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Ein "Cafe Germania" ist schon eins zuviel

Einleitung

Seit Dezember 1997 sorgt das Berliner "Cafe Germania" für Schlagzeilen. Gründungsvater des mittlerweile bundesweit bekannten Neonazitreffpunktes in der Lichtenberger Normannenstraße ist der Neonazikader Andreas Voigt aus dem Raum Stuttgart. Von Anfang an gingen AntifaschistInnen mit Demonstrationen, Angriffen und Glasbruch gegen das Germania vor. Mittlerweile rufen die in Bedrängnis geratenen »verantwortlichen Initiatoren« mit Anzeigen in der NPD-Zeitung "Deutsche Stimme" (DS) und auf den Internet-Seiten der neonazistischen "Berlin Brandenburger Zeitung" (BBZ) »ab sofort das Projekt Cafe Germania« aus. Ihr Ziel: »Eine erst berlinweite und später deutschlandweite Infrastruktur von nationalen Gastronomie- und Freizeitobjekten zu schaffen«. Vorher jedoch gilt es, daß Lichtenberger Objekt überhaupt halten zu können: Nach dem dritten Glasbruch soll sich die Versicherung geweigert haben, weiter für den Schaden aufzukommen. Seitdem hat das "Cafe Germania" Sicherheitsscheiben aus Plastik. Über Andreas Voigt wird berichtet, daß ihn mittlerweile mehrere zehntausend Mark Schulden plagen.

Andreas Voigt vom "Cafe Germania" bei einer NPD-Demonstration in Leipzig.

Das "Cafe Germania" hat sich seit seiner Eröffnung schnell zum Sammelpunkt für bundesweit bekannte Neonazikader, rechte Skinheads und rechte Kundschaft aus dem umliegenden Stadtteil entwickelt. Der Name ist Programm: Bei germanischem Met können die Gäste Landsermusik hören, sich an germanischen Kunstwerken wie der »Sprachenkarte von Mitteleuropa« - publiziert vom "Arndt Verlag" (Dietmar Munier) erfreuen und ungestört ihre Pläne schmieden.

Hier sind die Möchtegerngermanen bei »nationalen Liederabenden« unter sich, denn der Zutritt zu dem Cafe mit der breiten Fensterfront in dem renovierten Neubau wird nicht selten wird nur nach Augenschein und Gesichtskontrolle gewährt. Wenn Besucher an auf der Straße und vor dem Cafe-Eingang herumlungernden Neonaziskinheads vorbeigekommen sind, haben sie die erste Hürde auf dem Weg in das »nationale Gastronomieobjekt« geschafft. Doch Laufkundschaft verirrt sich ohnehin nur selten hierher. Alle, die nicht in das rechte Weltbild passen, wechseln schon einige hundert Meter vor dem "Cafe Germania" die Straßenseite. Zu oft gingen von Besuchern der Neonazi-Kneipe Übergriffe und Pöbeleien aus, als daß nicht alle im Viertel lebenden Menschen über die politische Einstellung der Gäste und der Betreiber informiert wären.

Druck auf Vermieter

Etwas länger dauerte es, bis die Informationen über das Treiben im "Cafe Germania" bei den Hausbesitzern und deren Hausverwaltung Besorgnis und halbherzige Distanzierungen auslösten. Das Gebäude in der Normannenstraße gehört seit 1996 der "L&R Wohnbau GmbH" aus Mönchengladbach. Die Hausverwaltung wechselte im Juni diesen Jahres zur im Haus befindlichen "Perfecta Hausverwaltung". Gepachtet wurden die Caferäume von Erik B., der diese an die "Cafe Germania"-BetreiberInnen untervermietet. Nach einem offenen Brief, der zur Schließung des "Cafe Germania" auffordert und u.a. vom PDS-Bezirksbürgermeister unterschrieben wurde, behauptet die Hausverwaltung mittlerweile, daß sie das "Cafe Germania" gerne loswerden würde. Allein die komplizierten Pacht- und Mietrechtsbestimmungen hätten sie bislang an einem Rausschmiß gehindert. Durch eine Veranstaltung der »Aktion gegen Rechts Friedrichshain/Lichtenberg« zum Germania Mitte September wurde der Druck auf die Hausverwaltung verstärkt. Etwa 150 ZuhörerInnen - vornehmlich ältere BürgerInnen und Antifas - informierten sich über den rechten Treffpunkt und planten weitere  Aktivitäten.

Verankerung in der Szene

Erstmal jedoch sieht es so aus, als wenn die Betreiber um Andreas Voigt und Nadine Kortegast weiterhin Met ausschenken und der Neonaziszene einen Treffpunkt bieten können. Mit Lichtenberg haben Andreas Voigt und Kameraden einen idealen Standort gewählt. In dem Bezirk wurden 1997 die meisten rechtsextremen Straftaten in Berlin verübt; hier gibt es neun bekannte rechte Skinheadstützpunkte - weit mehr als in jedem anderen Bezirk - sowie zwei Stützpunkte von lokalen Neonazikameradschaften. In der Nähe des "Cafe Germania" befindet sich das Ring-Center, ein beliebter Treffpunkt rechter Jugendlicher, und der von dem Ex-"Nationale Alternative"-Kader Frank Lutz betriebene Tattooshop "Utgard".

Die Kundschaft kommt aber vor allem aus allen Strömungen der Berliner Neonaziszene: NPD-Kader Andreas Storr wurde hier ebenso gesehen wie der "Anti-Antifa"-Aktivist Oliver Schweigert, der das "Cafe Germania" offenbar zu seiner Stammkneipe gemacht hat. Hier treffen sich Aktivisten der "Freien Kameradschaften" zu Stammtischen und führen organisatorische Treffen mit auswärtigen Aktivisten durch. Auch Brandenburger Neonazis kommen regelmäßig zu Besuch. Dieses Jahr wurden hier rechte Konzerte mit Jörg Hähnel, "Patriot 19/8" und "Sleipnir" angekündigt.

Wer sind die BetreiberInnen?

Andreas Voigt, der nach Angaben der Hausverwaltung als "Cafe Germania"-"Geschäftsführer" auftritt, war Chef der Boneheadgruppierung "Kreuzritter für Deutschland" aus dem Stuttgarter Raum. Die damals etwa 50 Mitglieder zählenden Gruppe war Anfang der 1990er Jahre eine der aktivsten in der bundesweiten Neonaziskin-Szene. Zu ihren Aktivitäten gehörte vor allem die Organisierung von Neonazikonzerten - u.a. mit international bekannten Bands wie "Skrewdriver" aus England. Außerdem ein Versandhandel und der Verkauf ihres Neonazi-Fanzines "Die Burg". Seit 1993 spielten die "Kreuzritter für Deutschland" und die ihr nahestehende Band "Noie Werte" eine maßgebliche Rolle beim Aufbau der deutschen Sektion des internationalen Neonaziskin-Netzwerkes "Blood & Honour". Fünf Mitglieder der "Kreuzritter für Deutschland" wurden im März 1994 wegen Verbreitung von Propagandamaterial verfassungswidriger Organisationen zu mehrmonatigen Bewährungsstrafen verurteilt. Andreas Voigt erhielt vom Landgericht Stuttgart u.a. wegen Nötigung, Körperverletzung und Bedrohung eine Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten. Er hatte zusammen mit zwei Gesinnungsgenossen einen abtrünnigen Kameraden mißhandelt und nach Frankreich entführt. Dort wollten sie ihn zwingen, in die Fremdenlegion einzutreten.

Ebenfalls als "Pächterin" und eine Art "Geschäftsführerin" des "Cafe Germania" soll Nadine Kortegast aufgetreten sein. Die Neonazi-Aktivistin aus Henningsdorf (Brandenburg) soll zum Kreis der "Kameradschaft Oberhavel" gehört haben und wurde szeneöffentlich als Autorin in Neonazi-Fanzines wie "United Skins" (US) und "Der Weisse Wolf" (DWW) aus Königs-Wusterhausen (Brandenburg) bekannt. Auch die Neonazi-Zeitschriften "Freyja" und "Modernes Denken" (Henningsdorf) soll sie mit herausgegeben haben.