren versucht die GdNF offensiv Tabuschranken zu durchbrechen, um wieder an den Nationalsozialismus zu gewöhnen und ihm ein seriöses Antlitz zu geben. Verbote gegen die GdNF in der jetzigen Form (lediglich vorgeschaltete Teilorganisationen verbieten) haben nur Alibifunktion und sollen dem bundesdeutschen Staat einen schlagenden Arm in petto halten.

Militante GdNF Gruppe in Österreich aufgeflogen

Einblick in den Aufbau einer GdNF- Kameradschaft gab in Österreich Ende letzten Jahres die Gmundener Gruppe der VAPO (GdNF-Bereich »Ostmark«). Am 19. Januar 1992 wurden als Täter des Traunkirchner Anschlags vier Mitglieder von Küssels "Volkstreuer außerparlamentarischer Opposition" (VAPO) aus Gmunden festgenommen. Am 11. November 1992 begann in Wels der Prozeß gegen fünf Aktivisten wegen des Brandanschlages in Traunkirchen und wegen NS-Wiederbetätigung. Dankenswerterweise hatte die Wirkung des Eides, den die Gmundener Faschos auf VAPO-Führer Gottfried Küssel geleistetet hatten – strengstes Stillschweigen über VAPO-Aktivitäten gegenüber der Öffentlichkeit, insbesondere der Polizei - nicht lange angehalten.

Angefangen hatte es mit dem ersten Kontakt der Gmundener Skins mit dem VAPO-Kader Jürgan Lipthay bei einem Eishockeyspliel. Die Kameradschaftsabende verliefen - abgesehen von der Phase, wo sie im Besäufnis endeten - streng nach dem Leitfaden, der in dem Schulungsmaterial vorgegeben ist. Die Kameradschaft wurde am 20.April 1991 gegründet, dazu reisten die VAPO-Größen und reichlich Fußvolk an. Küssel war für das Grundsatzreferat über die VAPO zuständig: Die VAPO sei derart gewachsen, daß sie in 10 Jahren in das Parlament ziehen werde, dann würde sie sich in NSDAP umbenennen. Sollte eine Machtergreifung auf demokrafischen Wege nicht möglich sein, werden sie auf gewaltsame Art an die Macht kommen.

Derart eingestimmt legten die Kameraden los. Ihren ersten militärischen Schritt nahmen sie in einem Wehrsportlager in Langenlois, das Hans-Jörg Schimanek geleitet haben soll. Es sollte auch zur Vorbereitung der Ordnertruppe für die alljährliche Rudolf Heß-Demonstration dienen. Der »Gaubeauftragte" Günther Reinthaler soll auf Aktionen gedrängt, so kam es zumindestens in dem Prozeß zur Sprache. Aktionen folgten auch: In Form von Steinen auf einen türkischen Arbeiterverein und von sogenannten Molotowcocktails auf ein Flüchtlingsheim. Am 20. November 1992 gabe es die ersten Urteile gegen die Gmundner VAPO-Gruppe: Drei Jahre für Alexander Forsterpointner u.a. wegen Sachbeschädigung „als Mittel der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn“, je 18 Monate (davon sechs Monate unbedingt) für die Angeklagten T. und A. und je zwei Monate für die beiden anderen Angeklagten.

Nachtrag

Im Juli 1993 wurden in Salzburg wegen Verstöße gegen das NS-Verbotsgesetz Günther Reinthaler zu vier Jahren und Jürgen Lipthay zu 18 Monaten unbedingter Haft verurteilt. »Diesen Umtrieben wurde zu wenig Augenmerk geschenkt. Es ist an der Zeit, das ernst zu nehmen.«, sagt Richter Eckehart Ziesel.