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Heimatschutz

Stefan Aust Dirk Laabs

Mittlerweile sind eine Vielzahl von Publikationen rund um die Enthüllungen zum NSU, deren Umfeld sowie den helfenden Händen von V-Leuten der verschiedenen Ämter erschienen. Unter diesen Monographien und Sammelbänden sticht ein Buch besonders hervor. Mit „Heimatschutz — Der Staat und die Mordserie des NSU“ haben die Journalisten Stefan Aust und Dirk Laabs das Standardwerk zum NSU-Komplex veröffentlicht.

Mehrere Gründe lässt „Heimatschutz“ zur Pflichtlektüre für alle Antifaschist_innen werden. Einer ist der Umfang von 864 ausrecherchierten Seiten. Die Lektüre wird durch den locker geschriebenen journalistischen Stil der beiden Autoren nicht ermüdend, was Fachbücher und wissenschaftliche Abhandlungen oder gar die Berichte der verschiedenen Untersuchungsausschüsse oft auszeichnet. So kann man sich die Tatorte und handelnden Personen beim Lesen bildlich vor dem geistigen Auge vorstellen.

Mit Stefan Aust ist bei diesem Buchprojekt einer der bekanntesten Journalisten Deutschlands an Bord. Der derzeitige Herausgeber der konservativen Zeitung „Die Welt“ erwarb sich sein Renommee u.a. mit dem 1985 erschienenen Buch „Der Baader-Meinhof-Komplex“. In diesem zeichnet Aust kritisch, bisweilen denunzierend die Entstehungsgeschichte der RAF nach. Vom Schreib­stil und Aufbau ähneln sich „Heimatschutz“ und „Der Baader-Meinhof-Komplex“. Viel Raum wird der Beschreibung der Psyche und Verhaltensweisen der Akteure eingeräumt, was bisweilen voyeuristische Züge annimmt.

Dass auf Aust die Charakterisierung „Staatsschutzjournalist“ eher als die des linken Journalisten zutrifft, machte es ihm wahrscheinlich leichter, Quellen zu erschließen, zu denen Autor_innen aus dem antifaschistischen Milieu schwer Zugang bekommen.

In der Vergangenheit war es oft so, dass anlässlich eines Versagens oder gar krimineller Handlungen von Geheimdiensten Informationen darüber gerade aus diesen Institutionen oder durch konkurrierende Stellen an die Öffentlichkeit sickerten. Aus verständlichen Gründen haben Rechercheure aus der antifaschistischen Bewegung ein schlechtes Verhältnis zu Polizei und Geheimdiensten.

Die Beschreibung des V-Leute-Systems der verschiedenen Verfassungsschutzämter ist die große Stärke von „Heimatschutz“. Dieses wird nicht nur abstrakt beschrieben, mit Vor- und Zunamen sowie dem genutzten Decknamen werden Ross und Reiter genannt.

Im Buch wurden auch Informationen publiziert, die in anderen Medien noch nicht zu lesen waren oder in der Flut der Berichterstattung untergegangen sind. Vieles besitzt für sich alleine schon Skandalpotenzial. Es ist der Verdienst dieses lesenswerten Buches, einer breiteren Öfentlichkeit erneut deutlich gemacht zu haben, dass immer, wenn sich Neonazis bewaffneten, V-Leute der verschiedenen Dienste nicht weit weg waren.

Aust, Stefan; Laabs Dirk (2014):
„Heimatschutz — Der Staat und die Mordserie des NSU“
Pantheon Verlag, 864 Seiten, 22,99 EUR