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Hagal - Die Allumfassende ?

Einleitung

Anzeigen und Rezensionen in einschlägigen Publikationen des rechten Spektrums weisen die interessierten LeserInnen auf eine vierteljährlich erscheinende Zeitschrift hin, welche sich ausführlich mit dem europäischen Brauchtum beschäftigt. Das Blatt heißt "Hagal - Die Allumfassende" und der Name ist Programm: »Hagal stellte in ihrem Wesen als Rune genau das dar, was eine Zeitschrift beinhaltet und was mit ihr erreicht werden soll - allumfassend zu sein, und sich auf einen allumfassenden Leserkreis auszuwirken.« Ein strömungsübergreifendes Projekt also, wie schon die Rezeption von Neurechten bis hin zu (militanten) Neonazikreisen nahelegt. Konsequenterweise geht die Redaktion mit diesem Selbstverständnis auf Kundenfang und druckt diese positiven Bewertungen ihrer Arbeit auf Werbeflyern ab. Wer hinter der Hagal steht, womit sie sich beschäftigt und welche rechten Kreise sie erreicht, soll im folgenden Beitrag dargestellt werden.

Bild: Faksimile aus CH-Broschüre der Antifa West Bielefeld

Werner Georg Haverbeck vom Vlothoer Collegium Humanum gilt als ein geistiger Ziehvater des Hagal Projektes.

Der geistige Ziehvater

Bereits seit annähernd zwei Jahren beglückt der Verlag Zeitenwende von Sven Henkler aus Radeberg die interessierte rechtse Szene mit seiner Zeitschrift "Hagal - Die Allumfassende".

Das neue Projekt Hagal ist nicht das erste seiner Art aus dem Kleinverlag Zeitenwende. Schon einmal, von 1995 bis 1997, konnte über die Verlagsanschrift in Dresden eine Zeitschrift bezogen werden - die Zeitenwende. Sie orientierte sich stark an den Werken von SS-Ahnenerbe-Mitbegründer Hermann Wirth und dem Heimatdichter Hermann Löns, der als Urvater des nationalsozialistischen Werwolf-Gedankens gilt.

Diese inhaltliche Fixierung wurde durch die Mitarbeit von einigen namhaften Personen - meist ökologisch orientiert -aus dem rechten Spektrum bewirkt, für die Werner Georg Haverbeck vom Vlothoer Collegium Humanum und bekanntester Schüler von Wirth exemplarisch ist. Haverbeck war viele Jahre führender Mitgestalter der Volkstums- und Heimatarbeit im Nationalsozialismus. Parallel zu ihrer publizistischen Tätigkeit organisierte der Freundeskreis Zeitenwende einige Veranstaltungen mit Referenten aus heidnischen und/oder rechten Kreisen, wobei die meisten Kontakte zu ReferentInnen durch Haverbeck vermittelt wurden. Sieht man sich den Einfluß von Haverbeck, sowohl ideologisch als auch praktisch, auf den Freundeskreis Zeitenwende an, so kann er als geistiger Ziehvater seiner AktivistInnen benannt werden.

Im Sommer 1997 mußte die Zeitenwende ihr Erscheinen einstellen, nachdem antifaschistische Aktivitäten eine ihrer Veranstaltungen mit dem Schweizer Holocaustleugner Bernhard Schaub verhindert und die völkische Ausrichtung der Zeitschrift öffentlich gemacht hatten.

Die Struktur

Nach 18 Monaten schien wieder genügend Kraft und Selbstvertrauen getankt worden zu sein, um die Herausgabe der Zeitschrift Hagal - Die Allumfassende in Angriff zu nehmen.

Der Name Hagal rührt von der Hagalaz-Rune her. Von 1930 bis 1934 gab es eine Zeitschrift der Münchener Edda-Gesellschaft, die von Rudolf John Gorsleben begründet wurde und ebenfalls nach der Hagal-Rune benannt war. Die gleichnamige Schrift gab Karl-Maria Wiligut, Mitinitiator der Wewelsburg als SS-Ordensburg, Anfang der 30er Jahre heraus. Dieser ideologische Bezug auf Wiligut ist bei einigen Aspekten der Zeitschrift als programmatisch wahrzunehmen.

Strukturell schlug man neue Wege ein. Die Mitarbeit am Projekt wird inzwischen von Regionalredaktionen unterstützt, die sich u.a. aus Interessierten und BesucherInnen von Veranstaltungen des Freundeskreises Zeitenwende zusammensetzen. Gegenwärtig werden im Impressum der Zeitschrift die Hauptredaktion in Dresden undzwei dieser regionalen Ableger benannt. Für die Dresdner Gruppe zeichnen Sven Henkler und Steffen Behnke verantwortlich, die bereits an der Zeitschrift Zeitenwende federführend beteiligt waren. Die anderen Redaktionen, Thüringen und Rheinland, werden von Olaf Neubauer (Arnstadt) und Markus Fernbach (Grefrath) betreut. Roger Rüegg, Schweizer Redakteur des Blattes, verließ Ende 1998 das Redaktionsnetz. Einer der Autoren im Verlagsrundbrief, einer unregelmäßig erscheinenden Ergänzung zur Hagal, war der regelmäßige rechte Referent Karl-Heinz Baumgartl. Ansonsten halten sich die Autoren eher bedeckt und arbeiten mit Pseudonymen.

Die Inhalte

»Die europäische Krise der Gegenwart drückt sich in verschiedenen Symptomen aus: Kulturelle Dekadenz, politische Ratlosigkeit, wirtschaftliche Unsicherheit, gefährdete Natur, Geburtenarmut der Einheimischen bei gleichzeitiger Masseneinwanderung kulturfremder Bevölkerungsteile« ist in einer Anzeige für das Buch »Reich Europa«, einer Veröffentlichung des Verlages Zeitenwende, zu lesen. Was hier verkürzt aus rechter Sicht als Problem benannt wird, verdient eine eingehendere Betrachtung.

Politisches Konzept der Hagal ist Europa als Reich. »Die Wahrung des deutschen Charakters Mitteleuropas, einschließlich seiner ethnischen Homogenität, sei die Voraussetzung, die große Aufgabe der Zukunft, die Schaffung des Heiligen Reiches in neuer Gestalt, zu bewältigen«. Dieser Reichsgedanke ist eng mit einem antiaufklärerischen Gesellschaftsbild verbunden, verortet sich also konträr zu den Grundwerten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der französischen Revolution von 1789. Besonders der Egalitarismus - die Gleichheit - sei es gewesen, der die Menschen in der Gegenwart zu einer kulturlosen Masse verkommen ließ - so oder so ähnlich ist es immer wieder in den Veröffentlichungen des Freundeskreises Zeitenwende zu lesen. Die Kritik an der vermeintlichen »kulturellen Dekadenz« zieht sich wie ein roter Faden durch alle Ausgaben der Hagal und wird in den verschiedensten Formen abgehandelt und kritisiert.

Obwohl die gewählten Beispiele vielfältig sind, ist ihre Essenz immer die selbe: die Gesellschaft als dumme Masse, die die alten Bräuche und Riten für Luxus und Wohlstand fallen läßt. Auffällig ist immer wieder die Verknüpfung religiöser Themen mit den Gegebenheiten der Gegenwart. So spannt ein Dr. Mathias Weifert den Bogen von der christlichen Unterdrückung des Sonnenkultes über die Einschränkung der Freiheit hin zur gegenwärtigen weltweiten Vertreibung von Menschen. Eng mit diesen Konstruktionen verbunden ist der ausgeprägte Antisemitismus beim großen Teil der Autorenschaft der Hagal. Diese antisemitische Ausrichtung, begründet in der Ablehnung des »Judäo-Christentums« als angeblicher Wurzel der Dekadenz und der »Mißgeburt der westlichen Gesellschaft«, steht eng in Verbindung mit einer Kulturkritik, die ihren Hauptfeind im american way of life sieht. Exemplarisch steht dafür Sven Henkler. Ausgangspunkt eines seiner Beiträge sind Boykottaufrufe gegen die Schweiz in den USA. Geflissentlich verschweigt Henkler, daß diese im Zusammenhang mit dem Umgang der Schweizer Banken mit ihrer Nazivergangenheit standen. Vielmehr freut sich der Autor über einen neue Anti-Amerika-Welle bei den Eidgenossen: »Sicher soll es nicht das Ziel sein, den USA den Kampf auf allen Ebenen anzusagen und sie ausbluten zu lassen, doch ein erstarkender Gegenspieler vor allem auf kulturellem Gebiet fehlt seit langer Zeit, um den 'Herren der Welt' zu zeigen, was Kultur überhaupt ist und bedeuten kann.« Ähnlich rabiat wird argumentiert, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Menschen und seiner Herkunft konstruiert wird.

Besonderer Beliebtheit erfreut sich die »Volksseele«, welche in der Tradition der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie steht. Logisch, daß bei den Diskussionen der AutorInnen- und LeserInnenschaft die Rede auch auf die »Seelenstruktur und den Volksgeist des germanischen Menschen« kam.

Die Inhalte in der Praxis

Mit der Durchführung regelmäßiger Tagungen und Seminare will das Blatt die LeserInnen enger an sich binden und die Diskussion zwischen beiden Seiten intensivieren. Folglich fand im August diesen Jahres eine dreitägige Veranstaltung mit dem Titel "Die Wewelsburg, Weisthor und Otto Rahn" im Collegium Humanum in Vlotho statt. Die Aspekte dieses Wochenendes sind bereits im Ansatz deutlich: die Wewelsburg als ehemaliges spirituelles Zentrum der SS im Nationalsozialismus, Karl-Maria Wiligut alias Weisthor, spiritueller Vordenker der SS und Otto Rahn, SS-Gralssucher und Mitglied des SS-Ahnenerbes. Eine Tagung also, die sich mit den SS-Mythen des heiligen Grals und der Wewelsburg als spirituellem Zentrum befaßte. Nur: Jedwede propagierte angebliche Einzigartigkeit der Burg als spirituelles Zentrum bzw. eine konstruierte Achse Wewelsburg - SS - Schwarze Sonne ist religiös-politisch motivierter Aberglaube.

In den wissenschaftlichen Ausarbeitungen ihres Forschungsvereines wird klar bewiesen, daß die Wewelsburg für die SS eine Art Ausweichkauf darstellte, da die ursprünglich angedachte Burg nicht erwerbbar war. Durch ein Mißgeschick der OrganisatorInnen war der Wewelsburg-Besuch eher ein Reinfall: Aufgrund eines Buchungsfehlers ging der vorbereitete Rundgang der SeminarteilnehmerInnen nur durch die alten Räumlichkeiten der Burg, während sie von ihrem NS-Teil nichts zu Gesicht bekamen. An der Person Wiligut und der Wewelsburg zeigen sich ideal die Überschneidungen zwischen heidnischem Brauchtum und dem Nationalsozialismus.

»Durch Weisthors Einfluß wurden immer mehr heidnische Rituale auf der Wewelsburg und in der gleichnamigen Ortschaft gepflegt. Diese Rituale umfaßten heidnische Heiratszeremonien zwischen SS-Offizieren und ihren Bräuten, sowie Ernte- und Sonnwendfeiern« schrieb der rechte Autor Alexander von Webenau dazu im neofaschistischen Europakreuz. Das Besinnen des Nationalsozialismus auf die angeblichen germanischen bzw. nordischen Wurzeln des deutschen Volkes ist allgemein bekannt. Das Zitat zeigt jedoch auch, welche Spannbreite die Hagal in der Gegenwart abdecken kann und will bzw. welche Brücken die Zeitschrift zwischen Rechten und Heiden schlagen kann.

Rezeption und Verbindungen

Wie bereits eingangs erwähnt, finden sich einige Rezeptionen über und Anzeigen von der Hagal in diversen Publikationen des rechten Randes. Regelmäßig bewarb "Die Schwarze Fahne", das Magazin der Jungen Nationaldemokraten, die aktuellen Ausgaben der Hagal. Es wurde auch bekannt, daß einige Bestellungen, u.a. aus dem Umfeld des Bamberger Neonazi-Skinzines Lokalpatriot, bei der Hagal-Redaktion aus dem militanten Neonazispektrum eingegangen sein sollen. Die InteressentInnen beriefen sich demnach explizit auf die Anzeigen im JN-Organ und unterstrichen somit ihre Wirksamkeit.

Zum den Abonnenten der Dresdner Zeitschrift gehört beispielsweise Andy M. (Bergwitz), dessen offen sichtlich eingestelltes Skinzine "Stormfront 88" eine wilde Mischung aus NS-Ideologie und heidnischer Gesinnung offen zur Schau trug. Dort hatten NS-Skinheadsbands ebenso ihren Platz wie völkische Black-Metal-Gruppen. Inzwischen verlegt sich Andy M. auf die Herausgabe eines Internet-Magazins, welches den Namen Sol. Nigra (»für Heiden, Querdenker, Kulturrevolutionäre und konservative Anarchisten«) trägt, jedoch noch nicht sehr weit gediehen ist.

Wer neben Neonazi-Skinheads ebenfalls zu den KonsumentInnen der Hagal gehören dürfte, läßt sich anhand ihres Buchversandes ersehen. Einerseits sind hier die Bücher des hauseigenen Verlages Zeitenwende zu finden, zu dessen Autoren u.a. Walter Drees (Vlotho) gehört. Der Großteil der angebotenen Bücher und Publikationen stammt aber aus dem Arun-Verlag von Stefan "Björn" Ulbrich (Engerda) und vom Thule Seminar von Pierre Krebs (Kassel). Die beiden rechten Projekte sind für ihre Kulturkritik in Verbindung mit einer heidnisch-esoterischen Weltanschauung bekannt.

Um dem eigenen bioregionalistischen Anspruch gerecht zu werden, sind auch Veröffentlichungen zu regionalen Themen erhältlich. Das hierbei unter Umständen auch auf regionale Rechte zurückgegriffen wird, liegt nahe. Hans Domke, der bereits 1991 in der (Neo)Nazi-Zeitschrift Nation & Europa Spenden für den Aufbau einer nationalen Bibliothek suchte, war Mitautor an einem Buch über Tischsprüche, welches beim Kulturkreis Dresden Stadt e.V. veröffentlicht wurde. Der Verein wurde 1993 von den rechten Politfunktionären Holger Szymanski und Frank Kaden aus Dresden gegründet. Über den selben Verein war in diesem Jahr das Buch »Die Geschichte der sächsischen Wiking-Jugend« ihres ehemaligen Gauleiters Frank Kaden zu beziehen. Mit den Worten "Hallo alte und neue Mitstreiter" wurde der Hagal-Redaktion das Buch von Hans-Holger Malcomeß (Dresden), DSU-Mitglied mit Hang nach Rechtsaußen, empfohlen.

Einschätzung

Die Bedeutung der Hagal liegt vorrangig in ihrem Beitrag zur ideologischen Schulung von Rechten. Dies verstärkt sie durch ihre regelmäßigen Veranstaltungen. Sie ist fest in die bundesweite Szene von ähnlich völkisch-orientierten Gruppen eingebunden. Aufgrund der Jugendlichkeit ihrer MacherInnen, ihrer allgemein gehaltenen Kulturkritik und ihrer historischen Bezüge vermag sie verschiedene rechte Spektren zu bedienen. Das Aufgreifen ihrer Wertvorstellungen durch Zeitschriften wie Deutsche Stimme oder Junge Freiheit und die Zusammenarbeit mit bekennenden Holocaustleugnern oder neugermanischen Heiden belegt diese Rolle.