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Erika Steinbach - die neue Präsidentin der Vertriebenen

Einleitung

Die neue Präsidentin der organisierten Vertriebenen gehört zum rechten Rand der CDU und des BdV. Sie hat zwar keine eigenen Erinnerungen an Flucht und Vertreibung, tritt aber um so vehementer für das »elementare Recht unseres Volkes« zur Wiedererlangung der ehemaligen Ostgebiete ein.

Foto: Christian Ditsch

Die CDU-Politikerin Erika Steinbach, nunmehr Präsidentin des "Bund der Vertriebenen – Vereinigte Landsmannschaften und Landesverbände e.V." (BdV), galt gegenüber ihrem Mitbewerber, Hans-Günther Parplies aus Bonn, als gemäßigt. Die CDU-Bundestagsabgeordnete, so hieß es, stände für die Anbindung der Vertriebenenverbände an die Unionsparteien.

Wie weit rechts das Spektrum der Unionsparteien reicht und welche Positionen Steinbach vertritt, macht folgendes Beispiel deutlich: Schon wenige Wochen nach Amtsantritt wurde Steinbach selbst vom extrem rechten "Witikobund" gelobt. Im Vergleich zu ihrem Vorgänger sei sie die »tatkräftigere Sachwalterin der Vertriebenen«, schrieb der ehem. REP-Kandidat Hans-Ulrich Kopp (Stuttgart) im "Witikobrief". Sie hat nicht jene organisierten Vertriebenen zur CDU zurückgeholt, die offen zu REPs oder zum "Bund Freier Bürger" tendieren, sondern vielmehr die CDU auf Linie des BdV gebracht.

Ihre Kampagne, den EU-Beitritt Polens und Tschechiens mit der Erfüllung von Vertriebenenforderungen nach Eigentums- und Landrückgabe zu verknüpfen, fand ihren Höhepunkt immerhin in einer Bundestagsentschließung. Zwar wurden die BdV-Forderungen dort nicht zur Bedingung des EU-Beitritts gemacht. Aber die »berechtigten Anliegen« der Vertriebenen wurden aufgegriffen und die Hoffnung geäußert, der Beitritt Polens und Tschechiens zur Europäischen Union würde die Lösung »noch offener, bilateraler Fragen erleichtern«. Die »offenen, bilateralen Fragen« sind eine diplomatische Umschreibung für die Besitzverhältnisse in den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Bei den bisherigen Vertragsverhandlungen mit Polen oder Tschechien wurden diese »Fragen« nicht geklärt, sondern von deutscher Seite »offengehalten«. In Reaktion auf die Bundestagsentschließung sah sich das polnische Parlament genötigt eine Selbstverständlichkeit festzustellen - nämlich die »Unantastbarkeit der polnischen Grenzen« und die »Unantastbarkeit der polnischen Eigentumsrechte an Immobilien«.

Als Außenminister Kinkel in Warschau versuchte, die Wogen zu glätten und auf die Frage nach den Forderungen der Vertriebenen antwortete, die Polen »könnten ruhig schlafen«, legte die Vertriebenenpräsidentin nach. Sie kritisierte das Verhalten Kinkels als nicht hinnehmbare »Rücksichtslosigkeit gegenüber den Heimatvertriebenen«. Und sie erhob auch Anspruch auf polnisches Mobiliar. Steinbach: »Wir gönnen jedem einen ruhigen Schlaf, aber nach Möglichkeit im eigenen Bett, in der eigenen Heimat

»Am äußersten rechten Rand« gegen die deutsche Ostgrenze

Die 1943 im ehemaligen Westpreußen geborene Steinbach hat keine eigenen Erinnerungen an diese »Heimat«. Sie kam auch nicht über die Vertriebenenverbände in die Politik. 1968 empörte sie sich darüber, daß »die Straße ständig von Demonstranten blockiert war« und entschloß sich, die Demokratie »vor den linken Barbaren« zu retten. Dabei fühlte sie sich von der »enormen Strahlkraft« des CDU-Rechtsaußen und ehemaligen Wehrmachtshauptmanns und NSDAP-Mitglied, Alfred Dregger, angezogen. 1974 trat sie der CDU bei und wurde drei Jahre später in den Frankfurter Stadtrat gewählt. 1990 wechselte sie in den Bundestag und besetzt dort, so das CDU-Mitglied Michel Friedmann, eine Nische »am äußersten rechten Rand«.

Dank einer Listenplatzabsicherung wird Steinbach, obwohl sie ihr Direktmandat verlor, diesen Platz auch weiter ausfüllen. Die Grenzen des wiedervereinigten Deutschland lehnte sie 1991 ab und stimmte mit anderen Vertriebenenvertretern gegen den Grenzvertrag, der die deutsche Ostgrenze bestätigte. Steinbach, die sich sehr gefühlvoll für die »Heilung des Vertreibungsunrechts« einsetzt, ist nahezu mitleidslos, wenn es darum geht, verfolgten Menschen heute Asyl zu gewähren und Migration als Normalität zu begreifen. Für den tödlichen Brandanschlag auf ein von MigrantInnen bewohntes Haus in Solingen machte sie 1993 »den ungezügelten Zustrom von Menschen« nach Deutschland verantwortlich. Und auf dem Höhepunkt der neonazistischen Angriffe auf MigrantInnen begründete sie die Zerrüttung des »Landfriedens« nicht etwa mit den Gewalttaten der Neonazis, sondern mit verstärkter Zuwanderung. Als der Bundestag über das »Europäische Jahr gegen Rassismus« debattierte, warb Steinbach für eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, mit dem Flüchtlinge jeden sozialen Anspruch verlieren und auf kaltem Wege ausgehungert und vertrieben werden sollen. Eine solche Regelung sei notwendig, sagte Steinbach, »um den Nährboden für fremdenfeindliches Verhalten unfruchtbar zu machen

Rechts vernetzt für die »Volksgemeinschaft«

Die konsequente Gegnerin der Multikultur sorgt sich jedoch weniger um fremdenfeindliches Verhalten, als um die Nation und die 'Blut und Schicksalsgemeinschaft' der Deutschen. In einem Artikel in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" propagierte sie 1994 unter Benutzung der NS-Begrifflichkeit eine Art »Volksgemeinschaft«. Der »Verfassungspatriotismus«, also die Identifikation mit dem Grundgesetz, sei »einer der sichtbarsten Symptome unseres nationalen Selbstwertdefektes«. Es bedürfe deshalb eines »eigenständigen, nicht auf Pragraphen fixierten Patriotismus«.

Da wundert es nicht, daß sich Steinbach im Umfeld der rechten Zeitung »Junge Freiheit« (JF) engagiert. Zusammen mit 300 Hochschulprofessoren, Bundeswehrfunktionären, PolitikerInnen und anderen (extrem) Rechten (z.B. den REPs  Ottmar Wallner und Ingeborg Seifert) unterzeichnete sie einen den Autruf "Appell 8. Mai 1945 – gegen das Vergessen". Anläßlich des 8. Mai 1995 wurde in diesem der 8. Mai in geschichtsrevisionistischer Weise nicht als Tag der Befreiung, sondern als »Beginn von Vertreibungsterror und neuer Unterdrückung im Osten« beschrieben.

Besondere Unterstützung gab sie der von der "Junge Freiheit" inszenierten Kampagne gegen »political correctness«. Sie ließ sich von der "Jungen Freiheit" interviewen und organisierte in der "Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft" Räume für die Präsentation eines Buches von dem Ex-Linken Neu-Rechten Klaus Rainer Röhl gegen »political correctness«. Außerdem nahm sie 1996 an einer Podiumsdiskussion anläßlich der Verleihung des »Mittelstandspreises« des "Bund der Selbstständigen" teil. Neben Röhl und Steinbach saß auch der frühere FDP-Politiker Heiner Kappel, heute beim rechten "Bund Freier Bürger" (BFB), auf dem Podium. Moderiert wurde die Diskussion von dem »neurechten« Publizisten Heimo Schwilk. Eine von Steinbach initiierte Gegenveranstaltung zur Eröffnung der Ausstellung »Vernichtungskrieg -Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944« in Frankfurt kritisierte die Frankfurter SPD-Vorsitzende als »gezielte Einladung an rechtsradikale Gruppen«. 1997 war Steinbach schließlich Gründungsmitglied der rechten Sammelbewegung "Stimme der Mehrheit" ("Arbeitsgemeinschaft Freie Publizisten, Schriftsteller und Wissenschaftler im Bund der Selbständigen (BDS) – Stimme der Mehrheit").

Nachwuchsvertriebene mit Sympathie für Südtirolterroristen

Die Wahl Steinbachs als BdV-Präsidentin macht nicht nur die rechten bis extrem rechten Tendenzen in vielen Verbänden deutlich, sondern zeigt auch einen Generationswechsel im BdV an. Ihre Gegnerschaft zu den Grenzverträgen begründet die heutige Präsidentin recht irrational: Etwas anderes sei ihr »emotional nicht möglich« gewesen - auch wenn sie aufgrund ihres Alters keine Erinnerungen an die »Heimat« haben kann. Die 1943 im ehemaligen Westpreußen1 geborene Steinbach gehört zur Generation der »Nachwuchs- und Bekenntnisvertriebenen«, die das »Recht auf Heimat« und großdeutsche Visionen nicht aus Erleben und Erinnerungen ableiten, sondern vor allem aus Nationalismus.

Nach Steinbach handele es sich um »ein elementares Recht unseres Volkes. (...) Es geht um grundsätzliche Erwägungen.« Daher ist die Einschätzung falsch, die Vertriebenen seien ein Problem, das mit dem Ableben der Erlebnisgeneration sein Bewenden habe. Eher werden sich die jungen Nationalrevanchisten soweit rechts verorten, daß die Unionsparteien sie nicht mehr zu decken und zu fördern in der Lage sind. Steinbach ist auf dem Weg dorthin.

Wenn sie beispielsweise behauptet, in der Weltgeschichte habe es kein vergleichbares Ereignis zur Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten gegeben, oder ihre Sympathie für die Südtirolterroristen bezeugt: »Die haben zwar Masten gesprengt, aber damit auch viel erreicht«. Die Frau, die unter dem »Recht auf Heimat« etwas anderes versteht als ein Ansiedlungsrecht oder die EU-Freizügigkeit, wurde von Kinkel nicht mehr zum formalen Antrittsbesuch empfangen, weil der Außenminister nicht wußte, worüber er »mit dieser Frau« reden solle.

  • 1Als Erika Hermann im „Rahmel Fliegerhorst Nr. 102“ in Rumia in Polen.