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Hattingen - Lübeck. Die Brandanschläge in der Barbarisierung der Gesellschaft

Prozessgruppe zum Fall Hattingen und AG zu rassistischen Ermittlungen

Wo Mutmaßungen zu Fakten werden, und diese Fakten zu ideologischen Konstrukten gerieren, die mit zwei Sätzen gleich die widersprüchlichen Machtverhältnisse ganzer Gesellschaften erklären, da sind wir wieder mittendrin - mitten im Diskurs einer antideutsch-deutschen Linken, wie er gerade in der Arbeit um den Lübecker Brandanschlag vom 18. Januar 1995 besondere Blüten getragen hat. Zwar fehlen bis heute die Belege, dennoch werden schnell alle Beteiligten, seien es vermeintliche Belastungszeugen gegen Sahran Ayid oder vier durchschnittliche »Rechte« aus Grevesmühlen, zu organisierten Faschisten. Und Feuerwehrleute sowie Polizisten mutieren per se zu blutrünstigen Rassisten; »Überlebende werden (in der Brandnacht, d. Red.) daran gehindert, andere zu retten«. Wer, wie das Lübecker Bündnis gegen Rassismus, gar für das Bleiberecht der Flüchtlinge mit Sozialdemokraten und Kirchen um eine humanitäre Geste kungelt, will demnach angeblich mit populistischer Ansprache Elite und Mob des rassistischen Konsens gewinnen. Die deutsche Volksgemeinschaft präsentiert sich schließlich am einfachsten als analytisches Gesamtwerk, als Holzschnitt, der kaum mehr Platz für gesellschaftliche Intervention bietet. Die Fronten sind also klar, mit denen sich die »AG zu rassistischen Ermittlungen« in einem Beitrag des Buches mit dem etwas kryptischen Titel »Die Brandanschläge in der Barbarisierung der Gesellschaft, Hattingen-Lübeck« präsentiert. Aus »ungeteilter Parteilichkeit« und der richtigen Erkenntnis, daß bei Bränden in Flüchtlingsheimen bis zum Beweis des Gegenteils immer von deutscher Täterschaft auszugehen ist, zieht die AG schlichte Konsequenzen: Grautöne werden ausgeblendet und Wahrheiten nach den Anforderungen der eigenen Thesen zurechtgebogen. Dabei finden sich auf den 264 Seiten neben den Beiträgen der Hamburger Gruppe, die selbst in der Solidaritätsarbeit aktiv war, wesentlich differenziertere und interessantere Texte über die »wundersame Verwandlung der Opfer in die Täter und der Angreifer in die Opfer«. So beschäftigt sich der »Autonomie-Theoretiker« und Rechtsanwalt Detlef Hartmann in seinem Artikel »Der Strafprozeß als Sozialprozeß« mit der gesellschaftlichen Inszenierung, die parallel zum Verfahren gegen Safwan Eid stattgefunden hat. Und er widerspricht den verschwörungstheoretischen Thesen vom Komplott einer einseitig ermittelnden Staatsanwaltschaft. Die mitherausgebende »Prozeßgruppe zum Fall Hattingen« beschreibt, wie die Verfolgungsbehörden nach dem Anschlag auf das Haus der türkischen Familie gegen die Bewohner ermittelt und konsequent jeden faschistischen Hintergrund ausgeblendet hatten. Nicht zuletzt kommen auch die überlebenden Opfer des Lübecker Brandes zu Wort, schließlich waren es vor allem sie, die mit ihrem unermüdlichen Einsatz dafür gekämpft haben, daß Safwan Eid freigesprochen werden mußte. Daß jedoch trotz einiger ähnlich orientierter Texte die Widersprüche unter den Autoren und Autorinnen bereits bei der Produktion des Buches dominierten, läßt sich kaum verleugnen. So werden die Beiträge von einem Vor- wie auch Nachwort des Verlages umrahmt, die bemüht sind, Positionen der »AG zu rassistischen Ermittlungen« Paroli zu bieten: "Bisher haben wir uns in unserer Begrifflichkeit den nationalen Homogenisierungen immer verweigert, weil wir die Konstruktionen der herrschenden Politik nicht nachvollziehen und bestätigen (...) wollten. Gerade diese Ambivalenzen machen das Buch lesenswert - zumal die »AG gegen rassistische Ermittlungen« selbst eine brauchbare Kritik an antideutschen Ansätzen formuliert.

Hattingen - Lübeck. Die Brandanschläge in der Barbarisierung der Gesellschaft

Prozessgruppe zum Fall Hattingen und AG zu rassistischen Ermittlungen

Berlin, Göttingen: Vlg. d. Buchläden Schwarze Risse/Rote Straße 1998
264 S., DM 18,-