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Im Dienste der Lügen

Martin Finkenberger Horst Junginger (Hrsg.)
Einleitung

Bei der notwendigen Beschäftigung mit den Themen Auschwitzleugnung und Geschichtsrevisionismus stößt man unweigerlich auf die zahlreichen Veröffentlichungen aus dem rechtsextremen Grabert-Verlag. 

Seit mittlerweile fünfzig Jahren widmen sich die Autoren des Verlags v.a. der Relativierung des Nationalsozialismus unter dem Begriff Geschichtsrevisionismus. Doch die Geschichte des Tübinger Grabert-Verlages hat ihren Anfang im politischen und wissenschaftlichen Wirken von Herbert Grabert, dem Verlagsgründer und Vater des derzeitigen Besitzers Wigbert Grabert. Verschiedene Aufsätze beleuchten die Geschichte des Verlags und seines Gründers, zum Beispiel die Entwicklung Graberts vom Religionswissenschaftler zum Geschichtsrevisionisten.

Bevor näher auf das wissenschaftliche Wirken von Herbert Grabert eingegangen wird, liefert Mitherausgeber Horst Junginger einen kurzen Abriss der Religionswissenschaft im Nationalsozialismus. Dabei wird neben der völkischen Religionswissenschaft als ein Versuch, einen neuen »Deutschen Glauben« im Sinne des NS theoretisch zu erarbeiten und diesen geschichtlich zu untermauern, auch auf deren wichtigste Vertreter eingegangen. Anschließend werden Grabert und sein »Glaube des deutschen Bauerntums« in diesen pseudowissenschaftlichen Kontext gesetzt und seine biographische Entwicklung vom liberalen Protestanten zum völkischen Religionswissenschaftler beschrieben.

Die folgenden Beiträge (vom Mitherausgeber Martin Finkenberger und Oliver Schael) widmen sich der biographischen  Entwicklung Graberts nach dem Kriegsende vom Lobbyisten zum Geschichtsrevisionisten. Denn dieser wurde im Rahmen der Entnazifierung seiner akademischen Stellung enthoben und zeigte sich in den folgenden Jahren sehr klagefreudig gegenüber dem »alliierten Unrechtsregime«. Bei seiner Arbeit für die entlassenen Akademiker sammelt Grabert erste verlegerische Erfahrung und gründet 1953 den Grabert-Verlag.

Zeit seines Bestehens veröffentlichten dieser und das Tochterunternehmen Hohenrain-Verlag revisionistische Bücher wie beispielsweise »Der Auschwitz-Mythos: Legende oder Wirklichkeit?« neben Werken beispielsweise des Vordenkers der Neuen Rechten Alain de Benoist sowie die revisionistische Zeitschrift »Deutschland in Geschichte und Ge­genwart«. Die politische Ausrichtung des Verlagsgeschäfts wurde von Wigbert Grabert nach dem Tod seines Vaters fortgesetzt, so dass strafrechtliche Konsequenzen aufgrund der Veröffentlichungen keine Seltenheit waren.

Im vorletzten Kapitel geht Juliane Wetzel zusammenfassend auf das rechte Familienunternehmen und die verschiedenen politischen Aktivitäten der Graberts abseits des Verlagsgeschäfts ein. Dazu gehört die kurzfristige Orientierung Graberts an der Neuen Rechten um das Thule-Seminar, die aufgrund der relativ geringen Resonanz aber bald wieder dem Geschichtsrevisionismus als Schwer­punktthema wich. Diesen Begriff versucht Wetzel unter Einbeziehung von Antiamerikanismus und Antisemitismus als eindeutig rechte Ideologie aufzuschlüsseln. Abschließend arbeitet Anton Maegerle anhand der Autorenliste des Verlags dessen wichtige Rolle im rechtsextremen Lager heraus.

Mit dem vorliegenden Band wurde der notwendige Versuch unternommen, sich der Person Herbert Graberts als völkischem Religionswissenschaftler und umtriebigem Revisionisten sowie der Bedeutung des Verlages zu nä­hern. Vor allem die verschiedenen Beiträge über Graberts politische Vita sind lesenwert und zeigen ein interessantes biographisches Spannungsfeld. Doch leider mangelt es dem Buch an einer umfassenden Auseinandersetzung mit den Themenfeldern Revisionismus und Auschwitzleugnung sowie einer zeitnahen Beschreibung und Einschätzung des Verlages unter Wigbert Grabert als umtriebigem revisionistischem Verleger.

Martin Finkenberger/ Horst Junginger (Hrsg.)
Im Dienste der Lügen – Herbert Grabert (1901–1978) und seine Verlage
Alibri Verlag
Aschaffenburg 2004