Skip to main content

Geflüchtete Frauen ohne Rechte

Einleitung

Am 8. März 1997, dem Internationalen Frauentag, begannen der Deutsche Frauenrat und Pro Asyl zusammen mit Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und Frauen- und Lesbengruppen mit der Kampagne »Verfolgte Frauen schützen!« Mehr als 80.000 Menschen haben inzwischen den Kampagnenaufruf unterschrieben und gefordert, daß verfolgten Frauen in Deutschland Schutz gewährt wird. Die neue rot-grüne Regierung hat im Koalitionsvertrag nur eine vage Absichtserklärung zur Asylfrage für verfolgte Frauen abgegeben: »Wir werden die Verwaltungsvorschriften mit dem Ziel der Beachtung geschlechtsspezifischer Verfolgungsgründe überarbeiten«, heißt es da. Die UNHCR-Vertreterin Katharina Lumpp kritisierte daraufhin, »die Koalitionsvereinbarung nützt überhaupt nichts, denn wenn die sogenannte geschlechtsspezifische Verfolgung nicht von staatlichen Stellen ausgeht, wird die Anerkennung als Flüchtling verweigert«. Das heißt konkret: Damit den schönen Worten vielleicht auch einmal Taten folgen, ist Druck und Öffentlichkeitsarbeit notwendig. Dieser Artikel soll einige Eckpunkte zur geschlechtsspezifischen Verfolgung von Frauen und ihrer Situation in Deutschland vermitteln.

Symbolbild von Christian Ditsch

Als Anfang der neunziger Jahre viele bosnische Frauen in Deutschland Asyl suchten, erhielten sie trotz Massenvertreibungen und Vergewaltigungen nie eine Chance auf Anerkennung als politisch Verfolgte, obwohl gerade die massenhaften sexuellen Übergriffe ein Mittel der Kriegsführung waren. Damit sollten gezielt bestimmte gesellschaftliche Gruppen eingeschüchtert und zur Flucht getrieben werden. Ähnlich ist die Situation von afghanischen und algerischen Frauen.

Aufgrund der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl sowie der zunehmend im Widerspruch zum Völkerrecht stehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Frauen, die unbestritten von geschlechtsspezifischen Menschenrechtsverletzungen bedroht und verfolgt sind, kaum Hoffnung auf dauerhaften Schutz in Deutschland. Geschlechtsspezifische Verfolgung wird nur dann asylrechtlich anerkannt, wenn sie als politische Verfolgung im Sinne des Artikel 16a Grundgesetz (GG) gewertet wird. Die Gerichte - und erst recht die Asylentscheider im "BUNDESAMT FÜR DIE ANERKENNUNG AUSLÄNDISCHER FLÜCHTLINGE" in Nürnberg - haben den Begriff der politischen Verfolgung aber soweit eingeengt, daß Frauen, die aufgrund ihres Frauseins Opfer von Verfolgung wurden, erhebliche Schwierigkeiten haben, als politisch Verfolgte anerkannt zu werden. Hinzu kommt, daß es den meisten Frauen aus Angst und Scham sehr schwer fällt, über ihre traumatischen Erfahrungen zu reden - insbesondere in einer Befragungssituation mit männlichen Beamten und Dolmetschern, welche sie oft von vornherein feindselig behandeln.

Es gibt mehrere Formen der geschlechtsspezifischen Form von Verfolgung von Frauen, die bisher im Asylrecht überhaupt nicht berücksichtigt werden: Im Gegensatz zu den Erfahrungen der meisten Männer liegen die Bedrohung für viele Frauen überwiegend im häuslichen Bereich - einem »privaten« Raum, der jenseits des Völkerrechts zu liegen scheint. Häusliche Gewalt wird vor allen in solchen Situationen zu einem Asylthema, in denen die Mißhandlungen einen bestimmten Schweregrad erreichen und die Behörden des jeweiligen Landes nicht willens oder in der Lage sind, den betroffenen Frauen Schutz zu bieten.

Ein eng damit verbundenes Problem beruht auf der Überzeugung, daß bestimmte Praktiken, unter denen Frauen zu leiden haben, durch die Kultur oder die Religion sanktioniert sind und deshalb keine Verfolgung darstellen, selbst wenn sie mit den allgemeinen Menschenrechtsstandards unvereinbar sind. Eine weitverbreitete Form geschlechtsspezifischer Verfolgung ist die harte oder unmenschliche Behandlung von Frauen, die bestimmte soziale Normen übertreten. Eine Frau, die entgegen den Normen ihrer Gesellschaft handelt, tut dies möglicherweise aufgrund einer bewußten Entscheidung. Andererseits können solche Normabweichungen auch auf Umstände zurückzuführen sein, über die die Frau keinerlei Kontrolle hat. Dazu gehören vergewaltigte Frauen, denen die Verfolgung und Bestrafung wegen Ehebruchs droht. Darüber hinaus kann Verfolgung die Form sexueller Gewalt annehmen, wie beispielsweise Vergewaltigungen. Kontroverse Diskussionen gibt es darüber, ob die genitale Verstümmelung oder Beschneidung von Frauen als Form der geschlechtsspezifischen Verfolgung anerkannt werden soll. Weltweit sind nach Schätzungen rund ISO Millionen Frauen verstümmelt. Tausende sterben an den Folgen des Eingriffs. Nur wenige Mädchen und junge Frauen wehren sich dagegen oder fliehen. In den Situationen, in denen Frauen oder Mädchen eine bestimmte Praxis akzeptieren bzw. sie tolerieren, stellt sich die Frage der Verfolgung erst einmal nicht, wie schrecklich sie auch scheinen mag. Doch in Situationen, in denen eine Frau oder ein Mädchen gegen ihren Willen dazu gezwungen wird und in denen die Behörden keinen Schutz geben wollen oder dazu nicht in der Lage sind, muß die genitale Verstümmelung die Grundlage für einen Anspruch auf den Flüchtlingsstatus sein. In einigen Ländern, wie beispielsweise Australien, Kanada und den USA sind mittlerweile entsprechende Richtlinien erlassen worden. 1996 erhielt eine junge Frau aus Togo wegen drohender Genitalverstümmelung in den USA den Flüchtlingsstatus.

Einen weiteren Punkt stellt die Frage der staatlich gelenkten Bevölkerungspolitik und Geburtenkontrolle dar. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, das UNHCR, vertritt die Ansicht, daß eine staatliche Bevölkerungspolitik an und für sich als Verfolgung angesehen werden kann. Das gilt dann, wenn diese Politik bestimmte gesellschaftliche oder »ethnische Gruppen« diskriminiert und das individuelle Recht, über den eigenen Körper zu bestimmen, durch staatliche Zwangsmaßnahmen eingeschränkt wird - z.B. durch erzwungene Abtreibungen und Zwangssterilisationen. Grundsätzlich sollte zwischen Familienplanungsstrategien und den Methoden ihrer Umsetzung unterschieden werden.

Dazu kommt die besondere Verfolgung von Frauen und Männern aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, d.h. weil sie als Lesben oder Schwule verfolgt werden. In diesem Jahr erhielt eine rumänische Lesbe, die in Rumänien zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden war, in Deutschland Asyl, nachdem Schwulen- und Lesbengruppen eine massive Kampagne für ihre Anerkennung als Asylberechtigte in die Wege geleitet hatten. Es gibt genügend Gründe für Frauen Asyl und Schutz in Deutschland zu suchen. Es ist höchste Zeit diese Gründe im Asylrecht anzuerkennen und entsprechenden Druck auf die »rot«-grüne Regierung auszuüben.